Ein Flügel macht kein Duett

Grüne Die Partei schickt mit Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir zwei Realos in den Wahlkampf, die als Wegbereiter für Schwarz-Grün im Bund gehandelt werden
Mit politischen Differenzen muss man bei den beiden nicht rechnen
Mit politischen Differenzen muss man bei den beiden nicht rechnen

Bild: Steffi Loos/Getty Images

Manchmal ist die grüne Basis für eine Überraschung gut. Dieses Mal entschieden sich die Parteimitglieder für das Erwartbare. Cem Özdemir wird mit Katrin Göring-Eckardt den Bundestagswahlkampf bestreiten. Göring-Eckardt galt als einzige Bewerberin für den Job wegen der Quotierung ohnehin als gesetzt. Den Parteivorsitzenden Özdemir hielt man bei den männlichen Kandidaten landläufig für den aussichtsreichsten Anwärter – er ist bekannter als Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck und medial präsenter als Fraktionschef Anton Hofreiter. Überraschend war nur, dass Özdemir bei der Urwahl ein denkbar knappes Ergebnis einfuhr, ganze 75 Stimmen trennten ihn von seinem Konkurrenten Habeck, ein klarer Sieg sieht anders aus: Özdemir erzielte 12 204 Stimmen, Habeck 12 129. Dass Hofreiter, der einzige Kandidat der Linken im Rennen, mit 8 686 Stimmen weit abgeschlagen auf dem letzten Platz landete, zeigt, dass es um diesen Flügel der Partei zurzeit nicht allzu gut bestellt ist. Vor vier Jahren hatte sich Özdemir erst gar nicht getraut, bei der Urwahl gegen Jürgen Trittin anzutreten, nun will er den Wahlkampf mit baden-württembergischen Esprit beflügeln. Im Ländle regiert der Oberrealo Winfried Kretschmann in trauter Eintracht mit seinem Juniorpartner CDU.

Schon bevor am Mittwochmorgen das Ergebnis der Urwahl bekanntgegeben wurde, sagte Trittin: „Wir werden ein geschlossenes Duo haben.“ Mit politischen Differenzen muss man bei den beiden Realos tatsächlich nicht rechnen. Trittin mahnte, dass neue Spitzenduo müsse darauf achten, alle Teile der Partei mitzunehmen. Seine Sorgen sind berechtigt, seit Monaten wirbt Trittin eifrig für das Projekt Rot-Rot-Grün, die Entscheidung für Göring-Eckardt und Özdemir ist hingegen ein Signal in Richtung Schwarz-Grün. Die Grünen wollen zwar ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf ziehen, aber Özdemir kann man sich nur schwer in einem Regierungsbündnis mit Sahra Wagenknecht vorstellen. Vor zwei Jahren setzte er sich dafür ein, die Kurden im Nordirak mit deutschen Waffen zu unterstützen, der „Islamische Staat“ lasse sich nicht mit der „Yogamatte unterm Arm besiegen“. So kann man natürlich auch mit einem Außenministerposten unter Schwarz-Grün kokettieren. Göring-Eckardt, einst glühende Verfechterin der Agenda 2010, dürfte bei der Linkspartei auf ähnlich wenig Gegenliebe stoßen.

Bei der Festlegung der Wahlkampfthemen konnte der linke Flügel auf dem Parteitag der Grünen im November zwar noch einige Erfolge verbuchen, aber dass Göring-Eckardt lautstark für die Abschaffung der Hartz-IV-Sanktionen einsetzen wird, ist kaum vorstellbar. Ebensowenig wird der wirtschaftsnahe Özdemir offensiv für eine Vermögenssteuer werben. Bei der Pressekonferenz nach der Urwahl rückte Göring-Eckardt denn auch den kleinsten gemeinsamen Nenner der Partei – die Ökologie – ins Zentrum: „Wir wollen die Natur erhalten und das Klima schützen, das wird der Kern des grünen Wahlkampfes sein." Pflichtschuldig fügte sie hinzu, dabei gehe es natürlich auch um ein gutes gesellschaftliches Klima. Sehr viel vager kann man das kaum formulieren – Kämpfer für soziale Gerechtigkeit klingen anders. Göring-Eckardt und Özdemir wollen nach der Bundestagswahl um jeden Preis mitregieren, das haben sie unmissverständlich klargestellt. Aktuellen Umfragen zufolge reicht es gerade zwar weder für Rot-Rot-Grün, noch für Schwarz-Grün, aber die CDU befindet sich im Unterschied zur SPD im Aufwind. Und die Grünen? Die liegen bei schwachen neun Prozent und setzen nun auf eine urbane, gut verdienende, bürgerliche Klientel, die von Schwarz-Grün träumt.

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