Seine Fans kann man sich nicht aussuchen, von wem man sich einen Preis verleihen lässt, hingegen schon. Vorige Woche wollte die Hamburger Regionalgruppe des Vereins Deutsche Sprache (VDS) die Kinder- und Jugendbuchautorin Kirsten Boie mit dem Elbschwanenorden ehren. Daraus wurde nichts. „Das ist kein Verein, von dem ich einen Preis annehmen möchte“, befand Boie, nachdem sie sich darüber informiert hatte, wer sie da eigentlich auszeichnen wollte. Bislang war der Verein der Öffentlichkeit auch weniger durch Huldigungen samt Orden bekannt, sondern für den Negativpreis „Sprachpanscher des Jahres“, den er seit 1998 vergibt.
Boie begründete ihre Entscheidung mit den rechtspopulistischen Äußerungen des Bundesvorsitzenden Walter Krämer. Der ist übrigens weder Linguist noch Germanist, er studierte Mathematik und Wirtschaftswissenschaften und ist Statistikprofessor an der Universität Dortmund. In ihrem Absagebrief zitiert Boie Krämers Gerede vom „aktuellen Meinungsterror unserer weitgehend linksgestrickten Lügenpresse“, von der „Überfremdung der deutschen Sprache“ und vom „Genderwahn“. Mehr als „die verkürzte und realitätsfremde Vorstellung von Sprache“ erschrecke sie an den Äußerungen „wie genau sie sich ausgerechnet in einer Zeit, in der wir mit Sorge einen Rechtsruck in Teilen der Bevölkerung beobachten müssen, in deren Argumentationsgänge“ einfügten, schreibt Boie.
Auf Twitter bekam sie viel Applaus für diese politisch begründete Preisabsage, in den Kommentarspalten der Zeitungen klang das schon anders. Da wurde seltener Boies Rückgrat gelobt, stattdessen war oft von Gratismut die Rede oder von Anbiederung an das juste milieu. Von Mails voller Hass und Verachtung, die seine Autorin erreichen, berichtet der Oetinger-Verlag. Das passt zu Boies Diagnose vom Rechtsruck. Die von ihr zitierten Äußerungen Krämers sind ein paar Jahre her. Von seinem Feldzug gegen den „Genderwahn“ will er aber weiterhin nicht lassen. 2019, kurz vor dem internationalen Frauentag, veröffentlichte der Verein einen „Aufruf zum Widerstand“ und forderte: „Schluss mit dem Gender-Unfug!“. Zurzeit nimmt der Verein Deutsche Sprache die Öffentlich-Rechtlichen, die man dort schon mal „Volkserzieher“ nennt, ins Visier. Kürzlich schrieb Krämer Protestbriefe an die Rundfunkräte von ARD, ZDF und Deutschlandradio, in denen er sich über den gesprochenen Genderstern beschwerte. Halten ihm die „Volkserzieher“ ein Mikrofon hin, redet er aber bereitwillig mit ihnen.
Gegenüber Deutschlandfunk Kultur gab er sich mit Blick auf Boies Absage generös. Er selbst habe sie zuvor nicht gekannt, werde nun aber etwas von ihr lesen und gehe davon aus, es werde ein schönes Buch. Ob Opa steht auf rosa Shorts oder die Der kleine Ritter Trenk-Reihe mit ihrem Verzicht auf Gender-Klischees seinen Geschmack treffen, ist nicht ausgemacht. Im Interview gab FDP-Mitglied Krämer auch zum Besten, gerade Liberale seien eine „beliebte Zielscheibe“ in den Medien. Man fragt sich, wie der Mann einen Wahlkampf mit Slogans wie „Digital first, Bedenken second“ verkraftet hat, schließlich verfolgt der VDS seit Krämer ihn 1997 gründete, das Ziel, die „Vermanschung des Deutschen mit dem Englischen“ aufzuhalten. 2013 ging der „Sprachpanscher des Jahres“ an den Duden, weil der dem Laptop nicht den vom VDS favorisierten Begriff „Klapprechner“ zufügte.
Manschen, panschen, das erinnert an Sandkasten oder an Lebensmittelskandale wie Glykolwein und auch das vom Verein 2003 initiierte Projekt „Deutschland sucht den Superdichter“ dürfte nicht nur das Sprachgefühl von Germanist*innen und Literaturwissenschaftler*innen gestört haben. Vielleicht war das der Grund, warum man den Verein Deutsche Sprache lange belächelt hat. Seit 2016 sprechen einige Medien besorgt von der Pegidisierung des Vereins. Ein Reporter der Zeit beobachtete aber schon 2003, wie sich Krämer zum Demagogen wandelte, jede Provokation bescherte ihm noch mehr Aufmerksamkeit des Blätterwaldes. Wären ihm nicht allzu bereitwillig viele Mikrofone entgegen gereckt worden, würde sich Krämer vielleicht heute ein wenig „lost“ fühlen. So lautet übrigens das Jugendwort 2020.
Kommentare 5
Danke, Frau Bioe.
Fr. Boie. sry.
Kirsten Boie hat Charakter. Und Walter Krämer scheint einer von den Mathematikern und Ökonomen zu sein, die wirklich glauben, mit Mathematik und Ökonomie könnte man alles erklären.
Danke, Frau Boie, von unbekannt und Danke, Frau Mescher.
Dieser Sprach-Verein, mit seinem Hauptziel und sein Vorsitzender, der populäre Vorurteile als freiheitliche Werte verkaufen möchte, wirken peinlich.
Eine kritische Anmerkung sei mir gestattet:
Sie schreiben, " Kürzlich schrieb Krämer Protestbriefe an die Rundfunkräte von ARD, ZDF und Deutschlandradio, in denen er sich über den gesprochenen Genderstern beschwerte. Halten ihm die „Volkserzieher“ ein Mikrofon hin, redet er aber bereitwillig mit ihnen."
Da lauert eine Falle, in die man nicht tappen sollte.
Der Wunsch und Zwang medial zu werden, gilt für die "Guten", wie für die "Bösen", für die vermeintlichen Medienkritiker aus der konservativen, rechtskonservativen oder neoliberalen Ecke, mit ihren noch so verdrehten Ansichten, wie für jene, die ihnen heftig und berechtigt widersprechen. - Daraus kann man kein Gegenargument oder eine Kritik ableiten.
Die schnelle "mediale" Abwehr, statt diese Leute zu stellen und sie aufzufordern sich zu erklären, führt zur Blasenbildung im Web. Dort läuft die Propaganda ungestört und meist auch unhinterfragt, eher emotional und motivational gestützt.
Die mediale Abwehr wäre sehr ähnlich jener, die nun immer öfter den ReporterInnen der Medien bei den einschlägigen rechten und rechtskonservativen Demonstrationen entgegenschlägt. Deren Selbststilisierung als wahre Aufklärer, als Widerständler und Opfer, in ihrer Blase oder bei den dennoch stattfindenen Medienkontakten, ist die Folge.
Umfassender und sprachlich geschickter hat das, 2017, Guillaume Paoli, in seinem Buch, "Die lange Nacht der Metamorphose", analysiert.
Beste Grüße und nur weiter
Christoph Leusch
Es rappelt in der Kulturszene! Walter Krämer hat den „Verein der deutschen Sprache“ übrigens 1997 selber gegründet, wie ich gerade auf die Schnelle recherchiert habe. Er geht mit seinem Verein also gegen „die Überfremdung der deutschen Sprache“ vor. Und dem Genderismus kann er auch nichts abgewinnen. Das soll er auch dürfen! Die deutsche Sprache „gegen Überfremdung“ schützen zu wollen, ist eine sehr ungeschickte Formulierung. Damit bereitet er wissentlich Nationalisten den Weg. Aber eine Landessprache vor Anglizismen u. ä. zu schützen per se als rechts(extrem) abzutun, greift zu kurz. Das französische Kultusministerium hat z. B. den Sprachschutz explizit im Gesetz verankert. Davon kann man halten, was man will. Aber diesbezüglich ist Walter Krämer wenigstens nicht der Einzige. Und einen Literaturpreis abzulehnen, nun, das ist ja nicht das erste Mal, das so etwas passiert. Soll man auch dürfen können. Schon Sartre hat das seinerzeit den Nobelpreises abgelehnt. Und Elfride Jelinek wollte 2005 nicht auf einer Briefmarke verewigt werden. So what?