Das Kampf- und Kraftpaket

Gastkommentar Es wird kein gutes Ende nehmen mit Horst Seehofer

Der Mann ist, wie er klingt, sonor zwar, aber hohl. Auf dem Sonderparteitag der CSU, auf dem er sich zum Vorsitzenden küren ließ, spielte er den 1,98 Meter-Jesus aus Ingolstadt, das Licht der Verheißung in der Finsternis der Niederlage. Und ein wenig auch den Revoluzzer (beide Fäuste auf Höhe der Ohren geballt), denn: "Wir alle haben nicht mehr die Nähe zu den Menschen gehabt." Die Stärke der CSU war stets ihr Größenwahn. Der muss wieder her! Seehofer aber kam in eine Halle, deren bloßer Anblick schon Depressionen auslöste, und trat vor 1.000 Delegierte, die an ihren waidwunden Seelen froren.

Erstmals entschied sich ein Emporkömmling auf den Stuhl des großen Vorsitzenden, seine Antrittsrede nicht als Hohelied auf die Bayerische Heimat zu singen, sondern auf sich selber. Denn Seehofer ist vor allem an Seehofer interessiert.

In den 40 Jahren seiner Karriere, in der er sich als universell verwendbar und praktisch ohne Einarbeitungszeit stets als zuständig erwies, hat Seehofer viel Schönes über Seehofer gesagt (er ist klar, entschlossen, pragmatisch, vor allem ehrlich). Doch selbst in den finstersten Ecken des Internet findet sich kein Satz von ihm, der ihn als politischen Kopf kennzeichnet. Einmal im Leben hat er einen Krach riskiert, da ging es um die "Kopfpauschale". Seither lässt er sich "Rebell" nennen. Ansonsten hat er zu allen Sachthemen, die ihn auf den verschiedenen Posten unversehens tangierten, hurtig die Meinungen gewechselt.

Auf dem Sonderparteitag palaverte er über sich auch schon mal in der dritten Person. "Ein Horst Seehofer" weiß nämlich, wie der Hase läuft, kennt den Betrieb, ist kein Messias, fällt nicht so leicht um. Seine Biografie werde man umschreiben müssen, verkündete er unlängst. Seine Biografie (ist denn schon eine erschienen?) ist ihm nämlich wichtig.

Was habe er nicht alles über sich lesen müssen - denn weil er so wichtig und überdies interessant ist, muss er täglich sehr viel über sich lesen: Ein Chamäleon, einen Egomanen habe man ihn genannt! Dass er sich tagelang mit Tütensuppen und Bananen in sein Berliner Appartement zurückziehe, sei behauptet worden. Alles Quatsch.

Wie er sich selber sieht? Er sieht sich "mit brennendem Herzen" (flache Hand aufs linke Revers), es brennt dafür, "dass wir künftig keine Koalitionsverhandlungen mehr brauchen". Und dass die Bayern wieder billig pendeln können und sie die Erbschaftssteuer nicht mehr drückt. - Diese beiden Punkte sind sein vollständiges politisches Programm. Er sieht sich als "Kraftpaket" und geht dabei gern zum Pluralis Majestatis und zu gewagter Syntax über: "Wir sind ein Kraftpaket als CSU!" Er ist sicher, dass noch mehr in ihm steckt, was raus will: "Was glauben Sie, was man als Mensch alles leisten kann, wenn man es sich zutraut!". Er traut es sich zu, und zwar als Mensch.

Als erstes wird er übers Wasser gehen, Schmerzen lindern und Zwietracht heilen: "Meine Aufgabe ist jetzt, alle Volksstämme zu einen", denn die Stämme in Bayern haben noch immer eine Bedeutung, wie sonst nur in Zentralafrika.

Und wo wird sein Arbeitsplatz sein? "Mein Arbeitsplatz ist München. Aber meine Kampfkraft wird sich auch auf Berlin erstrecken." Kampf und sich erstreckende Kraft, am besten im Paket - das wird der neue bayerische Ministerpräsident.

Allzu sehr muss sich Frau Merkel doch nicht fürchten. Seehofer hat einen politischen Grundsatz, zugleich das Motto seiner Regierung: "Leben und leben lassen".

Na bitte, was will man mehr?

Mathias Wedel, Publizist

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