Zurück in die Steinzeit

219a Im Bundestag ließ sich eindrucksvoll der Backlash in der Frauenpolitik beobachten. Gerade Union und AfD sehnen sich offensiv nach Zeiten ohne Selbstbestimmungsrecht
Ausgabe 09/2018
Die Hasenfüßigkeit der SPD könnte Frauen teuer zu stehen kommen
Die Hasenfüßigkeit der SPD könnte Frauen teuer zu stehen kommen

Foto: Snapshot/Imago

Wer diese Debatte im Bundestag verfolgt hat, musste sich ernsthaft fragen, ob wir im Jahr 2018 leben. Es ging um den Paragrafen 219a, ein juristisches Erbe des völkischen NS-Regimes, mit dem 1933 ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche verhängt wurde. Spätestens seit die Gießener Ärztin Kristina Hänel im November deshalb zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro verurteilt wurde, ist klar, dass für den Gesetzgeber Handlungsbedarf besteht.

Zur Diskussion standen am vorigen Donnerstag drei Anträge, Grüne und Linkspartei forderten jeweils die Streichung des Paragrafen, die FDP setzt auf einen Kompromiss, bei dem sachliche Informationen zum Schwangerschaftsabbruch nicht unter Strafe gestellt werden. Entgegen allen Erwartungen reichte die SPD keinen eigenen Antrag ein, aus Rücksicht auf die Union, den potenziellen Koalitionspartner. Dabei hatte die SPD-Fraktion im Dezember einstimmig ihren Gesetzentwurf beschlossen, der die Abschaffung des Paragrafen vorsieht. „Wir setzen auf eine Kompromisslösung und Gespräche mit CDU, CSU, FDP, Grünen und Linken“, ließ Eva Högl, Vizefraktionschefin der SPD, wissen. Dass mit der Union kein Kompromiss zu machen ist, stellten deren Rednerinnen und Redner unmissverständlich klar. Inhaltliche Unterschiede zur AfD ließen sich kaum ausmachen.

Bei dieser Parlamentsdebatte konnte man eindrucksvoll den Backlash in der Frauenpolitik beobachten, vom Selbstbestimmungsrecht der Frau war bei Union und AfD nicht die Rede, stattdessen betonten sie die Schutzrechte des Staates für ungeborenes Leben. Von der Forderung nach einer Gebärpflicht für Frauen, die der völkische Flügel der AfD immer wieder ins Spiel bringt, waren die Wortbeiträge des konservativen Lagers nicht mehr weit entfernt. Entsprechend war es für AfD und Union auch kein Thema, dass der Paragraf 219a Frauen in ihrem Recht auf Information und freie Arztwahl beschneidet und Ärzte kriminalisiert. Denn Hänel ist kein Einzelfall, selbst ernannte Lebensschützer veranstalten eine regelrechte Hetzjagd auf Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Das hat Folgen, vor allem in ländlichen Regionen ist es oft nicht mehr möglich, eine Praxis zu finden, die einen solchen Eingriff durchführt. Die Anträge von Linken, Grünen und FDP werden nun vom Rechts-, Gesundheits- und Familienausschuss beraten. Kommt es zur Neuauflage der GroKo, steht es für die Chance einer Streichung von 219a schlecht. Das haben die Union, aber auch die SPD mit ihrer Hasenfüßigkeit sehr deutlich gemacht.

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