Der Premier raunt über Soros

Slowakei Nach dem Mord an dem Journalisten Ján Kuciak muss sich der slowakische Premier Fico einem Misstrauensvotum stellen. Dass er an der Macht bleibt, ist aber gut möglich
Ausgabe 11/2018
Stiller Protestmarsch zum Gedenken an Ján Kuciak
Stiller Protestmarsch zum Gedenken an Ján Kuciak

Foto: Vladimir Simicek/AFP/Getty Images

Fünf Monate liegt der Autobombenmord an Daphne Caruana Galizia auf Malta zurück, der Regierung dort konnte die Tat nichts anhaben. In der Slowakei könnte es jetzt anders kommen. Wie Caruana Galizia hatte Ján Kuciak über Verbindungen zwischen Regierenden und der Organisierten Kriminalität recherchiert – samt seiner Verlobten wurde er erschossen. In der Folge muss sich der slowakische Premier Robert Fico am kommendem Montag im Parlament einem Misstrauensvotum stellen. Dass seine Drei-Parteien-Koalition zerbricht, ist so gut wie sicher.

Dies vor allem als Verdienst der jüngsten Demonstrationen zu sehen, würde deren Wirkmacht überschätzen. Zwar war es für das Land mit der niedrigsten Demo-Beteiligung in Mitteleuropa beeindruckend, dass Zehntausende auf die Straße gingen. Doch handelte es sich vorwiegend um bürgerliche Liberale, Künstler und Studierende, denen die Hochschulen freigegeben hatten. Beim „Marsch fürs Leben“, gegen das Recht auf Abtreibung gerichteten und von der katholischen Kirche unterstützt, waren es sicher doppelt so viele gewesen.

Der Doppelmord hat einen großen Teil der jungen urbanen Eliten mobilisiert, aber kaum jemanden darüber hinaus. Es fehlen, sofern in der Slowakei aufzufinden, Linke und der recht ansehnliche Teil des politischen Spektrums: konservative Katholiken. Auf den Dörfern, in den Plattenbausiedlungen und Kneipen gibt es Slowaken, die von Kuciak nie gehört haben.

Ähnlich ernüchternd ist, wie der Sturz der Regierung vor sich geht: Die Partei Most-Híd schert aus der Regierung aus. Sie ist ein Versöhnungsprojekt der ungarischen Minderheit mit liberalen Ökonomen, Aktivisten und Intellektuellen, einige Abgeordnete sind am deutlichsten pro NATO und Westen, viele kommen aus von George Soros finanzierten NGOs. Als Fico jüngst raunte, Soros zettle nun einen „Staatsstreich“ an, stieß er damit in erster Linie seinen Koalitionspartner vor den Kopf. Erst seither fordern Most-Híd-Vertreter Ficos Abgang. All die Korruptionsaffären Ficos und seiner Minister haben Most-Híd nicht gestört – sobald aber der Premier ihren Liebling Soros angreift, sieht die Partei rot.

Ficos Smer-Partei drohen bei Neuwahlen Verluste – das suggestive Spiel mit der Soros-Verschwörung kann ihm aber auch Stimmen bringen. Seine Rückkehr an die Macht ist möglich.

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