Es läuft schlecht für die SPD und nun ist auch noch ein Unglücksfall hinzugekommen. Nach der dritten Niederlage bei Landtagswahlen sind die Umfragewerte für die Bundestagswahl erheblich abgesackt. Für die Regeneration war der Partei allerdings kaum Zeit vergönnt, eine schwere Erkrankung hat Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidenten Erwin Sellering dazu gezwungen, seine Ämter niederzulegen. Martin Schulz wirkte sichtlich angefasst, als er gestern Vormittag im Willy-Brandt-Haus dazu ein kurzes Statement gab. Er würdigte Sellerings Arbeit und wünschte ihm und seinen Angehörigen viel Kraft. Zur personellen Rochade, die dessen Rückzug auch im Bund auslöst, wollte Schulz sich in diesem Moment aus Pietätsgründen nicht äußern. Dass die Partei in Zeiten des Wahlkampfs sehr schnell handeln musste, stand allerdings außer Frage. Die Entscheidungen wurden denn auch rasend schnell getroffen.
Der richtige Job zur falschen Zeit?
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig wird Sellerings Nachfolgerin in Mecklenburg-Vorpommern, Schwesigs Platz am Kabinettstisch nimmt Generalsekretärin Katarina Barley ein, deren Posten in der Parteizentrale wird Fraktionsvize Hubertus Heil übernehmen.
Schwesigs Wechsel von der Bundes- in die Landespolitik ist in diesem Personalkarussell noch die geringste Überraschung. Ministerpräsidentin in Mecklenburg-Vorpommern wollte sie ohnehin werden. Geplant war, dass sie ihren Förderer Sellering in zwei oder drei Jahren ablöst. In der SPD gilt immer noch, dass nichts besser für höhere Weihen prädestiniert als das Amt des Ministerpräsidenten – und Schwesig wird schon länger als eine der größten Hoffnungsträgerinnen der Partei gehandelt. Dass Angela Merkel seit zwölf Jahren Kanzlerin ist, ohne sich jemals ihre Meriten in der Landespolitik verdienen zu müssen, hat an diesem Glauben anscheinend nicht gerüttelt. Ob das Dasein als Regierungschefin in einem bevölkerungsarmen und strukturschwachen Bundesland lediglich eine weitere Etappe in Schwesigs bisher steil verlaufener Karriere sein wird, ist keineswegs ausgemacht – zumal die nächste Wahl in Mecklenburg-Vorpommern erst 2021 parallel zur Bundestagswahl stattfinden wird, für eine Kanzlerkandidatur von Schwesig sind das schlechte Voraussetzungen. Falls es dennoch der richtige Job für sie sein sollte, kommt er zumindest für ihre Partei zu einem definitiv ungünstigen Zeitpunkt.
Durch den tragischen Umstand von Sellerings Erkrankung verliert die SPD vier Monate vor der Bundestagswahl mit Schwesig eine zentrale Figur für den Wahlkampf. Sie hat mit Thomas Oppermann und Katarina Barley die Kommission geleitet, die das Wahlprogramm der SPD erarbeitet hat, und war in den vergangenen Monaten die Ministerin, die die meisten Wahlkampfauftritte mit Schulz absolvierte. Das liegt auch daran, dass Schwesig für ihre Legislaturperiode als Familienministerin für einen Wahlkampf, der sich um das Thema Gerechtigkeit dreht, wichtige Erfolge wie die Reform des Unterhaltsvorschusses oder den Gesetzentwurf für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern vorweisen kann. Lediglich die von ihr angekündigte Familienarbeitszeit ist in den vergangen vier Jahren nicht über den Status eines Konzepts hinausgekommen, dafür wollte sich die Bundesfamilienministerin allerdings im Wahlkampf noch einmal stark machen.
Personalrochade unter der Regie von Schulz
Dass ein Großteil der Wählerinnen und Wähler der SPD in der Familienpolitik wesentlich mehr zutraut als der Union, hat die Partei vor allem Schwesig zu verdanken. Allerdings war die Herausforderung angesichts ihrer Vorgängerin Kristina Schröder auch nicht sehr groß. Repräsentativ steht Schwesigs Nachfolgerin Katarina Barley zwar ebenfalls für eine moderne Familienpolitik, aber als Expertin auf dem Fachgebiet hat sie sich bisher nicht hervorgetan. Und das kann zum Manko für die SPD werden, denn Themen wie die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen oder die Situation von Alleinerziehenden stehen auf der Agenda für den Gerechtigkeitswahlkampf der Partei ganz weit oben.
Barleys Wechsel ins Familienministerium wirkt wie das klassische Wegloben. In den vergangenen Wochen war angesichts der Niederlagen bei den Landtagswahlen und verpatzter Termine für den Auftakt zum Bundestagswahlkampf Kritik an der Generalsekretärin laut geworden. Ob es von Martin Schulz ein kluger Schachzug ist, vier Monate vor der Bundestagswahl die Wahlkampfmanagerin aus dem Rennen zu nehmen und Hubertus Heil zum kommissarischen Chef der Parteizentrale zu küren, ist dennoch fraglich. Heil hat zwar bereits Erfahrung als Generalsekretär und verfügt bei wirtschaftspolitischen Themen durchaus über Expertise, aber 2009 fuhr er als Wahlkampfmanager mit dem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier mit 23 Prozent das historisch schlechteste Ergebnis der Partei ein. Im Unterschied zur politischen Quereinsteigerin Barley verströmt er nicht ansatzweise den Hauch von Aufbruchstimmung, der die Partei nach der Nominierung von Schulz vor ein paar Wochen noch beflügelte.
Der stets bürokratisch wirkende Heil erinnert stattdessen an die Zeiten der Schröder-Ära. Dass er sich mit dem gleichen Verve wie Barley um den Dialog zwischen Rot-Rot-Grün bemühen wird, kann man getrost ausschließen. Die Aufbruchstimmung der SPD begann vor ein paar Monaten zwar auch mit einer Personalrochade, das heißt aber nicht, dass das neuerliche Stühlerücken ebenfalls einen Neuanfang bewirkt. Mit der Truppe, die nun rund um Schulz den Wahlkampf bestreiten wird, assoziiert man dann doch zu sehr einen altvertrautem Herrenclub.
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