König Uli tritt ab

Fußball Eine Ära geht zu Ende, eine andere beginnt: Uli Hoeneß tritt als Manager ab, um als Präsident des FC Bayern wiederzukommen. Was bedeutet das für den Verein?

Uli Hoeneß ist mit allen Wassern gewaschen. Er gründete in den frühen Achtzigern eine heute noch florierende Wurstfabrik, war als Spieler mit 22 Jahren Fußball-Weltmeister, mit 27 jüngster Bundesliga-Manager aller Zeiten und heimste mit seinem Klub, dem FC Bayern, seitdem stolze 16 Meisterschaften ein. Der FC Bayern München ist in dieser Zeit zum reichsten, mächtigsten und wohl immer noch besten Verein Deutschlands geworden. Mit gut 150.000 Mitgliedern und zahlreichen Fan-Clubs hat der FCB mit Abstand die meisten Anhänger im Land, ist selbst in Süd-Ost-Asien als Marke erfolgreich, besitzt Spieler im Wert von geschätzten 250 Millionen Euro und hat den Chefredakteur eines Nachrichtenmagazins, einen Ex-Ministerpräsidenten und den VW-Boss im Aufsichtsrat sitzen. Vor allem ist der Verein aber das Mach- und Lebenswerk eines Mannes: Uli Hoeneß. Sein alter Weggefährte, der jetzige Berater des Bayern-Vorstandes, Paul Breitner, geht gegenüber dem Freitag einen Schritt weiter: "Uli Hoeneß ist nicht nur der FC Bayern, er ist die Bundesliga." Selbstbewusstsein in blau-weiß.

Hoeneß soll am 27. November vom zweiten Vorsitzenden zum Präsidenten aufsteigen, zudem dann das Kontrollgremium führen. In den letzten Wochen seiner Amtszeit als Bayern-Manager (offizielles Ende 31.10) holte Hoeneß noch einmal den großen Besen hervor und machte Tabula rasa. "Wir müssen eine Serie schaffen und können nicht immer die anderen für uns spielen lassen", wetterte er nach einem durchwachsenen Saisonstart der Bayern-Elf unter dem neuen Trainer Louis van Gaal.

Diese kleine Bosheit versinnbildlicht den momentanen, ja eigentlich seit Jahren schon chronischen Gemütszustand der „Roten“. Es ist der fehlende Glaube an sich selber. Nach 30 Jahren Amtszeit droht das System Uli Hoeneß in seinen Grundfesten erschüttert zu werden. Die bajuwarische "Mia-san-mia" -Selbstherrlichkeit, eingebettet in große wirtschaftliche Potenz (Stichwort: Festgeldkonto) und ergänzt um Formen der psychotaktischen Kraftmeierei (Vorstandschef Rummenigges Brandreden gegen das eigene Team, Uli Hoeneß' explosive Zornausbrüche in den Medien), scheint nicht mehr zu funktionieren .

Was kommt nach Hoeneß?

Taktisch lavieren, sich selber und andere ausmanövrieren, die Medien schelten und benutzen, Geld sozial kompatibel in die Breite streuen und dicke Summen (anno 1999/2000 allein 40 Millionen DM) klammheimlich von Medienmogul Leo Kirch einsacken: das war die Methode des Uli Hoeneß, ganz ein Herz-Jesu-Marxist Doch das widersprüchlich-erfolgreiche Hoeneß-Imperium steht vor der Wendemarke. Was kommt nach König Uli, dem unverwechselbaren Gesicht des FC Bayern zwischen 1979 und 2009? Wird seine Mission, Bayern auf Augenhöhe mit sagenumwobenen Klubs wie Real Madrid und Manchester United zu hieven, von anderen weitergetragen, oder droht das Viele-Hundert-Millionen-Euro-Gebilde in seine Einzelteile zerschlagen zu werden? Paul Breitner hierzu lapidar: "Die Ära des Managers Hoeneß geht zu Ende, die des Präsidenten beginnt."

Spiegel der Bayern-Seele sind auch immer die Trainer, zur Zeit ist das Louis van Gaal. "Bei all den Konflikten und Debatten, die die Bayern im Herbst 2009 erschüttern, geht es im Kern auch um eine (…) Frage: Wer weiß besser, wie der Ball rollt", schreibt die Süddeutsche Zeitung. "Der Neue aus den Niederlanden, oder doch die Granden des Vereins, Manager Hoeneß, Vorstandschef Rummenigge und der auf diversen Medienkanälen zugeschaltete Präsident Beckenbauer?"

Rückblende: Vor genau einem Jahr hievten sich die Bayern ebenfalls nach einem stotternden Start peu à peu nach oben. Das medial befeuerte Projekt Klinsmann schien sich am eigenen Schopfe aus dem vermeintlich selbstkreierten Sumpf rauszuziehen. Im vorletzten Spiel vor der Winterpause bezwangen die Münchner Tabellenführer TSG Hoffenheim in einem denkwürdigen Kick und verpassten nur knapp die Herbstmeisterschaft. Jürgen Klinsmann und sein Masterplan der Erneuerung in allen Bereichen schienen doch noch aufzugehen. Letztlich scheiterte der Wahl-Amerikaner aber doch und hatte einen bitteren Abgang.

Van Gaals Verpflichtung war purer Aktionismus

Damals schon war das System Hoeneß kompromittiert. Statt Hoeneß' alten Busenfreund Jupp Heynckes, der dem FCB am Ende einer zehrenden Saison immerhin noch die Vizemeisterschaft sicherte, länger zu installieren, setzte Hoeneß abermals alles auf die Karte Veränderung. Wo die Personalie Klinsmann noch von einem Mut zur Innovation zeugte und der Bayern-Vorstandsriege Respekt einbrachte, war nun purer Aktionismus, der Rückfall in alte Reflexe zu konstatieren. Am Ende stand die Verpflichtung eines bei eher kleineren Vereinen erfolgreichen, jedoch schon mehrmals gescheiterten großspurigen Narzissten aus den Niederlanden.

Dann wäre da noch die Mannschaft, ein mit Stars gespicktes Team, das in einem sonderbaren Selbstfindungsprozess steckt, trotz momentan ansteigenden Formbarometers. Der krude Zustand wird dadurch reflektiert, dass Van Gaal kein System hat, obwohl er als vermeintlicher System-Guru verpflichtet wurde. Ein Team voller grandioser Individualisten, das wie ein Symphonieorchester ohne Streicher wirkt. Die stabilisierende Seele, die den Rhythmus stiftet fehlt.

Über allem schwebt der Geist des Dirigenten Uli Hoeneß. Er grübelt, hadert und zweifelt. Am Trainer, am System oder vielleicht auch an sich?

Lektüre-Tipps:

Das Prinzip Uli Hoeneß Ein Leben für den FC BayernChristoph Bausenwein Verlag die Werkstatt, Göttingen 2009
Die Bayern Die Geschichte des Rekordmeisters [Neuauflage] Christoph Schulze-Marmeling Verlag die Werkstatt, Göttingen 2009

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