Die Berge sind weg. Zugegeben, das ist etwas unkorrekt. Genauer heißt der Satz: Das Magazin Berge gibt es nicht mehr, sein Erscheinen wurde nach 25 Jahren eingestellt. Das kann, wer will und wer Berge nicht kennt, so deuten, dass mal wieder irgendein Special-Interest-Blättlein vom ohnehin so unübersichtlichen Zeitschriftenmarkt verschwunden ist.
Doch Berge war kein Special-Interest-Blatt. Berge druckte große Bilder und große Reportagen. Dieser formale Ansatz, der so brav und so harmlos klingt, erwies sich als gewaltig: Große Bilder und große Reportagen dürfen eben nicht nur im quantitativen Sinne groß sein, sich also einfach nur über mehrere Seiten ziehen. Sie müssen von genauer Beobachtung der Verhältnisse leben, sie müssen den neuen, den anderen, den kritischen Blickwinkel eröffnen.
Das tat Berge, ohne es je als Programm formuliert zu haben. Hier wurde das Sujet Berge, was immer auch heißt: die Menschen in den Bergen ernst genommen. Hier wurden keine "idyllischen Landschaften" besungen, hier wurden keine Kletterrekorde vermeldet (auch wenn die, die sie erreichten, die Extrembergsteiger und Profikletterer, nicht denunziert wurden). Es wurde keine "traditionelle Gastfreundschaft" erfunden, es wurde nicht von "kauzigen" Einheimischen berichtet, weder im Bild noch im Text. Nein, die Größe des Magazins bestand in dem Respekt, den es allem, was sich in Bergen findet, entgegenbrachte.
Zuletzt hatte Berge eine verkaufte Auflage von 18.000 Exemplaren, ist zu hören. Das war dem Olympia-Verlag aus Nürnberg, der sein Geld mit dem Kicker verdient und erst vor einem Jahr mit dem Fußballmagazin Rund ein ambitioniertes Magazin gegen die Wand gefahren hat, zu wenig. Ob das redaktionelle Konzept wirklich nicht für eine höhere Auflage taugte oder ob nicht vielmehr in Vertrieb und Werbung Anstrengungen ausblieben, das Magazin tragfähig zu machen, ist eine Frage, die offen bleiben muss.
Dass der ambitionierte Alpinjournalismus von Berge vielleicht mit einem mittelständischen Verlag, der sich unter Qualität vor allem die Kicker-Stecktabelle vorstellt, nicht so ganz kompatibel war, kann vermutet werden. Der Verleger, so war zu hören, wollte gerne ein Blatt, das er, der selber gerne wandert, daheim im Sessel lesen kann. Dieses Blatt bekam der Verleger alle zwei Monate, doch eine Überlebensgarantie ist solcherart paternalistisch abgesichertes Gewährenlassen nicht.
1983 wurde Berge gegründet, im Jahr, in dem die Neuen Sozialen Bewegungen ihren Höhepunkt hatten. Diese Gründungsumstände, die nie explizit Eingang in die redaktionellen Inhalte fanden, hätten es nahegelegt, ein Magazin wie Berge im kleinen, nur auf ihn zugeschnittenen Verlag zu publizieren, wo die Größe des Blattes anerkannt und unumstritten gewesen wäre, wo sich alle Vertriebs- und Werbebemühungen darauf gerichtet hätten, das Blatt angemessen, also groß zu präsentieren. Das wäre damals vermutlich nicht ohne kaum zu rechtfertigende Selbstausbeutung gegangen.
Heute ist es vielleicht anders, es drängt sich der Vergleich mit Mare auf, dem ambitionierten Magazin über alles, was mit den Meeren zusammenhängt. Manchmal schien es, als ließe sich die deutsche Gesellschaft in Mare- und Berge-Leser unterscheiden, in literarische Freunde des Meeres also und in literarische Freunde der Berge. So wie sich Mare nicht mit irgendeinem Hochseesegelmagazin in eins setzen lässt, so unterschied sich Berge stets von den serviceorientierten Blättern wie Bergsteiger, Klettern oder Outdoor.
In Berge, diesen Unterschied zu den anderen genannten Blättern erkannte man schon beim flüchtigen Durchblättern, wurden kulturelle und soziale Hintergründe beleuchtet, hier wurden philosophische und ökologische Fragen des Bergsteigens und Wanderns erörtert.
Dass Berge dies tat, überraschte alle zwei Monate neu. Die Heftkonzeption sah Schwerpunkte vor, zuletzt das Matterhorn und seinen Schweizer Talort Zermatt, die man auch mit Hitlisten der besten Hotels, der schönsten Routen oder, je nach Thema, der geilsten Nachtclubs hätte abarbeiten können. Doch das wollte man nicht.
Berge, so lässt es der Olympia-Verlag verlauten, soll nun in Alpin, einem anderen Bergsteigermagazin des Verlags, aufgehen. Das ist gewiss gut gemeint, aber die Konzepte der beiden Zeitschriften vertragen sich nicht. Wandertipps und Kulturgeschichte passen nur schwer in ein Heft, noch schwerer zu einer Zielgruppe.
Vom Himmel, vom Meer und von den Bergen wird gesagt, dass sie nie für sich existieren, dass erst der Mensch mit seiner Wahrnehmung sie für sich erfindet und nutzbar macht. Wenn das stimmt, so stimmt leider auch der erste Satz dieses Textes: Die Berge sind weg.
Unser Autor war Redakteur beim erwähnten Fußballmagazin Rund
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