Flexibilität für beide Seiten

Chancengleichheit Teilzeitarbeit gilt als Karrierekiller und als Frauenproblem. Mit einem neuen Gesetzesentwurf aus dem Arbeitsministerium könnte sich das ändern
Ausgabe 02/2017
Raus aus der Teilzeitfalle
Raus aus der Teilzeitfalle

Foto: Ipon/Imago

Einmal Teilzeit, immer Teilzeit – so lautet bislang die Regel für die meisten Beschäftigten. Sie sitzen in der Teilzeitfalle. Wer seine Arbeitszeit reduziert, hat kaum eine Chance auf eine Rückkehr in einen vollen Job. Teilzeitarbeit gilt als Karrierekiller und als Frauenproblem. Fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen arbeitet weniger als fünf Tage die Woche.

Falls der Gesetzentwurf, den die Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nun vorgelegt hat, durchkommt, könnte sich daran endlich etwas ändern. Denn in dem Entwurf ist ein Rechtsanspruch auf befristete Teilzeitarbeit vorgesehen. Es handelt sich dabei um einen Trick. Denn damit soll vor allem sichergestellt werden, dass Beschäftigte, die zeitlich begrenzt ihre Arbeitszeit reduzieren möchten, nach der Teilzeit wieder auf ihre Vollzeitstelle zurückkehren können.

Emanzipatorische Beweggründe dürften bei den Plänen von Nahles allerdings keine tragende Rolle gespielt haben. Sie passen gut in eine Zeit, in der Unternehmer über den Fachkräftemangel klagen und sich die Politiker sämtlicher Parteien den Kampf gegen die Altersarmut auf die Fahnen geschrieben haben.

Die Begeisterung, mit der Arbeitgeber auf den Vorstoß der Ministerin reagieren, hält sich dennoch in Grenzen. Seit Jahren beten sie ihr Mantra, dass wirtschaftlicher Erfolg nur mit flexiblen Arbeitskräften zu gewährleisten sei. Sobald ihnen selbst jedoch mehr Flexibilität abverlangt wird, funktionieren die Abwehrreflexe einwandfrei. Der Gesetzentwurf enthält den Passus, dass Arbeitnehmer während der Teilzeitphase auch eine vorzeitige Rückkehr auf die Vollzeitstelle verlangen können. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall spricht empört von „Etikettenschwindel“ und klagt, dass jegliche Personalplanung damit unmöglich werde. Gegen eine Arbeitszeitverlängerung haben die Wirtschaftsbosse zwar im Prinzip nichts einzuwenden, aber die Bedingungen möchten sie ganz allein diktieren, ohne Vorgaben aus der Politik. Seit der Agenda 2010 haben sie sich daran gewöhnt, dass sich die Arbeitspolitik ausschließlich an ihren Wünschen orientiert. Entgegenkommen und Kompromissbereitschaft gelten in der Arbeitswelt als Qualitäten, die ausschließlich von Arbeitnehmern erwartet werden. Unternehmen erwähnen auf Jobportalen zwar gerne die Work-Life-Balance, um jüngere Bewerber zu ködern. Hinter dieser Floskel verbirgt sich aber oft bloß die verlockende Möglichkeit, nach dem Acht-Stunden-Tag im Büro noch eine Extraschicht im Home Office bestreiten zu dürfen.

Von einer Zeitsouveränität der Arbeitnehmer ist man hierzulande weit entfernt. Vage Zusagen von Unternehmen ändern daran wenig, entsprechende Gesetze hingegen schon. Zurzeit erwartet man vom Recht zur Rückkehr auf eine Vollzeitstelle, dass es vor allem Eltern nutzen werden. An der klassischen Rollenverteilung hat sich seit der Einführung der Elternzeit durchaus etwas geändert, aber es sind vor allem Frauen, die langfristig ihre Arbeitszeit reduzieren. Väter riskieren ihre berufliche Laufbahn weitaus seltener. Dass Gesetze gesellschaftliche Veränderungsprozesse befördern können, hat die Elternzeit bewiesen. Angesichts der Belastungen, mit denen die heutige Arbeitswelt aufwartet, dürften nicht nur Eltern von verlängerten Wochenenden und mehr Freizeit träumen, sondern auch alle anderen Arbeitnehmer. Profitieren könnte vom Recht zur Rückkehr auf Vollzeit jeder – theoretisch. Teilzeit bedeutet nicht nur mehr Freizeit, sondern auch weniger Geld. Geringverdienern wird mit diesem Gesetz sicher nicht geholfen.

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