Gut gerüstet

Lobbyismus Warum ist es so schwierig, eine restriktivere Rüstungsexport-Politik durchzusetzen? Deutsche Waffenfirmen haben einen kurzen Draht zur Bundesregierung
Ausgabe 32/2014
Nur ein extremer Fall der Verflechtung von Politik und Rüstungsindustrie: Dirk Niebel, Ex-Entwicklungsminister, arbeitet heute als Waffenlobbyist für Rheinmetall
Nur ein extremer Fall der Verflechtung von Politik und Rüstungsindustrie: Dirk Niebel, Ex-Entwicklungsminister, arbeitet heute als Waffenlobbyist für Rheinmetall

Foto: Mohammed Abed / AFP / Getty Images

Vom Weltverbesserer zum Waffenlobbyisten: Als Ex-Entwicklungsminister Dirk Niebel vor wenigen Wochen seinen Wechsel zu Rheinmetall bekannt gab, war die Aufregung groß. Verkauft der FDP-Politiker seine Kontakte an das Rüstungsunternehmen? Lässt er sich seine Politik im Nachhinein vergolden? Schließlich saß er im Bundessicherheitsrat und durfte mitentscheiden, ob Waffenexporte genehmigt wurden. In Wirklichkeit ist Niebel aber nur ein besonders extremer Fall der Verflechtung von Politik und Rüstungsindustrie.

Derzeit versucht Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ja, die Waffenlieferungen ins Ausland zu beschränken, und hat die Genehmigung für ein deutsch-russisches Rüstungsgeschäft widerrufen. Von der Union musste er dafür viel Kritik einstecken. Wer jedoch wissen will, warum eine restriktive Politik so schwer durchzusetzen ist, muss sich ansehen, wie die Wirtschaft an vielen Punkten Einfluss nimmt. Meist unbeachtet von der Öffentlichkeit.

Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) beispielsweise ist der zentrale Think-Tank der deutschen Sicherheitspolitik und reklamiert für sich, „die sicherheitspolitische Weiterbildungsstätte der Bundesregierung“ zu sein. Hier treffen sich Führungskräfte aus Politik, Verwaltung, Militär und Wissenschaft – und eben auch Vertreter der Waffenindustrie. In der BAKS können sie ihre geschäftlichen Kontakte mit den Ministerialen bestens pflegen. Eine Broschüre zu dem regelmäßig von der BAKS ausgerichteten „Seminar für Sicherheitspolitik“ verspricht den Teilnehmern „hochrangige Gesprächsrunden“ mit „herausgehobenen Führungskräften aus Bundes- und Landesressorts“.

Die Rüstungslobbyisten gehen in der Akademie ein und aus. Seit Januar 2012 kam es 77 Mal vor, dass ein Rüstungsvertreter an einer BAKS-Veranstaltung teilgenommen hat. Dem Freitag liegt eine Liste vor, sie liest sich wie das Who is Who der deutschen Rüstungsindustrie: ThyssenKrupp, EADS, Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann und weitere. Vertreter von Friedensinitiativen sucht man bei den Veranstaltungen übrigens vergeblich.

Fragwürdige Partner

Der Verein Lobbycontrol sieht Handlungsbedarf: „Denkfabriken wie die BAKS bieten der Industrie ein informelles Kontaktforum, um hinter verschlossenen Türen Interessen zu vertreten“, sagt der Campaigner Timo Lange. „Fehlende Transparenzregeln im Lobbybereich verhindern, dass die Öffentlichkeit mehr darüber erfährt, wie Rüstungskonzerne etwa auf die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik Einfluss nehmen, um ihre Absatzchancen zu erhöhen.“

Politisch ist die BAKS konservativ. Als Partner hat sie neben der Münchener Sicherheitskonferenz, deren Vorsitzender viele Jahren der frühere Kohl-Berater Horst Teltschik war, die parteinahen Stiftungen von CDU, SPD und FDP, nicht aber die von Grünen oder Linken.

Ein Partner der BAKS ist auch die Clausewitz-Gesellschaft, jährlich organisieren sie gemeinsam ein „Berliner Colloquium“. Die Vereinigung ist benannt nach dem preußischen General und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz, der Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ansah. Im März berichtete der Spiegel, die Mitgliederversammlung der Gesellschaft habe es abgelehnt, sechs Ex-Wehrmachtgeneräle von der Liste der Ehrenmitglieder zu streichen. Unter den Clausewitz-Mitgliedern sei auch der ehemalige NPD-Bundespräsidentschaftskandidat Olaf Rose.

Wenn Rüstungsvertreter mit Politikern in Kontakt kommen wollen, müssen sie aber nicht unbedingt die BAKS besuchen. Wie aus Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linkspartei hervorgeht, haben sich hochrangige Vertreter des Kanzleramts, des Auswärtigen Amtes, des Wirtschafts-, Verteidigungs-, Finanz- und Entwicklungsministeriums in der vergangenen Legislaturperiode dutzende Male mit Rüstungslobbyisten getroffen.

Es geht sogar noch informeller: Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik bietet „Gesprächsrunden und Parlamentarische Abende, die Gelegenheit zu intensiver Kommunikation und Kontaktpflege geben“. Im Präsidium des Vereins sitzen Abgeordnete von Union und SPD neben Vertretern von Krauss-Maffei Wegmann oder Rheinmetall.

Vizepräsident ist der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Henning Otte. Otte verschwieg seine Tätigkeit, obwohl Abgeordnete nach der Geschäftsordnung des Bundestages verpflichtet sind, Nebentätigkeiten in Vereinen mit nicht ausschließlich lokaler Bedeutung beim Bundestagspräsidenten zu melden. Als der Freitag bei Otte anfragte, tauchte seine Tätigkeit wenige Tage später auf seiner Internetseite auf.

Marvin Oppong schrieb im Freitag zuletzt über die Strukturen des WDR

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