Anarcho Bavariae – bester Ausblick

CSU Wer die CSU je für eine durchschnittliche demokratische Partei mit geistigen Normalverbrauchern hielt, wurde dieser Tage wieder einmal eines Besseren belehrt

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Am Tegernsee steht ein Gymnasium. Dort verfasste in diesem Jahr ein Abiturjahrgang eine 400 Seiten starke Abschlusszeitung. Wie hier in Bayern üblich, legten die Schüler das Werk dem Direktor zur Zensur vor. Ja, richtig gehört. Ganz offiziell wird das Wort „Zensur“ benutzt. Der wackere Direktor, einstiger Redenschreiber im bayerischen Kultusministerium, vergaß aber zu zensieren. Prompt blieb ein Artikel einer Schülerin unbeachtet. Dieser richtete sich gegen einen Lehrkörper und war im Ton beleidigend. Die Zeitung wurde verteilt. Die Aufregung unter den Lehrkörpern war groß. Sie konfiszierten alle Exemplare, der Direktor zwang die Schüler zu diversen Entschuldigungs- und Kotau-Gesten und drohte mit rechtlichen Schritten. Es scheint nur ein Beispiel für fehlende Souveränität zu sein. Aber es ist noch mehr. Es zeigt den Geisteszustand eines Bundeslandes, das vielerorts noch nicht in der Zivilgesellschaft angekommen zu sein scheint. Das ist nicht nur für das Land schade. Es hat auch immer Auswirkungen auf die ganze Republik.

Gern und häufig wird Bayern als Hort des Wohlstands und der Prosperität beschrieben. Schau, Berlin, so macht man das. Und wir, die wir nicht in diesem Bundesland groß werden durften, schmunzeln über die Weltsicht dieser Menschen, aber insgeheim zollen wir angesichts der sauberen Städte, der geringen Kriminalität, der hohen Einkommen Respekt. Die scheinen was richtig zu machen. Aber worauf ist das gebaut? Eine Partei hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als Erfinder dieser Eigenschaften aufgespielt. Das ging lange gut. Aber zunehmend bröckelt das Denkmal. Und das liegt an den Akteuren dieser Truppe, die sich Partei nennt, aber Biotop der Bekloppten meint.

Politik kann grau sein – wie die stümperhaften Erklärungsversuche der Euro-Krise. Sie kann gehässig und dämlich sein – wie unser Außenminister in Permanenz bestätigt. Und sie kann gefährlich sein – wie die NPD in Ostdeutschland. Aber Spaß machen kann sie auch. Wenn man sich die Gauklertruppe von der Isar anschaut. Comedy sucht Unterstützer – kurz CSU. Denn hier in Bayern wächst noch zusammen, was zusammen gehört: Anarchie und Komödie, Irrsinn und unfreiwillige Komik.

Wer die CSU je für eine durchschnittliche demokratische Partei mit geistigen Normalverbrauchern hielt, der wurde dieser Tage wieder einmal eines Besseren belehrt. Immer wieder tauchen Klappmaulpuppen aus dem CSU-Bestand auf und servieren dem geneigten Publikum echte Höhepunkte des Politikirrsinns. Meist ist es der Oberkasperl Horst. Aber auch das Bodenpersonal will zeigen, dass Politik in Bayern immer auch mit fönbedingtem Schwachsinn verbunden ist. Hier die Top 3 der Possenreißer aus den letzten Wochen:

Auf Platz 3, neu eingestiegen, das Remake des alten CSU-Klassikers „Pressefreiheit – wieso?“. Thomas Goppel, ein ewig zu kurz gekommener Apparatschik mit Papi-Komplex aus Oberbayern, fordert angesichts des TITANIC-Titelbildes, welches einen inkontinenten Papst zeigt ... na was? Genau: Schreibverbot für Journalisten. Er wolle eine Diskussion anregen. Politiker müssten, wenn sie Fehler machten, ja auch zurücktreten. Und damit meint er explizit nicht Fehler wie das Verschwenden von Steuergeldern durch CSU-Dödel wie beim Hypo Alpe Adria Skandal. Herr Goppel hat gute Chancen in die Jahres-Top-Wertung zu kommen. Zumal er nun das kleine, wenngleich in den Sphären der Politik nicht selten zu beobachtende Kunststück vollführt hat, seine letztjährige Äußerung, es könne keine fundamentalistischen Christen geben, selbst ad absurdum zu führen. Man ist halt mit der Gnade einer wählerischen Erinnerung gesegnet.

Der zweite Platz gebührt Hans-Peter Uhl, der als CSU-Innenexperte fungiert und offenkundig schwer daran zu tragen hat, immer wieder mit der Unzulänglichkeit seiner Mitgeschöpfe konfrontiert zu werden. Nach vielfältigen intellektuellen One-Hit-Wonder („Wenn wir an die Opfer der Nazi-Herrschaft erinnern, sollten wir auch jener unschuldigen Deutschen gedenken, denen als Zwangsarbeiter schweres Leid und grausamste Behandlung widerfahren sind“) hat er mit seiner Idee zum neuen Meldegesetz nachgelegt. Schließlich braucht Erfahrung ja Wiederholung, um sinnvoll bewertet werden zu können. Fehler? Murks? Ach was. Zitat: „Ich habe mir überhaupt nichts vorzuwerfen. Alle, die sich jetzt besserwisserisch zu Wort melden, haben keine Ahnung von der Materie.“

Und mit der Besetzung des ersten Platzes beweist die CSU, dass sie sehr wohl ein Faible für die Quotenregelung hegt, auch wenn man dieses in der Öffentlichkeit nicht zugeben mag. Denn hier thront die Haderthauer Christine mit ihrem Brüllergesetz zum Betreuungsgeld. Frei von jedem Selbstzweifel hat das lachende Pferd aus Ingolstadt gegen jeden klugen Einwand dringend benötigtes Steuergeld für die eigene Küchenideologie geopfert. Und gibt zudem mit jedem ihrer Auftritte die Antwort gibt auf die Frage, wie man in einer so indifferenten Welt wie der unsrigen trotzdem man selbst sein kann. Auch wenn das mitunter so lärmend passiert, als würde die Dame sich einer Kolostomie ohne Narkose unterziehen.

Wer vor Jahresfrist sich über den Zustand der FDP echauffierte, sollte den Blick nach München werfen. Hier setzt man konsequent auf Irrsinn, glaubt mit populistisch halbgaren Thesen den Bayern hinter dem Kachelofen hervorzulocken. Aber bei jeder guten Komödie kommt die Pointe ja erst am Schluss. Und siehe da: Die Umfragewerte rutschen nach unten, die CSU verliert in ihrem einstigen Stammland. Wenn alles gut läuft, erleben wir nach 1989 in 2013 bei der Landtagswahl in Bayern den nächsten großen ideologischen Mauerfall. Aber das Gift dieser Kleingeist-Ideologie der CSU wird in diesem Land noch lange für Verirrungen wie die am Gymnasium Tegernsee sorgen. Die Landtagswahl im Herbst 2013 kann der Startschuss zu einem neuen Leben fernab der Comedia Dilettantia sein. Kein Dummquatsch mehr aus bayerischen Staatskanzleien. Aus dem Scheinriesen CSU wird vielleicht ein Regionalzwerg. Auch wenn Bayern dann mit einem eitlen Kleindarsteller wie Christian Ude leben müsste.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Martin Calsow

Schriftsteller ("Quercher und die Thomasnacht", "Quercher und der Volkszorn", "Quercher und der Totwald") und Journalist, lebt am Tegernsee.

Martin Calsow

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