NRW-Panik in der SPD

Krise Wenn die Partei in ihrem Stammland nicht punktet, ist auch die Wahl zum Bundestag gelaufen
Ausgabe 19/2017
Hannelore Kraft kämpft in Nordrhein-Westfalen mit widrigen Bedingungen
Hannelore Kraft kämpft in Nordrhein-Westfalen mit widrigen Bedingungen

Foto: Lukas Schulze/AFP/Getty Images

Es sei ein harter Wahlkampf gewesen, sagte SPD-Vize Ralf Stegner nach der Niederlage in Schleswig-Holstein. Er führte zur Begründung das wenig frühlingshafte Wetter an. Hannelore Krafts Mitleid für ihren Parteifreund dürfte sich in Grenzen halten – sie kämpft in Nordrhein-Westfalen mit wesentlich widrigeren Bedingungen. Seit Monaten wird die Ministerpräsidentin von CDU und FDP scharf attackiert. Anders als im hohen Norden streitet man dort nicht über die Standorte von Windparkanlagen.

Spätestens seit der Silvesternacht von Köln hat Armin Laschet, Krafts Herausforderer von der CDU, Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger als größten Risikofaktor für die innere Sicherheit ausgemacht. Im Fall von Anis Amri, dem Attentäter vom Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz, setzten CDU, FDP und Piratenpartei einen Untersuchungsausschuss in NRW durch, obwohl das Behördenversagen länderübergreifend stattfand und sicher auch ein Fall für den Bundestag gewesen wäre. Wenn Laschet und Christian Lindner wegen eines Staus verspätet bei Wahlkampfveranstaltungen eintreffen, trägt garantiert Verkehrsminister Michael Groschek die Schuld. Dass Laschets Schwager Opfer eines Einbruchs wurde, dürfte inzwischen in der ganzen Republik bekannt sein. Der CDU-Mann hat verstanden, dass nichts die Sicherheitsdebatte besser befeuert als persönliche Betroffenheit. Beim Fernsehduell vorige Woche wirkte Kraft gestresst, denn Laschets Strategie geht auf. Inzwischen liefern sich SPD und CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen, die FDP ist in Umfragen drittstärkste Kraft. Die Schlappe in Kiel sorgt nun dafür, dass bei der SPD aus Nervosität Panik wird. Als die gesamte Führungsriege der Partei mit 1.400 weiteren Genossen vor sechs Wochen in Essen noch freudig die Schlussphase für den nordrhein-westfälischen Wahlkampf einläutete, betonte Martin Schulz die herausragende Bedeutung des Votums der 13 Millionen Wahlberechtigten. Er prophezeite, ein Sieg in NRW bedeute: „Die SPD wird stärkste Kraft in Deutschland und ich werde Bundeskanzler.“ Damit hat Schulz die Fallhöhe ziemlich klar umrissen.

Entsprechend kläglich geriet sein Auftritt vor der Berliner Industrie- und Handelskammer, nur 18 Stunden nachdem der Wahlausgang in Schleswig-Holstein bekannt geworden war. Bei seiner wirtschaftspolitischen Grundsatzrede präsentierte sich Schulz als Vertreter jener SPD-Politik, die einem nur allzu gut vertraut ist. Mit der Losung „So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig“ bezeichnete er sich als Anhänger des Ordoliberalismus. Seine Huldigung reichte von den „Freiburger Jungs“ über Ludwig Erhard bis zu Gerhard Schröder. Das Soziale geriet zur Randnotiz, dafür fiel auffallend oft der Begriff „Leistungsgerechtigkeit“, ein Euphemismus, der von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück geprägt wurde. Und zum Abschluss distanzierte Schulz sich von der Linkspartei. Am Tag zuvor hatte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer eindringlich vor den Gefahren von Rot-Rot-Grün gewarnt. Das Signal scheint angekommen. Die Vertreter der Wirtschaft müssen sich wohl keine Sorgen machen. Die wirtschaftlich Abgehängten nach dieser Rede des SPD-Kanzlerkandidaten hingegen schon.

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