Das Ländle ist nicht das Land

Parteitag Zwar wird es für die Realos langsam ungemütlich – wer aber von den Grünen echtes Rebellentum erwartet, dürfte enttäuscht werden
Ausgabe 46/2016

Sie werden im Bundestagswahlkampf für die Vermögensteuer kämpfen. Das ist die Botschaft des Grünen-Parteitags vom Wochenende. Im Vorfeld hatten sich die Realos vehement gegen eine Wiederbelebung der Vermögenssteuer gewehrt. Nun einigte man sich auf eine Vermögensteuer für „Superreiche“, wer dazu zählt, blieb offen. Die wohlhabende Klientel der Grünen muss sich keine Sorgen machen. Das Votum des Parteitags hat wenig mit Umverteilung im großen Stil zu tun, dennoch dürfte es die Wirtschaftsverbände ärgern und CSU und FDP in ihrem Kampf gegen das vermeintliche Schreckgespenst des Linksrucks beflügeln.

Über die realen Erfolge des Rechtspopulismus und die daraus resultierende Gefahr wurde in Münster vergleichsweise wenig gesprochen. Gewohnt eigenwillig verband dann Winfried Kretschmann das Thema mit seinem Plädoyer gegen die Vermögensteuer. Staatsmännisch wies er darauf hin, als Ministerpräsident trage er Verantwortung für schwäbische Familienunternehmen. Im Anschluss empfahl er den Verzicht auf die Vermögensteuer als wirksame Waffe gegen die AfD. „Wir dürfen es mit der Political Correctness nicht übertreiben“, riet er seiner Partei. Anscheinend möchte Kretschmann nicht begreifen, dass es sich bei Political Correctness nicht um eine sprachliche Petitesse handelt, sondern um eine politische Haltung, die den Wert genau jener offenen, pluralistischen Gesellschaft verteidigt, die von Rechtspopulisten attackiert wird. „Wir bleiben unbequem“ war das Motto des Parteitags. Wer echtes Rebellentum erwartete, wurde enttäuscht. Bei der Abschaffung des Ehegattensplittings verständigte man sich auf eine Variante, bei der bereits verheiratete Paare weiter von der Subvention profitieren.

Ungemütlich wurde es jedoch für die Realos aus dem Südwesten. Wegen ihres Erfolgs in Baden-Württemberg und dem schlechten Ergebnis der Grünen bei der Bundestagswahl dominierten sie lange den Kurs. Nach diesem Parteitag wird weniger heftig in Richtung Schwarz-Grün geblinkt werden. Ein Coup gelang dem nordrhein-westfälischen Landesverband, er setzte die Forderung nach einer Abschaffung der Sanktionen für Hartz-IV-Bezieher durch. Überrumpelt wurden davon nicht nur die Realos, sondern auch die Linken im Vorstand.

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