Schnell, schneller, Fanboy

Bewegt Rainer Balcerowiak träumt auf Papier von einer linken Volkspartei. Mit Betonung auf „Volk“?
Ausgabe 41/2018
Welche Volkspartei Rainer Balcerowiak (nicht im Bild) vorschwebt, bleibt sein Geheimnis
Welche Volkspartei Rainer Balcerowiak (nicht im Bild) vorschwebt, bleibt sein Geheimnis

Foto: imago/IPON

Sechs Wochen sind seit dem Start der Sammlungsbewegung vergangen, schon liegt das erste Buch vor. Aufstehen. Wohin gehts? Mit dieser Frage dürfte Rainer Balcerowiak nicht allein sein. Für den Autor scheint die Antwort festzustehen, am Horizont zieht die Gründung einer Volkspartei auf. Balcerowiak war lange Inlandsredakteur der Jungen Welt. Dass man keine Volkspartei gründen, sondern nur durch Wählerzuspruch werden kann, weiß er. Für ihn ist eine Parteigründung allerdings die einzig logische Konsequenz, wenn man die Anhänger nicht enttäuschen oder im „politischen Niemandsland“ stehen lassen möchte. Einer dieser Anhänger ist Balcerowiak zweifellos selbst.

Die Initiatoren der Sammlungsbewegung haben als Motiv für die Gründung den Rechtsruck genannt, die AfD ist dem Autor allerdings nur wenige Zeilen wert. Den rechten Parteien, die in ganz Europa auf dem Vormarsch sind, widmet er ein einziges von 24 Kapiteln. Mehr Platz wird der Positionierung im linken Parteienspektrum von SPD, Grünen und Linkspartei und der außerparlamentarischen Linken eingeräumt, die Balcerowiak zufolge die „einfachen Menschen“ nicht mehr erreichen. Der Rekurs auf die Brandt-SPD gerät lang, das passt zur Einschätzung, dass der kleinste gemeinsame Nenner der Sammlungsbewegung die klassische sozialdemokratische Reformpolitik ist. Darüber hinaus konnte man in den 70er Jahren auch noch von Volksparteien sprechen.

„Nostalgie hilft nicht weiter“, lautet der Befund, dazu zählt für ihn wohl auch ein rot-rot-grünes Bündnis. Daran, dass es „Aufstehen“ gelingt, Druck auf diese Parteien auszuüben, glaubt er nicht. „Heimat, Nation, Identität, Nationalstaat, Tradition, Familie, Geborgenheit“, bei diesen Themen komme man mit Teilen der Grünen und der Linken nicht zusammen, klagt der Autor, denn dort werde das bereits als Bestandteil rechter Diskurse gewertet.

Da dürfte nicht nur Balcerowiak richtigliegen, sondern auch die genannten „Teile“ der beiden Parteien. Geborgenheit kann man im Unterschied zur sozialen Sicherung nicht qua Gesetz herstellen und Investitionen in die Infrastruktur sind Teil der staatlichen Daseinsvorsorge, Heimatschutz muss man das nicht nennen. Der Vorwurf, dass sich Linke dem Heimatbegriff verweigern, wird, seit die AfD im Bundestag sitzt, mit einem Tremolo der Dringlichkeit vorgetragen, das in seiner demonstrativen Geschichtsvergessenheit grotesk wirkt.

Im Kapitel „Der Fall Kevin Kühnert“ stellt Balcerowiak klar, warum ein Zusammengehen von SPD und „Aufstehen“ für ihn kaum vorstellbar ist. Der Juso-Chef gehöre inzwischen zur Funktionselite. Das Argument wird stets bei Kritikern in Anschlag gebracht. Der schnöde Mammon hindere sie, Teil der Bewegung zu werden. Auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den „Kosmopoliten“ über die Realität des global agierenden Kapitalismus verzichtet Balcerowiak. Zu den Herausforderungen für die Sammlungsbewegung zählt er das Thema Migration, da wünscht er sich wohl die von Wagenknecht angedeutete Schärfe zurück, die im Gründungsaufruf fehlt. Mittelfristig müsse man sich von den eher kosmopolitisch orientierten Vertretern in der Sammlungsbewegung trennen. Welche Volkspartei ihm dann noch vorschwebt, bleibt sein Geheimnis.

Info

Aufstehen und wohin gehts? Rainer Balcerowiak Das Neue Berlin 2018, 144 S., 10 €

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