Abenteuerliche Allianz

Ungarn Der Teilsieg der Opposition bei der Kommunalwahl hatte seinen Preis: Er war nur durch ein Bündnis aller gegen Orbán machbar
Ausgabe 42/2019
Der Kandidat der ungarischen Oppositionspartei Gergely Karácsony. Am 13. Oktober wurde er zum Bürgermeister von Budapest gewählt
Der Kandidat der ungarischen Oppositionspartei Gergely Karácsony. Am 13. Oktober wurde er zum Bürgermeister von Budapest gewählt

Foto: Attila Kisbenedek/AFP/Getty Images

Der Nachname des Oppositionskandidaten Gergely Karácsony, der gerade zum Budapester Bürgermeister gewählt wurde, bedeutet auf Deutsch „Weihnachten“. Neun Jahre lang wurden die sieben Zwerge der ungarischen Opposition von Niederlagen durchgepeitscht, nun ist da erstmals ein weihnachtliches Leuchten in den Augen. Läutet das Viktor Orbáns Ende ein? Hat der nationalkonservative Autokrat ausgespielt, der eine für EU-Demokratien normalerweise unerreichte Machtfülle verbucht?

Wahr ist, dass Orbán mit den 50 Prozent, die er bei der jetzigen Kommunalwahl auf dem flachen Lande bekam, sein Potenzial ausgereizt hat. Der Vergleich mit Polen, wo die rechtsnationale PiS-Regierung soeben ihre Mehrheit ausgebaut hat, zeigt Orbáns offene Flanken. Anders als die Regierenden in Warschau ist er nicht mehr sozialer als die Sozialdemokraten. Und anders als die Polen hat er ein unreformierbares, kleptokratisches Regime installiert. Kurz vor der Wahl tauchte ein Video auf, in dem der Bürgermeister von Győr auf einer wohl von Steuerzahlern finanzierten Jacht Prostituierte anspringt. Doch wurde dieser Fackelträger des christlichen Abendlands wiedergewählt. Der Teilsieg der Opposition hat seinen Preis: Er war nur durch ein Bündnis aller gegen Orbán machbar. Die Opposition hat neben dem Bürgermeister nun auch eine Mehrheit im Budapester Stadtparlament, nur kommen acht ihrer 18 Abgeordneten von der rechtsradikalen Jobbik. Die Opposition gewann in wohlhabenden Bobo-Städten mit liberalen Bewerbern – geschundene Arbeiterkommunen wie Dunaújvaros oder Ózd überließ man Jobbik-Kadern.

Der Leidensdruck der Opposition ist so groß, dass eine derart abenteuerliche Allianz auch für die Parlamentswahl 2022 möglich scheint. Dann stünde der nette Herr Weihnachtsmann freilich dem politischen Jahrhunderttier Orbán gegenüber und keinem seiner Lakaien.

Karácsony war Berater zweier sozialdemokratischer Premierminister, verließ die Grünen, weil die gegen das Allparteienbündnis waren, und führte sein Spaltprodukt in eine Listengemeinschaft mit den verzweifelten Sozialdemokraten. Bei wahnsinnig viel Glück könnte ein solches Riesenbündnis Orbán einmal gefährlich werden. Aber wäre eine Regierung aus Grünliberalen und Rechtsradikalen sehr viel besser?

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