Die Machtprobe

Migrationspolitik Horst Seehofer will die Grenzen dicht machen, Angela Merkel lehnt das ab. Doch ihr Rückhalt schwindet selbst in den eigenen Reihen
Die CSU treibt die Kanzlerin vor sich her
Die CSU treibt die Kanzlerin vor sich her

Foto: Jochen Zick – Pool/Getty Images

Die Wucht, mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel aus den Reihen der CDU-Schwesterpartei CSU gerade attackiert wird, ist gewaltig. Man fragt sich, ob Bundesinnenminister Horst Seehofer und CSU-Landegruppenchef Alexander Dobrindt gerade den Koalitionsbruch provozieren wollen. Beim Thema Asyl hat sich ihre Partei schon immer als Hardliner präsentiert. Wer uns wählt, stimmt für Abschiebung: nach diesem Motto agiert die CSU nicht nur im aktuellen bayerischen Landtagswahlkampf, sondern inzwischen auch im Bund.

Seit drei Tagen reiht sich Affront an Affront und der richtet sich stets gegen die Regierungschefin und ihre Asylpolitik. Heute findet der Integrationsgipfel im Kanzleramt statt – ohne Horst Seehofer. Es ist das erste Mal, dass ein Bundesinnenminister nicht teilnimmt. Integration? Dafür ist sein Ministerium zwar zuständig, aber mit dem Fernbleiben demonstriert Seehofer eindrucksvoll, wo seine Prioritäten liegen. Die Präsentation des „Masterplan Migration“, den Seehofer erstellt hat, fiel gestern ebenfalls aus.

Die CSU will Geflüchtete an der Grenze zurückweisen. Asylsuchende, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind, sollen nicht mehr einreisen. Im Koalitionsvertrag findet sich nichts zu diesem Plan, die Kanzlerin lehnt ihn ab. Sie plädiert für ein europäisches Konzept und nicht für einen nationalen Alleingang, der einen Domino-Effekt in den Nachbarländern auslösen könnte. Die CSU setzt auf Kompromisslosigkeit, man werde auch diesen Punkt des Masterplans durchsetzen, tönte Dobrindt siegessicher.

Leider könnte er Recht behalten, bei der gestrigen Fraktionsklausur der Union konnte man sehen, wie viel schlechter es um den Rückhalt für die Kanzlerin auch in der eigenen Partei bestellt ist, als es noch vor der Bundestagswahl der Fall war. Inzwischen kommen aus der Unionsfraktion Forderungen nach einer internen Kampfabstimmung und zwar von denen, die Seehofers Kurs stützen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder versucht derweil die Länderchefs, die sich morgen mit der Kanzlerin treffen, beim Thema Zurückweisung an der Grenze auf die CSU-Position einzustimmen.

Passend dazu traf sich Seehofer, ausgerechnet während der Integrationsgipfel stattfand, mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, der gerade auf Staatsbesuch im Land ist. Im Anschluss verkündete Kurz, man wolle im Hinblick auf eine europäische Lösung eine „Achse der Willigen“ schmieden, bei der Österreich mit Seehofer einen „starken Partner“ habe. Seehofer formulierte die nächste Kampfansage an Merkel, als er mitteilte, er habe den Wunsch von Italiens Innenminister Matteo Salvini angenommen, dass Rom, Berlin und Wien auf der Ebene der Innenminister beim Thema Sicherheit und Migration zusammenarbeiten sollen.

Salvini kommt von der rechtsextremen Lega, Österreichs Innenminister Herbert Kickl von der rechten FPÖ. Da schmiedet sich eine Front gegen die Kanzlerin und ihr Innenminister mischt tatkräftig mit. Will da gerade jemand seinen Job riskieren oder setzt er darauf, dass Merkel ihren Posten räumt, politisch oder möglicherweise auch im Wortsinn?

Und was macht die SPD, die ebenfalls Teil der Regierung ist? Die kümmert sich gerade vor allem darum, ihr Wahldebakel vom letzten Herbst aufzuarbeiten, am Montag kündigte sie an, einen eigenen Masterplan zum Thema Migration zu erarbeiten. Man fragt sich, warum sie den nicht schon längst parat hat. Dass Seehofer und Dobrindt schon bei den Koalitionsverhandlungen die Deutungshoheit über die Asylpolitik für sich beansprucht haben, dürfte den SPD-Vertretern schließlich kaum entgangen sein. Klar ist aber auch: Leidtragende dieser Politik sind nicht die Politiker, sondern die Geflüchteten.

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