Mehr Jürgen wagen

Pech Das Wahlprogramm von 2013 wäre für die Grünen im Superwahljahr 2017 genau das richtige
Ausgabe 13/2017

Als die Grünen bei der letzten Bundestagswahl 8,4 Prozent holten, sprach man von Schock und Desaster. Ein Schuldiger war schnell ausgemacht: Jürgen Trittin. Das Programm, mit dem er und seine Co-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt antraten, sei zu links gewesen, lautete das Resultat der „harten Analyse“ nach der Bundestagswahl: zu viel Steuern, zu viel Umverteilung, zu viel Gerechtigkeit. Inzwischen würden die Grünen wohl erleichtert auf Umfragewerte reagieren, die deutlich über der Acht-Prozent-Marke liegen. In Nordrhein-Westfalen dümpeln sie knapp zwei Monate vor der wichtigen Landtagswahl bei Werten von sechs Prozent, das Scheitern an der Fünfprozenthürde ist da nicht mehr außer Sichtweite.

So langsam müsste den Grünen schwanen, dass ihnen die nach der letzten Bundestagswahl beschlossene personelle und programmatische Neuausrichtung als bessere FDP schlecht bekommen könnte. Angesichts der aktuellen Debatte um die zunehmende Schere zwischen Arm und Reich wären die Grünen im Jahr 2017 mit dem Programm von 2013 und einem Spitzenkandidaten mit Trittin-Format besser aufgestellt, als sie es derzeit sind. In den vergangenen Jahren hat die Partei wie kaum eine andere von der geringen Wahlbeteiligung profitiert. Die gutverdienende Klientel der Grünen erschien an den Wahlurnen, die ärmeren Schichten blieben fern. In der Logik des Realo-Flügels war es nur folgerichtig, sich fortan vor allem um die bürgerliche Mitte zu bemühen. Seit kurzem steigt allerdings die Wahlbeteiligung und diesen ehemaligen Nichtwählern haben die Grünen wenig zu bieten.

Auf die harte Analyse der Partei zu den Ursachen des aktuellen Absturzes wartet man allerdings vergeblich. Stattdessen üben sich die Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt in Durchhalteparolen. Etwas anderes bleibt ihnen auch kaum übrig. Die beiden Realos, die für Schwarz-Grün stehen, wurden per Urwahl von der Grünen-Basis festgelegt, ein Austausch im Spitzenteam ist nicht mehr möglich. Dass sämtliche Parteimitglieder sich nichts sehnlicher wünschen als eine Koalition mit der Union, ist allerdings nicht ausgemacht. Dafür fiel Göring-Eckardts Ergebnis bei der Urwahl zu schlecht aus, und der Vorsprung von Özdemir auf Robert Habeck war hauchdünn.

Die Partei setzt im Wahlkampf 2017 auf klassische grüne Themen und stellt die Ökologie ins Zentrum. Zu den Klassikern zählten früher auch der Pazifismus, die Entwicklungspolitik, der Einsatz für die Rechte von Minderheiten und der Ökosozialismus. Seit dem 2013 eingeläuteten Generationenwechsel mangelt es der Partei aber an glaubwürdigen Vertretern für solche Positionen. Hans-Christian Ströbele, Bärbel Höhn und Volker Beck werden dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören. Die FDP flog 2013 aus dem Bundestag. Alle Umfragen deuten auf ihre Rückkehr. Da fragt man sich: Wer braucht noch Grüne, die eine bessere FDP sein wollen?

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