Ihre Favoritin

CDU-Vorsitz Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich durchgesetzt. Wer sich die Beschleunigung des Abschieds auf Raten von Angela Merkel gewünscht hat, wird sich gedulden müssen
Alles läuft nach Plan: Annegret Kramp-Karrenbauer folgt auf Angela Merkel
Alles läuft nach Plan: Annegret Kramp-Karrenbauer folgt auf Angela Merkel

Foto: Thomas Lohnes/Getty Images

Um ihn herum mild selig lächelnde Gesichter, nur Wolfgang Schäuble richtete seinen Blick während der Abschiedsrede von Angela Merkel stur in Richtung Tischkante. Vielleicht hat der Bundestagspräsident da schon geahnt, dass die schneidig kühle Angriffslust seines Wunschkandidaten Friedrich Merz nicht ganz zur Stimmung auf diesem Parteitag passen würde. In den DAX-Konzernen der Republik und bei der Bild-Zeitung werden heute Abend nicht die Sektkorken knallen, der Mann des Kapitals hat verloren. Annegret Kramp-Karrenbauer ist die neue Vorsitzende der CDU, die Favoritin der Kanzlerin hat sich durchgesetzt, eine Frau beerbt eine Frau. Trotz der gegenwärtig grassierenden Sehnsucht nach Retrotopia kann man die Modernisierung der CDU, die die Partei in den 18 Jahren unter Angela Merkel durchlaufen hat, nicht mehr zurückdrehen. Diejenigen, die sich nichts sehnlicher als eine Beschleunigung des Abschieds auf Raten von Merkel gewünscht haben, werden sich wohl noch etwas gedulden müssen.

Dass die Nachfolge nicht in einem einzigen Wahlgang geklärt werden würde, konnte man sich angesichts von drei Bewerbern schon vorher ausrechnen. In der ersten Runde erreichte Kramp-Karrenbauer 450 Stimmen, auf Merz entfielen 392, für Jens Spahn votierten 157 Delegierte. In der Stichwahl setzte sich die Generalsekretärin dann mit 517 zu 482 der 999 gültigen abgegebenen Stimmen gegen den Wirtschaftsanwalt Merz durch. Auf den Regionalkonferenzen, die vor dem Parteitag stattfanden, fiel vor allem das Bemühen der drei Kandidaten auf, keine allzu großen Differenzen zur Schau zu stellen.

Keine Lautsprecherin

In Hamburg hielt Kramp-Karrenbauer hingegen eine ausgesprochen kämpferische Rede, in der sie ihre langjährige Erfahrung als Landesministerin und Ministerpräsidentin des Saarlands deutlich ausspielte. Ein weiterer Seitenhieb auf ihre beiden Gegner, die sich gern als Lautsprecher betätigen, war der Hinweis, dass sie gelernt habe, Führung beruhe auf innerer Stärke und eben nicht auf Lautstärke. „Mut“ war das Motto ihrer Rede und damit salbte sie die – angesichts von miserablen Umfragewerten und den zweistelligen Verlusten bei den letzten Landtagswahlen – arg gebeutelten Seelen der CDU-Delegierten mit Hoffnung. Kramp-Karrenbauer präsentierte sich vor allem als Wertkonservative, als Vertreterin der katholischen Soziallehre profilierte sie sich in ihrer Rede hingegen nur diskret. Mit ihrem Plädoyer für das „C“ als Leitstern der CDU setzte sie auf den identitätsstiftenden und kleinsten gemeinsamen Nenner der Partei, dem sich selbst der wirtschaftsliberale Flügel schon aus Traditionsgründen nicht verweigern kann.

Die Anhänger der marktkonformen Demokratie dürfte Merz mit seiner verklausulierten Absage an das, was sie gerne als „Nanny-Staat“ bezeichnen und seiner „Agenda für die Fleißigen“ entzückt haben, aber mit seiner Kampfansage an die politischen Mitbewerber SPD, Grüne und FDP dürfte er viele Delegierte dann doch verschreckt haben. Schließlich handelt es sich bei einem nicht unerheblichen Teil der Parteitagsteilnehmer um Amts- und Mandatsträger, für die Neuwahlen ein Karriererisiko darstellen. Und auch seine Forderung nach mehr innerparteilichem Streit passte nicht ganz zu einer Partei, die bisher nicht durch ein Übermaß an Debattierfreude aufgefallen ist. Die Regionalkonferenzen waren Neuland für die Christdemokraten, Streitkultur ist eher eine Kernkompetenz, die links von der CDU anzutreffen ist. „Zusammenhalten und zusammenführen“, für dieses Parteitagsmotto erhielt Merkel in Hamburg tosenden Beifall.

Auf nichts reagiert die CDU so ungehalten wie auf Misserfolge

Wie gut das in Zukunft funktionieren wird und auf wie viel Widerhall die Forderung nach Geschlossenheit stößt, ist noch nicht ausgemacht, dafür war das Ergebnis zu knapp. Die Enttäuschung war den Anhängern von Merz ins Gesicht geschrieben. Bei den Regionalkonferenzen erhielt der Ex-Fraktionschef von der Basis regelmäßig großen Applaus. Von der neuen Parteichefin wird man erwarten, dass sie die Enttäuschten und Frustrierten einsammelt. Die Nachfolger der Parteivorsitzenden Helmut Kohl und Konrad Adenauer haben sich nicht lange gehalten, danach folgte eine Übergangsphase. Angela Merkel ist die dritte in dieser Riege der „ewigen Kanzler und Vorsitzenden“. Für Annegret Kramp-Karrenbauer wird die AfD die Herausforderung sein, schon im kommenden Jahr warten auf sie eine Europa-Wahl und drei Landtagswahlen im Osten, bei denen der CDU schwere Verluste drohen. Auf nichts reagiert die CDU so ungehalten wie auf Misserfolge. Ihre Vorgängerin Angela Merkel hat das in den letzten Monaten bereits deutlich zu spüren bekommen.

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