Kampfkunst

Agitprop Max Gebhard schuf eines der bekanntesten Logos der Welt. Heute ist er beinahe vergessen
Ausgabe 10/2019

Der Stahlrohrstuhl gilt als die Ikone des Bauhauses, aber das Werk eines Bauhäuslers, das am weitesten verbreitet ist, sind eigentlich zwei Fahnen im Kreis. 1932 hat Max Gebhard das Signet der Antifaschistischen Aktion entworfen. Inzwischen ist dieses politische Zeichen fast so bekannt wie das Peace-Symbol. Es hat sich im Bildgedächtnis verankert, man begegnet ihm in zahlreichen Varianten auf der ganzen Welt, an Straßenlaternen, auf Bannern bei Demonstrationen, als Sticker an Rucksäcken, als Aufdruck auf T-Shirts oder Kaffeetassen.

Als die Stiftung Bauhaus Dessau im Herbst dem Konzert der linken Band Feine Sahne Fischfilet eine Absage erteilte, weil Rechte im Internet gegen den Auftritt mobilmachten, meldeten sich die „Besorgten Bauhäusler*innen“. Eine Gruppe von Professorinnen, Handwerkern, Künstlerinnen, Gestaltern und Studierenden, die ihre Ausbildung allesamt an Institutionen gemacht haben, die in der Tradition des Bauhauses stehen und sich irritiert fragten, wie es eigentlich um das Geschichtsbewusstsein der Stiftung bestellt ist. Sie bedruckten Hunderte T-Shirts mit Gebhards Logo der Antifaschistischen Aktion, die Hälfte trug die Unterschrift „100 Jahre Bauhaus“, die andere „100 Jahre Brauhaus“. Die Shirts wurden an Angehörige des Kulturbetriebs verschickt und an die Besucher des Konzerts von Feine Sahne Fischfilet verteilt, das dann doch noch in Dessau stattfand, aber an einem anderen Ort. „Wer vom Bauhaus redet, ohne an die Shoa zu denken, soll bitte die Klappe halten“, schrieben die Besorgten Bauhäusler*innen in einem Statement zu ihrer künstlerischen Intervention.

Sebastian Helm ist einer von ihnen, 2005 hat er in Weimar zusammen mit Max Sauerbier, der lange Art Director des Freitag war, das Büro Schroeter und Berger gegründet. Das Büro, das sich in diversen Arbeiten mit der Aktualisierung des Bauhauses beschäftigt, ist inzwischen in Berlin.Helm ist aber weiterhin oft in Weimar, er lehrt an der Bauhaus-Universität. „Ein Bauhaus am Buchenwald“ heißt das Seminar, das er in diesem Wintersemester gibt. Im Mittelpunkt steht der Bauhäusler Franz Ehrlich, der von den Nazis nach Buchenwald deportiert wurde. 17 Bauhäuslerinnen und Bauhäusler wurden in Konzentrationslagern ermordet, mindestens 60 von NS-Richtern verurteilt. „In fast jeder Urteilsbegründung wird die Ausbildung am Bauhaus explizit genannt“, erzählt Helm. Er wird mit seinem Kurs bei den Feierlichkeiten der Universität zum Bauhaus-Jubiläum dieses Jahr mit einer Lichtinstallation an die Ermordung von Bauhäuslern erinnern. Über den Gestalter Max Gebhard hörte man bei Schroeter und Berger zum ersten Mal vor mehr als zehn Jahren. Damals beteiligte sich das Büro am 90-jährigen Bauhaus-Jubiläum. Zur Vorbereitung machten sie Videointerviews mit zwei Urenkeln von Bauhäuslern, die Gebhard erwähnten.

Wechselnd wehende Fahnen

In den Bauhaus-Publikationen findet sich sein Name kaum, obwohl Gebhard für Bauhaus-Größen wie László Moholy-Nagy arbeitete. Gebhard signierte seine Arbeiten zwischen 1927 und 1945 nur selten, manchmal nutzte er Pseudonyme, was unter Bauhäuslern nicht ungewöhnlich war. „Vielleicht hat ihn das auch vor der Verfolgung durch die Nazis geschützt“, sagt Helm. Er und Sauerbier haben die Tochter von Gebhard besucht, um mehr zu erfahren. Dieser kam 1926 als 20-Jähriger ans Bauhaus, um Reklame und Werbung zu studieren. Weil das Geld für das Studium fehlte, kümmerte sich Walter Gropius persönlich um ein Stipendium. Gebhard wurde Mitglied der Roten Zelle des Bauhauses, 1927 trat er in die KPD ein und nahm in Dessau an Demonstrationen gegen die Nazis teil.

Als er nach Berlin zog, wurden aus den Demos Straßenschlachten mit der SA. Gebhards gestalterische Arbeit wurde stark von John Heartfield geprägt, der als Erfinder der politischen Fotomontage gilt. Gebhard begann im Karl-Liebknecht-Haus für die Agitprop-Abteilung der KPD zu arbeiten, unter der Leitung von Max Keilson. Dort entstand auch das berühmte Signet, unter größtem Zeitdruck. Am 24. Mai 1932 griffen NSDAP-Mitglieder im Preußischen Landtag kommunistische Abgeordnete an, am Tag darauf verkündete die KPD die „Antifaschistische Aktion“, um mit „breitester Einheitsfront den Mordterror des Hitlerfaschismus zu brechen“. Die beiden wehenden roten Fahnen des historischen Logos stehen für SPD und KPD, der Kreis symbolisiert einen Rettungsring. Es wurden Handzettel verteilt, Plakate gedruckt, es gab Anstecker mit dem Logo; sie zu tragen, war zu dieser Zeit schon lebensgefährlich. Die Einheitsfront zwischen den zerstrittenen Parteien kam nicht zustande, ein Erfolg war die Kampagne nicht. Als die NSDAP die Macht übernahm, ging Gebhard in die Illegalität. Nach 1945 arbeitete er als Bildredakteur beim Vorwärts, dann beim Nachfolgeorgan Neues Deutschland. Später wurde er Grafiker beim Aufbau-Verlag.

Die Geschichte des Logos der Antifaschistischen Aktion ging Anfang der 70er Jahre in Westdeutschland weiter, als der Kommunistische Bund (KB) das historische Emblem wieder aufgriff. Nicht ohne Grund, zu den SS-Veteranen kamen neue Formierungen wie die paramilitärische „Wehrsportgruppe Hoffmann“ oder die Aktionsfront Nationaler Sozialisten (ANS) hinzu. 1974 gründete der KB eine zentrale antifaschistische Kommission, deren Ansatz immer noch stilbildend für das ist, was wir heute unter dem Begriff der Antifa fassen: Recherche über rechtsextreme Netzwerke, Blockade von Naziaufmärschen und Parteitagen. In den 80er Jahren wurde das Logo der Antifaschistischen Aktion durch die Initiative „Kampf und Kunst“ aus dem Umfeld der autonomen Szene Göttingens umgestaltet. Die Fahnen wehen seitdem in Rot für Sozialismus und Schwarz für das anarchistische Spektrum und sie zeigen nach links, nicht mehr nach rechts. Beim Besuch im Berliner antifaschistischen Pressearchiv „apabiz“ stößt man auf Demo-Bilder von 1988, bei denen Flaggen mit diesem Logo in großer Zahl zu sehen sind. Seit den 90er Jahren fehlt es auf keiner linken Demo.

Ob Max Gebhard, der 1990 starb, die Anfänge davon noch verfolgen konnte, weiß man nicht. Beschäftigt hat ihn das Thema immer. Bei ihrer Recherche zu Gebhard haben Schroeter und Berger herausgefunden, dass Gebhard ein Denkmal für die im NS ermordeten Bauhäuslerinnen vorgeschlagen hat. Gebhard hat dafür eine Ideenskizze angefertigt, die als Skulptur aus transparentem Material und Schrift auch dem Bauhaus ein Denkmal setzt. Es muss nur noch gebaut werden.

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