Zocken in der Anstalt

Computerspiele Videospielen haftet bisweilen der Ruch des Gefährlichen an. ZDFkultur schickt sich nun an, das professionelle Gaming zu einem popkulturellen Phänomen zu erheben

Die Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ähneln zwei Ozeandampfern. Behäbig kreuzen sie die Fernsehgewässer, im Gepäck Quotenbrenner à la Tatort oder Musikantenstadl. Für Experimente ist der Bremsweg zu lang, weshalb sie sich, um in den Gewässern der Jugendkultur zu fischen, lieber digitaler Schnellbote wie ZDFneo oder ZDFkultur bedienen.

Letzteres Boot hat sich nun in die Stromschnellen des E-Sports gewagt. Unter dem Titel FTW – For the Win strahlte ZDFkultur gestern zu jugendfreier Stunde erstmals einen kompletten Spieltag der Electronic Sports League (ESL) aus. Der aufgezeichnete Saisonstart der ESL Pro Series, so etwas wie die Bundesliga der elektronischen Sportszene, wurde tags zuvor auf der Spielemesse Gamescom in Köln ausgetragen.

Von Stromschnellen ist hier die Rede, weil unter anderem ein Match Counter-Strike Source gezeigt wurde. Bereits die Ankündigung, den Ego-Shooter in einem Spartenkanal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens übertragen zu wollen, hatte im Vorfeld für die obligatorischen Unkenrufe gesorgt. Die Tageszeitung Die Welt mahnte einen Kulturverfall beim ZDF an. Und das Boulevardblatt Berliner Zeitung (BZ) versuchte sich darin, die Killerspieldebatte zu reaktivieren.

Weniger diese überdrehten Stimmen als die sonstige Nichtbeachtung im deutschen Blätterwald machen deutlich, wie wenig das professionelle Gaming in der gesellschaftlichen Wahrnehmung angekommen ist. E-Sport, das ist ein Nischenthema. Daran ändern auch die beflissenen Wortmeldungen des ZDFkultur-Chefs Daniel Fiedler wenig. Dass Videogames zum „Kulturgut“ zählen, wissen wir spätestens seit dem Urteil des Deutschen Kulturrates („Computerspiele sind Kulturgut“). Und dass Computerspiele längst ein popkulturelles Massenphänomen sind, auch das ist nicht neu. 23 Millionen Menschen in Deutschland zocken regelmäßig, der durchschnittliche Gamer ist 31 Jahre alt und nicht der blässliche Pubertierende. Doch ändert all das nichts an der Tatsache, dass die Gamingszene bisweilen um Anerkennung kämpfen muss.

Auklärungsarbeit

Auch der Übertragung merkte man das an: „Wir sind doch ganz normal“ schienen einem eingekauften Gaming-Journalisten Viola Tensil und Colin Gäbel ständig zuschreien zu wollen, während sie die Sendung führten. So durften dann auch Experten das Bild der Videogames als Killerspiele widerlegen. Die Spieler wurden wie richtige Sportler ins Licht gerückt. Und der Medienkünstler Aram Bartholl gab der Sendung auch noch den ersehnten Touch Kultur. Das alles wirkte angestrengt aufklärerisch.

Verwunderlich ist diese Haltung indes nicht. Denn wo die Gamingszene um die kulturelle Anerkennung ihrer Freizeitbeschäftigung kämpft, rackern die E-Sportler, beinahe 10 Jahre nach dem ersten Turnier, unermüdlich um ihre sportliche Anerkennung. Mehr als eine Millionen Mitglieder hat die ESL nach eigenen Angaben in Deutschland. Nur Fußball-, Tennis-, Turn-, und Schützenvereine zählen nach einer Erhebung des Deutschen Sportbundes mehr. Und dennoch stuft eben jener Deutsche Sportbund die professionellen Zocker nicht als Sportler ein. Begrifflichkeiten wie „eigenmotorische Leistung“ stehen im Mittelpunkt des Anerkennungsgeplänkels.

Vielleicht benötigt es neben der Sehnenscheidenentzündung noch den Dekubitus am Hintern, um zu zeigen, wie ernst es den E-Sportlern ist. Vielleicht braucht es aber auch einfach nur Zeit. In einem Land wie Südkorea stellen sich die Fragen nach kultureller und sportlicher Wertigkeit der Computerspiele längst nicht mehr. Der E-Sport wird wie Fußball in der Primera División inszeniert. Die Spiele werden live im Fernsehen übertragen. Große Unternehmen halten sich eigene Teams. Und die Profis werden gefeiert wie Popstars. Die Frage, ob das gut ist, steht auf einem anderen Blatt.

E-Sport-Kultur

Versuche, die Trendsportart hierzulande auf die Mattscheibe zu bringen sind dagegen allesamt gescheitert. Zu gering sind die Einschaltquoten, weil das Geschehen entweder zu langweilig oder für den Otto Normalzapper zu unübersichtlich ist. Auf absehbare Zeit wird sich der E-Sport deshalb wohl nur in den digitalen Spartenkanälen der Ozeandampfer ein Plätzchen finden. Zwingend deshalb auch der Versuch von ZDFkultur, den Fokus der Berichterstattung stärker auf das Gaming als popkulturelles Phänomen zu legen. Ob gerade der E-Sport in dieser Hinsicht genug hergibt, bleibt fraglich.

Die Anspruch, den E-Sport kulturtauglich aufzuarbeiten, muss die Redaktion aber ohnehin erst dann gerecht werden, wenn die Quote stimmt.

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Geschrieben von

Lukas Ondreka

Praktikant beim Freitag

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