Töppi als Berufsauffassung

Sportjournalismus An diesem Samstag findet das erste ZDF-Sportstudio ohne den frühpensionierten Rolf Töpperwien statt. Richtigstellung in der Sache eines viel Gescholtenen

Viel Kritik, zum Teil gar Verachtung hat sich der ZDF-Sportredakteur Rolf Töpperwien eingefangen, als er Ende September in Frührente ging. Dem Fußballberater Roland Eitel beispielsweise, der sich sonst um das Image von Jürgen Klinsmann und Joachim Löw kümmert, galt Töpperwien nur als der „wandelnde Lachsack des ZDF“. Der freie Sportjournalist Jens Weinreich kommentierte in seinem Blog: „Töpperwien hat sich längst selbst hingerichtet“. Und Holger Gertz bezeichnet ihn in der Süddeutschen Zeitung als „Teil der Töppi-Toppi-Calli-Kalli-Waldi-Schlappi-Rudi-Duzgesellschaft“.

Töpperwien selbst spricht stets davon, für die Zuschauer, für die Gebührenzahler, für die Fußballfans da zu sein. Gertz zitiert ihn mit dem Satz: „Ich wollte nie Sportjournalist werden, ich wollte Fußballreporter werden, das ist ein Riesenunterschied.“

Töppi kannte keine Distanz. Er war nah dran, weil er nah dran sein wollte, näher als alle Kollegen. Doch wie vielleicht kein anderer deutscher Fernsehmann hat Töpperwien den Fußball immer ernst genommen. Zu einer gesellschaftsbezogenen Kritik des Fußballs war der bekennende CDU-Wähler Töpperwien nicht willens und wohl auch nicht fähig. Aber auf das unmittelbare Geschehen auf dem Platz bezogen waren seine Berichte nie unkritisch: Legendär etwa, als er ein Interview mit dem Freiburger Trainer Robin Dutt abbrach, weil dieser ihm, dem Töppi, dem Fußballexperten, von Spielsituationen vorschwärmte, die es in der Partie nicht gegeben hatte. Nicht mal Töppis Duzfreundschaften und seine Nebentätigkeiten bei Vereinsfeiern haben ihn je daran gehindert, Trainer und Spieler fußballimmanent zu kritisieren. Auch über Vorschriften, etwa das Verbot, eine Kabine zu betreten, hat sich Töpperwien hinweggesetzt, weil ihm der geregelte Fußball, wo es Erst-, Zweit- und Siebt-Interviewrechte gibt, zuwider ist. Das macht vermutlich noch keinen kritischen Journalisten aus, aber doch einen engagierten, unerschrockenen und mutigen Fußballreporter. Und dies unterscheidet ihn von so manchem sich als kritisch verstehenden Sportjournalisten, der draußen steht und mutmaßt.

Widerstand wider Willen

Holger Gertz hat in der Süddeutschen noch ein anderes Bild verwendet: „Töpperwien die Begeisterung abzugewöhnen, ist ähnlich aussichtsreich gewesen wie neulich bei der Weltmeisterschaft der Vorschlag, den Afrikanern ihre Plastiktröten wegzunehmen.“ Töppi sei eine „menschgewordene Vuvuzela“. Das Bild, das von den kritischen Journalisten bei stern.de und Welt gleich übernommen wurde, erklärt einiges – vielleicht anderes, als intendiert ist: Denn wie auch immer man ihren schrillen Klang verabscheut: Vuvuzelas sind eine Form kulturellen Besitzes. Sie südafrikanischen Fußballfans wegnehmen zu wollen, ist nicht nur schwierig, sondern wäre auch eine bemerkenswerte europäische Enteignung afrikanischen Fußballs. Auf Töpperwien übertragen: Der ZDF-Mann behandelt den Fußball als Volkes Besitz, als eine Form proletarischer Öffentlichkeit. So wie Vuvuzelas Anfang der neunziger Jahre als PR-Gag entwickelt wurden und dann kulturell adaptiert wurden, so geht Töpperwien mit dem Fußball um: Es kümmert ihn nicht, wo der herkommt, wer ihn bezahlt und wer daran verdient – er will einfach gute Spiele sehen. Und sagt danach, welcher Spieler, welcher Fehlpass, welche Taktik schuld daran waren, dass er kein gutes Spiel gesehen hat.

Rolf Töpperwien verkörperte den leider unpolitischen Widerstand gegen die historische Tendenz, den Fußball in bürgerliche Kultur zu überführen. Leider wissen weder er noch seine Fans das. Seine Kritiker zum Glück aber auch nicht.

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