Iran: Die Wahl Raisis ist keine Überraschung

Free Iran Kundgebung - Mehrere Tausend Iraner versammeln sich in Berlin, um Deutschland und die EU aufzufordern, strafrechtlichen Ermittlungen gegen den neuen Präsidenten Raisi einzuleiten.

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Die Wahl Ebrahim Raisis zum iranischen Präsidenten hat mich nicht schockiert. Sie war weder fair noch frei. Sie war absehbar und ist das Ergebnis einer Entwicklung im Iran, die Ende 2017 im Land begann.

Die Unruhen in Masshad waren neuartig. Sie brachten ganz andere Botschaften unter das Volk als die früheren Volksaufstände und waren anders organisiert. Ihnen folgten ähnliche Erhebungen.

Selbst der Oberste Führer Ayatollah Khamenei musste in einer Fernsehansprache auf dem Höhepunkt dieser Proteste im Januar 2018 zugeben, dass die Volksmojahedin Iran eine zentrale Rolle bei ihnen spielten. Das Regime hatte seinen alten Erzfeind zuvor kleingeredet und ihn als bedeutungslos hingestellt. Doch nun war jedem im Iran klar, dass der organisierte Widerstand eine ernste Gefahr für das klerikale Regime ist.

Spätestens nach der brutalen Niederschlagung des nächsten Aufstandes, der an vielen Orten überall im Land im November 2019 stattfand, und nach der Ermordung von 1500 Demonstranten sowie den Massenverhaftungen war klar, wohin das Regimes tendierte. Der zuvor proklamierte „moderate Mullah“ Hassan Rohani, der dem Westen die Illusion eines Reformers verkaufen sollte, hatte ausgedient und es war nur eine Frage der Zeit, bis Khamenei seine loyalsten Mitglieder um sich scharen würde.

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Das Regime bereitet sich seit den Novemberprotesten auf die entscheidende Konfrontation mit dem iranischen Volk und seinem organisierten Widerstand vor. Das haben die Parlamentswahlen im Februar 2020 und die Präsidentenwahl im Juni 2021 gezeigt. Für sein Überleben nahm dieses Regime in Kauf, dass es international isoliert würde, dass der Atomdeal ins Wanken geriete und das Volk diese Wahl boykottieren würde. Es interessiert die klerikalen Herrscher in Teheran nicht, dass Raisi 1988 im Todeskomitee von Teheran saß und tausende politische Gefangene in den sicheren Tod schickte. Das Regime kämpft um sein Überleben und leider hatte es durch die Coronaviruspandemie und die zögernde Haltung der Weltgemeinschaft nach dem Aufstand vom November 2019 genug Zeit dafür.

Terror im Ausland und der Überlebenskampf des iranischen Regimes

Das Regime hat in dieser Zeit auch gezeigt, dass es vor Terror im Ausland nicht zurückschreckt und sogar eine kriegerische Auseinandersetzung mit den USA riskiert. Auf die Großveranstaltung des Nationalen Widerstandsrats Iran, die 2018 in Paris stattfand, sollte ein Terroranschlag verübt werden. Die Aktion wurde von einem der Diplomaten-Terroristen des Regimes geleitet, konnte aber vereitelt werden. Das Komplott beweist, dass das Regime für die Beseitigung seiner Opposition internationale Konflikte in Kauf nimmt, denn der Anschlag hätte sicher auch mehrere hochrangige Vertreter der USA, die dort anwesend waren, das Leben gekostet.

Die Politik in Europa muss erkennen, dass die illegitime Wahl Raisis der westlichen Staatengemeinschaft keine andere Option lässt, als dieses Regime zu isolieren und sich an die Seite der demokratischen Opposition zu stellen. Davor muss man keine Angst haben. Die Oppositionsführerin Maryam Rajavi, vertritt seit vielen Jahren einen 10-Punkte-Plan für einen freien Iran nach dem Mullahregime. Er umfasst die Einhaltung der Menschenrechte, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Ende des Baus von Kernwaffen und einen respektvollen Umgang aller Iraner miteinander und mit den Nationen im Ausland.

Wenn wir dabei bleiben, das iranische Regime zu beschwichtigen, wird es sich nicht reformieren und es wird sich auch nicht von Erklärungen des Bundestages stoppen lassen, so gut gemeint und richtig diese auch sein mögen. Die einzige Kraft, die den Alptraum eines Verbrechers gegen die Menschlichkeit an der Spitze einer großartigen Nation beenden kann, ist der iranische Widerstand. Mehrere Tausend Iraner aus dem ganzen Bundesgebiet wollen sich am 10. Juli in Berlin versammeln um Deutschland und die Europäische Union aufzufordern, strafrechtlichen Ermittlungen gegen den neuen Präsidenten des Mullah-Staates Raisi einzuleiten. Die Berliner Großkundgebung ist Teil des Free Iran World Summit 2021. Exil-Iraner fordern die Abschaffung der Todesstrafe und die Freilassung der politischen Gefangenen – und finden breite politische Unterstützung.

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Die Zeit ist gekommen, die Realitäten im Iran zu verstehen und auf eine Zukunft ohne die Mullahs zu setzen. Natürlich wird das Regime diesen Weg ablehnen, aber was ist wichtiger: ein Regime, das uns und unsere Werte hasst, zufriedenzustellen oder an der Seite derer zu stehen, die einen freien und demokratischen Iran in wahren freien Wahlen erstreben? Meiner Ansicht nach ist diese Entscheidung schon lange klar und ich hoffe, dass die Wahl dieses neuen Präsidenten im Iran sie auch denjenigen leichter macht, die zu lange einem falschen Traum der Beschwichtigung des Regimes nachgehangen haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Patzelt

Martin Patzelt ist CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorstandsmitglied im Deutschen Solidaritätskomitee für einen freien Iran (DSFI).

Martin Patzelt

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