FC Bayern Trainer Jürgen Klinsmann mag beim FC Bayern vieles falsch gemacht haben. Das größte Problem aber sind die Macher: Uli Hoeneß und Co. Warum sollte da ein Wenger helfen?
Dann war er weg. Mit wehendem Blondhaar und einem leisen Lächeln um die Mundwinkel. Nein, froh war er nicht, erleichtert vielleicht. Schließlich waren es aufreibende, ereignisreiche, für Abenteurer à la Jürgen Klinsmann spannende zehn Monate gewesen. Schwierig waren sie aber auch. Und das für alle Beteiligten.
Als Uli Hoeneß gestern auf der Pressekonferenz an der altehrwürdigen Säbener Straße die Begründung zur Klinsmann'schen Demission lieferte, schlackerte der geneigte Analytiker mit den Ohren: „Bei aller Liebe, das beste Konzept n
eß gestern auf der Pressekonferenz an der altehrwürdigen Säbener Straße die Begründung zur Klinsmann'schen Demission lieferte, schlackerte der geneigte Analytiker mit den Ohren: „Bei aller Liebe, das beste Konzept nutzt dir nichts, wenn nicht die Ergebnisse kommen.“ Wie bitte? War das nicht genau dieser Ulrich Hoeneß, sagenumwobener Grande des deutschen Fußballs, Manager des großen FC Bayern München, deutscher Rekordtitelträger (16 Meisterschaften alleine in 30 Hoeneß-Jahren), der sich in diesem Moment dermaßen auf die Lippen biss, dass die ganze Republik hätte aufschreien müssen. „Wenn man sich für ein völlig neues Konzept entscheidet, braucht man mehr Geduld“, sagte dagegen der Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt, Heribert Bruchhagen, dem Freitag.Rückblende: Im Januar 2008 wurde Klinsmann, selbst für die hartgesottetsten Sportreporter überraschend, als neuer Bayern-Coach präsentiert. Im drauffolgenden Sommer musste der alte Erfolgstrainer Ottmar Hitzfeld ersetzt werden. Hitzfeld war nur als Interimscoach für den gefeuerten Zuchtmeister Felix Magath vorübergehend eingestellt worden. Das Ende einer Ära deutete sich an. Der Kommunikationsverweigerer Magath war trotz zweier Doublegewinne (Meisterschaft und DFB-Pokal) im modernen Zeitalter der zackig-transparenten Informationsflüsse nicht mehr vermittelbar gewesen. Der alte Fahrensmann Hitzfeld schlicht zu sehr anachronistischen Trainingsmethoden verhaftet, als den Verein in das lang ersehnte neue moderne Zeitalter zu transportieren. Punkt.Jürgen Klinsmann, damals 43, blonder Siegfried-Haarschnitt, ewiges Lächeln. Dennoch, das Charisma eines Unnahbaren. Kein Tribun. Aber, nach seinem tollen Erfolg als Trainer der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2006 (Dritter) im eigenen Lande („Sommermärchen“), allseits respektiert. Selbst von der mächtigen Bild-Zeitung, mit der er fast zwei Jahrzehnte im herben Clinch gelegen war."Er braucht immer etwas Neues..."Nun also der: einstiger Weltklassestürmer (WM-Titel 1990, EM-Gewinn 1996) ohne angeborenes Megatalent, mehrsprachig, ehrgeizig bis in die dünnen Haarspitzen. Modernisierer, Reformator, Internationaler. Wohnhaft an der kalifornischen Sonnenküste, eigene, fast schon laborartige Firma von dort aus operierend, Riesennetzwerk. Sein ehemaliger Nationalelf-Kollege Stefan Kuntz charakterisierte ihn 2006 so: „Er braucht immer etwas Neues.“ Abenteuerlust oder Bindungsangst? Egal, ein mutiger Kerl eben.Die andere Seite: Hoeneß und die Bayern-Granden. Ein geschätztes Dutzend Alphamänner auf einem Haufen. Vorstand: Kalle Rummenigge (Boss), Paule Breitner (Berater) u.a.; Aufsichtsrat: Herbert Hainer (Adidas-Chef), Ede Stoiber (Politrentner), Helmut Markwort (1. Journalist im Hause Burda), etc. pp.Stichwort Modernisierung: Bei der offiziellen Klinsmann-Verkündung verwies Hoeneß auf die in der Wirtschaft üblichen Wechsel „von der Stahlindustrie in die Zuckerbranche“. Auch wenn der Fußball eigene Gesetze und Mechanismen habe. Hoeneß: „Wir haben einen Mann gesucht, der eine eigene Meinung hat, neue Wege geht und mit jungen Spielern umgehen kann. Ich freue mich auf einen Querdenker. Jürgen war unser Wunschkandidat.“...aber der FC Bayern braucht einen Fußball-Lehrer15 Monate später lautet die lapidare Begründung für die populärste Trainerentlassung der jüngeren Bundesligahistorie: „Wir brauchen einen Fußball-Lehrer.“ Zu Beginn der Saison titelte das offizielle Bayern-Magazin noch stolz: „Der Visionär“. Chef Rummenige textete forsch und anmaßend zugleich im Vorwort: „Mit Jürgen Klinsmann und seinem Trainerstab haben wir einen neuen Chefcoach und eine neue Philosophie nicht nur zum FC Bayern, sondern auch in die gesamte Bundesliga gebracht.“Und nun das: ausrangiert, ausgemustert, weggemobbt, weggeschrieben. Würde Klinsmanns Rückreise ins sonnige Kalifornien nicht mit einer Millionensumme versüßt, könnte man auch sagen: vom Hof gejagt und zwar mit Pauken und Trompeten. Kenner Bruchhagen analysiert: „Wir sind alle fremdbestimmt durch Medien, Fans und auch Sponsoren. Das verursacht widersprüchliche Handlungen.“ Hoeneß, auf einmal: „Der FC Bayern kann doch keine zwei, drei, vier Jahre warten.“ Bruchhagen kontert: „Uns fehlt allen die realistische Selbsteinschätzung. Bei den Bayern proklamieren alle vor der Saison den Champions-League-Sieg. Fliegst du dann frühzeitig aus dem Wettbewerb, sind die Probleme da.“Vor allem, was kommt jetzt? Josef „Jupp“ Heynckes, Jahrgang 1945. Vor 17 Jahren (sic!) beim FC Bayern ebenfalls demissioniert. Okay, 1998 mit Real Madrid nochmal die Champions League gewonnen (danach gleich rausgeflogen). Schließlich in der jüngeren Neuzeit (2003-2004) beim chronischen Krisenklub Schalke 04 rausgekickt. Ruf, herrisch-restriktiv zu sein, aber einer der besten Freunde von Uli Hoeneß. Angeblich nur bis Saisonende als Interimscoach. Wer weiß, was wird, wer weiß, wer kommt?Hoeneß hat sich mit seiner honorigen Männerclique in knapp anderthalb Jahren also einmal komplett im Kreis gedreht. Zu guter Letzt dröhnte dann ja auch noch ein Herr namens „Kaiser“ aus dem mehr oder minder ferngesteuerten Grenzbereich zwischen Weißbierreklame, Bild, FCB-Aufsichtsrat (sitzt er da nicht auch, oder ist er nicht sogar deren Boss, ach ja) und „Schaun-mer-amoi“-Geschwafel regelmäßig seine Sottisen. Nicht immer zu Hoeneß' Freude. Doch – mitgehangen, mitgefangen – man pflegt ja gezwungenermaßen seine Seilschaften.Und so scheint es, als käme Uli Hoeneß, prinzipiell eher eine treue Seele, nur aus diesem Dilemma raus, wenn er diese Mechanismen, in deren Zentrum er steht, zersprengt oder aber das Kapitel Modernisierung als größten Irrtum des FC Bayern gesteht.Bruchhagen, in der Szene einer der heftigsten Bayern-Antipoden, als dieser Hoeneß an Intellekt gar überlegen und an Bauernschläue ebenbürtig, gibt seinem alten Widersacher sogar Hoffnung mit auf den Weg: „Weder sind Klinsmann oder Ralf Rangnick moderne, noch Friedhelm Funkel oder Jupp Heynckes unmoderne Trainer. Es geht um das Gespür, die Individuen richtig zusammenzuführen.“Arsène Wenger, seit 1996 Trainer bei Arsenal London, wäre so einer, der Tradition und Moderne sogar vereinen könnte. Seit langem steht er auf der Wunschliste von Hoeneß und Co. Die Frage ist nur: Warum sollte Wenger von einem Weltverein zu einem Krisenklub wechseln?
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