Knapp sechs Wochen dauert es noch bis zur Europawahl, bei der man davon ausgehen kann, dass rechte und rechtsextreme Parteien zulegen werden. Mehr als 20 Prozent der Sitze im EU-Parlament stellen sie bereits jetzt. Am Sonntag wurde die Rechtsaußenpartei „Die Finnen“ zweitstärkste Kraft bei der finnischen Parlamentswahl, sie lag nur hauchdünn hinter den Sozialdemokraten. Dass ihr Vorsitzender Jussi Halla-aho wegen Volksverhetzung vorbestraft ist, und die Partei seit einer Spaltung immer weiter ins Rechtsextreme abdriftet, hatte auf ihre Wähler anscheinend keine abschreckende Wirkung. Der europäische Trend weist nach rechts, das zeigte zuletzt auch die Regionalwahl in den Niederlanden, bei denen eine rechtspopulistische Partei triumphierte, in Spanien kann die rechtsextreme Vox bei der am 28. April anstehenden Parlamentswahl mit einem zweistelligen Ergebnis rechnen.
Ein paar Tage vor der Wahl in Finnland saß Olli Kotro, Europa-Politiker von der Partei „Die Finnen“ auf einem Podium in einem Hotel in Mailand, um zusammen mit Matteo Salvini von Italiens rechtsextremer Lega, dem AfD-Chef Jörg Meuthen und dem Dänen Anders Vistisen die Gründung einer neuen Fraktion namens „Europäische Allianz der Völker und Nationen“ zu verkünden. Italiens Vizepremier Salvini trommelt schon seit Monaten für dieses Projekt. Der Lega-Chef will im Europäischen Parlament einen Rechtsblock errichten, dafür sollen sich Europas Rechtsaußenparteien in einer gemeinsamen Fraktion zusammenschließen, zur Zeit verteilen sie sich auf drei Fraktionen. Bislang propagierten rechtsextreme Parteien den Austritt aus der EU, Salvinis erklärtes Ziel ist es hingegen, das Europarlament zu kontrollieren, von Marine Le Pen sind inzwischen ähnliche Töne zu vernehmen, vom „Frexit“ ist im Europa-Wahlkampf des Rassemblement National (früher Front National) keine Rede mehr.
Im Vergleich zum Schaulaufen, dass Europas Rechte aufführte, als sie 2017 in Koblenz die Losung vom „Jahr der Patrioten“ ausgab, fiel der Andrang auf der Mailänder Bühne allerdings überschaubar aus. Einen Tag nach der Veranstaltung teilte Meuthen der FAZ mit, für den Zusammenschluss der Rechtspopulisten müsse ein neuer Arbeitstitel gefunden werde, es bestehe eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Organisation, dem „European Anti-Poverty-Network“, das sich ebenfalls mit EAPN abkürzt. Auftakt verstolpert, könnte man meinen, für Gelassenheit gibt es aber keinen einen Grund.
Eine „nationale Internationale“?
Um im Europaparlament den Fraktionsstatus zu bekommen, braucht man 25 Abgeordnete aus mindestens sieben Mitgliedstaaten. Sammeln sich die rechtspopulistischen, rechtskonservativen und rechtsextremen Kräfte im EU-Parlament in einer gemeinsamen Fraktion, würde das für sie nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Macht bedeuteten, beispielsweise, wenn es um die Besetzung der EU-Kommission geht. Das rechte Spektrum repräsentieren derzeit die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der unter anderem Großbritanniens Tories und die polnische PiS angehören, dann gibt es die Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD), die von UKIP dominiert wird und in der die Fünf-Sterne-Bewegung mitmischt. Kommt der Brexit, stehen im rechten Lager also ohnehin tektonische Verschiebungen an. Salvinis Lega gehört zur 2015 ins Leben gerufenen Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF), bei der Österreichs FPÖ und der französische Rassemblement National federführend mitwirken. Die FPÖ hat kurz nach der Veranstaltung in Mailand mitgeteilt, dass sie bei der von Salvini geplanten Allianz an Bord ist, gleiches wird über die estnische Partei Ekre berichtet. Angesichts der Stimmenzuwächse, mit denen die Lega und die FPÖ im Vergleich zur Europawahl von 2014 rechnen können, dürften die formalen Kriterien zur Gründung einer Fraktion keine allzu große Hürde sein. Ob daraus tatsächlich ein Rechtsblock wird, ist die andere Frage. Beim Auftaktreffen in Mailand fehlte nicht nur der der Rassemblement National, sondern auch die führenden rechten Vertreter der Visegrád-Staaten. Vor allem Ungarns Fidesz und Polens PiS wurden von Salvini in den vergangenen Monaten heftig umgarnt. Gegen beide Länder läuft in der EU gerade ein Artikel-7-Verfahren, wegen Verstößen gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit.
„Er ist mein Held und mein Weggefährte“, schwärmte Ungarns Ministerpräsident Victor Orbán über Lega-Chef Salvini, bevor er ihm im vorigen August einen Besuch in Mailand abstattete. Die Fidesz-Mitgliedschaft in der Fraktion der europäischen Christdemokraten EVP ruht derzeit, bisher hat Orbán Politiker der CSU gerne als „Waffenbrüder“ bezeichnet. Angesichts der drohenden EU-Sanktionen dürfte es für Orbán schon allein machtstrategisch interessant sein, mit einem Eintritt in eine neue rechte Allianz zu drohen. Deutliche Signale, dass die Fidesz und die PiS planen, in die von Salvini geplante Fraktion einzusteigen, sind bisher allerdings nicht zu vernehmen. Die gab es auch noch nicht vom Rassemblement National, aber der arbeitet schon lange mit der Lega und der FPÖ im Europaparlament zusammen und Marine Le Pen spricht bereits von einer Fusion der Fraktionen, auf die sich Europas Rechte bisher aufsplittet.
Eine „nationale Internationale“? Das ist schon ein Widerspruch in sich. Politologen bezweifeln denn auch, dass es zum Zusammenschluss kommt. Die inhaltlichen Differenzen seien zu groß, Italiens Schuldenpolitik und die nationalliberalen Positionen der AfD und anderer nordeuropäischer Rechtsaußenparteien seien nur schwer miteinander zu verbinden, beim Thema Migration müsste es zum Konflikt kommen, wie Geflüchtete auf die europäischen Mitgliedstaaten verteilt werden. Auf die „Festung Europa“ können sich allerdings alle rechten Parteien einigen. Und man kann nicht behaupten, dass bei ihren Wahlkämpfen die Wirtschaftspolitik eine zentrale Rolle spielte. Der große gemeinsame Nenner wird aus dem Themenreservoire des Kulturkampfs geschöpft, egal ob in Ungarn, Deutschland, Finnland oder Frankreich: agitiert wird gegen Diversität, den Feminismus, die Rechte von Minderheiten, gegen Migranten, Muslime, Homosexuelle, gegen die 68er, gegen die progressive Seite des Liberalismus. Und das kann durchaus als Basis für eine Fraktionsgründung reichen. Die AfD macht es schon lange mit ihren drei Flügeln vor: völkisch, nationalliberal und nationalkonservativ. Im Bundestag tritt sie als geschlossene Formation auf.
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