Deutsche Architektur von Aserbaidschan

Deutsches Erbe Es wird oft vergessen, dass die Deutschen auch einen großen Beitrag zur Gestaltung der Bakuer (Aserbaidschan) Architektur geleistet haben.

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Wenn man heutzutage vom deutschen Erbe in Aserbaidschan spricht, denkt man an erster Stelle an die deutschen Kolonien in Helenendorf (Göygöl) und Annenfeld (Şəmkir), obwohl noch viele weitere existierten, beispielsweise: Georgsfeld (heute: Çinarlı), Eichenfeld (İrmaşlı), Aleksejewka im heutigen Bezirk Şəmkir, Traubenfeld im heutigen Tovuz, Grünfeld (Həsənsu) und Elizavetinka im heutigen Ağstafa Bezirk.[1] Hervorzuheben ist, dass die o. g. Kolonien durch die aus Württemberg ausgewanderten zwischen 1818 und 1819 Schwaben gegründet wurden. Die Umsiedlungspolitik des zaristischen Russlands begann nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Gülistan[2] (ein Dorf im heutigen Aserbaidschan, Bezirk Göranboy) zwischen dem Russischen und Kadscharen Reich (Persisches Reich), wodurch der Russisch-Persische Krieg (1804-1813) beendet und eine neue Grenzziehung bestimmt wurde. Mit der zweiten Einwanderungswelle kamen Deutsche, die die russische Untertanenschaft angenommen hatten und fortan im heutigen Aserbaidschan Unternehmen betreiben wollten.

Insgesamt haben die Deutschen in Aserbaidschan insbesondere den Weinanbau und die Öl- bzw. Bergindustrie vorangetrieben. Es wird aber oft vergessen, dass die Deutschen auch einen großen Beitrag zur Gestaltung der Bakuer Architektur geleistet haben. In diesem Zusammenhang werden oft die Kirchen in Helenendorf und Annenfeld genannt oder auf die Kirche und das Kapellhaus in Baku verwiesen. Gleichzeitig wird vernachlässigt, dass bei zahlreichen historischen Bauten, die sich heutzutage an den zentralen Straßen Bakus befinden, vermehrt auch deutsche Architekten mitgewirkt haben. Unter diesen Architekten ragen folgende Personen besonders heraus: Nikolaus August Ernst von der Nonne, Adolf Eichler, Karl Gustav Hippius sowie Johann Wilhelm Edel.

Nikolaus von der Nonne (1836-1906)

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Nikolaus von der Nonne war sogar von 1898 bis 1902 Bürgermeister von Baku und konnte zwischenzeitlich auf die gesamte Architektur der Stadt einwirken. Von der Nonne wurde 1836 in Sankt-Petersburg geboren. Von 1881 bis 1894 war er als Bauingenieur in Baku tätig. Aus diesem Grund wurde er 1897 damit beauftragt, das äußere Erscheinungsbild von Baku neu zu gestalten.[3]

Ein weiterer wichtiger Architekt mit deutscher Abstammung war Adolf Eichler, dessen Einfluss wir in Baku bei jedem Schritt entlang der zentralen Straßen verfolgen können. Adolf Eichler wurde 1869 in der russischen Stadt Orjel geboren. Seine Familienmitglieder waren in der lutherischen Gemeinde in Baku besonders aktiv. Eichler unterstützte daher den Bau der lutherischen Kirche in Baku mit Spenden. [4]

Adolf Eichler (1869 - 1911)

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Dieser Beitrag hat das Ziel, den deutschen Lesern sowie deutschsprachigen Touristen, die Aserbaidschan demnächst besuchen möchten, eine Übersicht über die aserbaidschanische Architektur zu geben und die folgenden Informationen als Reiseführer zu nutzen. Im Sommer des letzten Jahres hatte ich selbst die Gelegenheit, nach Aserbaidschan zu reisen. Für das Verfassen dieses Beitrags war ich zwei ganze Tage lang in Baku auf der Suche nach deutschen Spuren, wobei mich meine Kamera stets begleitete. Die deutschen Bauwerke im Westen Aserbaidschans habe ich bereits in den letzten Jahren entdeckt und zum Teil fotografiert. Leider ist es mir nicht gelungen, alle Bauten mit deutschem Einfluss in Baku zu finden.

Der erste Schwerpunkt betrifft nun Bauwerke in Baku und danach legen wir den Fokus auf die deutsche Architektur im Westen Aserbaidschans.

Baku

  1. Lutherische Erlöserkirche

Diese Kirche befindet sich an der Straße des 28. Mai. Das Gebäude liegt zwischen den Nebenbauten verborgen, sodass seine Schönheit nicht direkt ins Auge fällt. Zum Bau der Kirche hat, wie bereits erwähnt, der Kaukasusdeutsche Adolf Eichler einen finanziellen Beitrag durch eine Spende geleistet. Gleichzeitig wurde er als Architekt dieses Projektes eingesetzt. Der Grundstein der Kirche wurde 1896 gelegt und am 14. März 1899 fand die Einweihung des Gotteshauses statt. Die letzten Mitglieder der Gemeinde, Pastor Paul Haber und sieben seiner Anhänger, wurden am 01. November 1937 im Zuge des Großen Terrors der Stalinischen Säuberungen erschossen.[5]

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2. Kapellhaus

Neben der lutherischen Kirche befindet sich an derselben Straße ein weiteres deutsches Architekturerbe – das Kapellhaus. Die Einweihung des Kapellhauses fand 1908 statt. Es gilt als Bestandteil der lutherischen Erlöserkirche. Heutzutage finden dort kulturelle Veranstaltungen statt.

3. Wohnhaus von Gadžinskij

Ein weiteres prächtiges Gebäude befindet sich auf der Neftçilər Prospekti (Allee) 103 und wurde von Johann Wilhelm Edel gebaut. In diesem Haus wohnte einst die Familie des aserbaidschanischen Ölunternehmers und Magnaten İsa Bek Gadžinskij. Die Bauphase lief von 1910 bis 1912. Eine historische Tatsache, die eine Besonderheit darstellt, darf an dieser Stelle nicht unbenannt bleiben: 1944 übernachtete hier der französische General Charles de Gaulle auf dem Rückweg aus Teheran.[6]

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4. SOCAR-Gebäude

Auf dieser Allee (Neftçilər Prospekti 73) befindet sich zudem ein staatliches Gebäude, das heute dem aserbaidschanischen Ölunternehmen SOCAR gehört. Der erste Besitzer war der berühmte aserbaidschanische Sänger und Ölunternehmer Sejid Mirbabajev. Das Gebäude wurde von Pavel Sternberg in einem französischen Renaissance-Stil designt.

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5. Imam-Husejn-Moschee

Es ist kaum bekannt, dass die deutschen Architekten nicht nur Wohnanlagen in Baku gestaltet haben; sie ließen auch einige Gottesgebäude errichten. Im Jasamal Bezirk der Stadt Baku befindet sich die beeindruckende Imam-Husejn-Moschee, die von den Einwohnern auch als „Ašumovs Moschee“ bezeichnet wird. Der Bakuer Millionär Haji Hajibala Ašumov hat damals den deutschen Architekten Adolf Eichel mit dem Bau beauftragt. Die Moschee wurde 1896 errichtet.[7]

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6. Alexander-Nevski-Kathedrale

Eine weitere, kaum bekannte Tatsache besteht darin, dass 1898 in Baku unter der architektonischen Leitung von Robert Marfeld die russische Alexander-Nevskij-Kathedrale erbaut wurde, die bis zu ihrer Zerstörung im Jahr 1936 die größte Kathedrale im gesamten Kaukasus war. Die Kathedrale wurde auf dem ehemaligen muslimischen Friedhof erbaut. Sie ähnelte vom Aussehen der imposanten Basilius-Kathedrale in

Basilius-Kathedrale in Moskau. [8]

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7. Apostolische Kirche HI. Gregor der Erleuchter

Die Apostolische Kirche HI. Gregor der Erleuchter, die durch Karl Gustav Hippius 1887 erbaut wurde, befindet sich als religiöses Gebäude inmitten der Stadt auf dem Brunnenplatz (Fəvvarələr meydanı, oder Torgojava). 2002 wurde diese Kirche renoviert und das Kirchengebäude von der präsidentiellen Verwaltung Aserbaidschans übernommen, um es als deren Bibliothek zu nutzen.

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8. Wohnhäuser

Wenn man auf dem Brunnenplatz bzw. weiter durch die zentrale Nizami-Straße spaziert, findet man sehr viele Gebäude, auf denen die Initialen von Adolf Eichler oder J. W. Edel wiederzufinden sind. Diese Häuser sind heute noch bewohnt.

9. Nationales Kunstmuseum Aserbaidschans

Ein anderes beeindruckendes Gebäude dient heutzutage als Nationales Kunstmuseum Aserbaidschans. 1888 hat der Geschäftsführer der „Kaspischen Gesellschaft“, Lev Martynovič de Boer, den deutschen Architekten Nikolaus von der Nonne mit dem Bau beauftragt. Später nach dem Tod von de Boers wurde das Grundstück von der „Kaspischen Gesellschaft“ gekauft und weitere Bauarbeiten durchgeführt. Der Bau wurde erst 1895 abgeschlossen.

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Der Westen Aserbaidschans

Nun möchte ich die Aufmerksamkeit auf die deutschen Bauten im Westen Aserbaidschans lenken. Hier sind an erster Stelle nachgewiesene Spuren in Helenendorf, Gändscha, Annenfeld und Kedabeg zu nennen.

10. Helenendorf (Göygöl)

An erster Stelle fällt auf, dass einige Straßen im heutigen Göygöl schwäbisch aussehen, denn auch nach der Restauration der Altbauten wurde die deutsche Bauarchitektur beibehalten. Das zentrale Gebäude der ehemaligen deutschen Kolonie ist die St. Johanniskirche, die 1857 den Kirchenmitgliedern zur Verfügung gestellt wurde. Nach der Deportierung der Deutschen aus Aserbaidschan im Jahre 1941 diente die Kirche als Lazarett und Sporthalle.

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11. Lutherkirche in Gändscha

Nicht weit von Göygöl liegt die zweitgrößte Stadt Aserbaidschans Gändscha, in der der Einfluss der Deutschen auf die Architektur ebenfalls noch deutlich spürbar ist, obwohl nach der Deportierung der Deutschen 1941 die Nutzung der Gotteshäuser eingestellt wurde. Die Lutherkirche in Gändscha, in der sich heute ein Puppentheater befindet, wurde 1885 erbaut. In den 90er Jahren des 19. Jhd. lebten in Gändscha mehr als 100 Deutsche, die eine Kirche brauchten. Das Gebäude befindet sich konkret an der Straße Ahmad Jamil küçəsi. Sicherlich gibt es in Gändscha noch weitere Bauten, die den Einfluss der Deutschen zeigen; ich beschränke mich in diesem Artikel aber nur auf diese Kirche.

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12. Lutherkirche in Annenfeld

Noch weiter westlich von Gändscha befindet sich die Stadt Şəmkir, die einst als deutsche Kolonie Annenfeld bekannt wurde. Einige Straßen und Häuser sind denen aus Göygöl sehr ähnlich. In diesem Bezirk wurden die Häuser auch durch eine staatliche Initiative renoviert. Unter diesen Gebäuden kann man stolz die Lutherkirche erwähnen, die 1909 erbaut wurde. Nach der Schließung der Kirche im Jahre 1941 diente dieses Gebäude als Kulturzentrum und Geschichtsmuseum.

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13. Kedabeg

Im westlichsten Bezirk Aserbaidschans Kedabeg waren die deutschen Unternehmer, die Gebrüder Werner und Siemens, bei der Bergindustrie beschäftigt. Für eine erfolgreiche Kupferindustrie mussten die Gebrüder Siemens die Transportinfrastruktur meistern. Da sich Kedabeg im Bergland Aserbaidschans befindet, war der Bau von Brücken erforderlich. Insgesamt wurden sieben Siemens-Brücken gebaut. Eine davon trägt heute den Namen „Qanlı Körpü” (Blutige Brücke). Die Brücke wurde so benannt, weil ein Arbeiterzug bei einer Fahrt entgleiste, umgekippte und alle Arbeiter bei diesem Unfall ums Leben kamen.

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Verwendete Literatur und Quellen:

[1] Džafarov, Mamed: Nemcy v Azerbajdžane. — Baku, 1997, Str. 9. Im Internten unter: http://elibrary.bsu.az/yenii/ebookspdf/nemçi_v_azerbaycane.pdf (letzter Zugriff am 14.02.2020).

[2] Gjulistanskij mirnyj dogovor. Mirnyj traktat, zaključennyj meždu Rossiej i Persiej, 12 24 oktjabrja 1813 g. Im Internet unter: http://www.hrono.ru/dokum/1800dok/18131012ru_per.php (letzter Zugriff am 15.02.2020).

[3] Vgl. Aliyev, Elchin: Deutsches Erbe in der Architektur von Aserbaidschan, Baku, 2017, S. 138-139.

[4] Vgl. Gumbatova, Tamara: A. Ėjchler-architektor Kirchi v Baku. Im Internet unter: https://www.proza.ru/2012/08/08/1747 (letzter Zugriff am 15.02.2020).

[5] Vgl. Zejnalova, Sudaba: Nemcy na Kavkaze, Baku, 2009, Str, 74-75, 191. Im Internet: http://elibrary.bsu.az/yenii/ebookspdf/nemçi_na_kafkaza.pdf (letzter Zugriff am 13.02.2020).

[6] Vgl. Achundov F.: Drama doma Gadžinskogo, in Zeitschrift Irs-Heriage, Nr. 5 (47) 2010, Str. 32-35.

[7] Vgl. Aliyev, Elchin: Deutsches Erbe in der Architektur von Aserbaidschan, Baku, 2017, S. 133.

[8] Vgl. Aliyev, Elchin: Deutsches Erbe in der Architektur von Aserbaidschan, Baku, 2017.

[9]Vgl. Aliyev, Elchin: Deutsches Erbe in der Architektur von Aserbaidschan, Baku, 2017.

[10] Vgl. Mustafa, Ilham: Gädäbäjdä "ganlı" alman mirasy. Im Internet: https://sputnik.az/photo/20170824/411551105/gedebeyde-qanli-alman-brendi.html (letzter Zugriff am 15.02.2020).

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Geschrieben von

Asif Masimov

Asif Masimov hat Internationale Beziehungen und Politikwissenschaften studiert. Er bloggt auf masimovasif.net zu historischen und politischen Themen.

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