Gottvater raunt noch mal

"Joschkas" Abgesang Für die Grünen noch intuitiv die Koalitionsfrage geklärt

Renate Künast, wahrscheinlich die einzige bei den Grünen, die man nicht überschätzen kann, ist fertig mit der Regierung. Die Kanäle, durch die sie das weitersagt, heißen SUPER Illu und Christiansen. Es scheint, als ginge sie davon aus, dass Merkel und Müntefering kein Weihnachten mehr gemeinsam erleben.

Spätestens jetzt würden unter normalen Umständen die Klausuren beginnen. Die Grünen würden Kaltgetränke ordern und zögen sich in den Wörlitzer Park unter alte Buchen zurück. Egal, ob er sich herabließe, dabei zu hocken oder nicht - die Zeitungen würden darüber "berichten", was ein gewisser Joseph "Joschka" Fischer denkt. Nein, was er fühlt. Ach, nicht doch: Was in seinem Unbewussten wühlt und wabert! Nämlich der unstillbarer Machttrieb des Alphatiers. Und die kalte Brutalität des abgebrochenen Revoluzzers. Ganz klar, er würde endlich Kanzler werden wollen. Sie würden "wissen", wen er "auf der Liste hat" (was bei Stalin und Fischer Anlass zu Befürchtungen war). Und man könnte beobachten, wer sich an seine Seite schleimt, die Kuhns, die Roths, die Bütikofers. Und natürlich würde man auch wieder vom "heimlichen Vorsitzenden" und von "Gottvater" raunen hören.

Nun ist er aber nicht mehr da, der Alte. Und es herrscht Ruhe bei den Grünen, die einzige Bewegung in der Parteizentrale verursachen die Putzfrauen. Keine Ahnung, wo genau sich Fischer jetzt befindet. Als BILD letztens natürlich mit Bild berichtete, war der Baufortschritt an seiner Berliner Villa schon ziemlich weit fortgeschritten. Der Pool wurde soeben zugeschüttet: Villa und Pool - das ist doch was für mühsam hochgekommene Mittelständler, womöglich mit Abitur! Der Berufsrandalierer, der zuletzt, frühestens aber seit der Erweckung seiner Seele durch Madeleine Albright und unterstützt vom disziplinierenden Regularium des diplomatischen Protokolls, seine besinnlich-abwägende Seite kultivierte, erntet nun die Früchte seiner revolutionären Kleinarbeit. Und die sind nicht etwa ideell.

Ein anderes Foto zeigt ihn in Gegenwart einer seiner Gattinnen und in die Betrachtung eines populären Rasenspiels versunken. Angeblich, hieß es, war er dabei freudig bewegt. Nur dass man Freude seinem zur Missmutsmaske erstarrten Gesicht so wenig ansah wie dem späten Adenauer.

Und schließlich klärte er noch rasch die Koalitionsfrage. Das heißt, er entschied intuitiv, womit sich die Grünen nun, da sie keinen charismatischen Führer mehr haben, zu bescheiden hätten, mit dem Bodenleben des parlamentarischen Betriebs nämlich, mit FDP und CDU womöglich, mit der alltäglichen Rangelei. Es bliebe, beschied er kühl, seinen lieben Parteifreunden nun gar nichts weiter übrig, als in den Dreck zu fassen, vor dem es ihn selbst immer geekelt habe (Westerwelle, igitt!) - "Da bin ich persönlich froh, dass ich nicht mehr dabei bin." Doch da war er schon überm Kofferpacken und hatte höchstens noch einen einzigen eiligen Termin - den Mandatsverzicht im Bellevue beim Köhler, Horst zu unterschreiben.

Wäre anderes denkbar gewesen, hätte er noch einmal ansetzen und gerade jetzt zur Stelle sein können, da es mit Merkel und Müntefering erwartungsgemäß zu Ende geht? Wenn er geblieben wäre - da ist niemand bei den Grünen, der ihm das Leben schwer gemacht hätte. Man hätte ihm die Füße gewaschen, geküsst und gesalbt. Eine andere Frage ist, ob der Ästhet die Gesichter weiter ausgehalten hätte, vor denen ihm graust, seit er sie in ihrer Massierung auf Parteitagen erlebte. Und ob er "den wahnsinnigen Druck", den er im Amte aushalten und den er jetzt dem Spiegel gegenüber beklagte, noch einmal auf sich nehmen wollen würde. Den Druck wegen des Jugoslawienkrieges, des Hungers in Afrika, der Visa-Affäre etwa? Nicht doch - "wenn ich wochenlang in der Zeitung las, was für ein Idiot ich sei". Das kann einen schon fertig machen!

Fischer wäre nicht Joschka und würde womöglich alle Klischees über ihn Lügen strafen, wenn er nicht gerechnet hätte. Wäre er geblieben, hätte er eine Partei zur Machtbeteiligung tragen müssen, die von keiner sozialen Bewegung mehr bewegt, der jegliche Vision, ja jegliche Motivation abhanden gekommen ist. Eine schlafende Partei. Und "so was", beschied er dem Spiegel, "dauert oft länger, als man glaubt". Zu lang für Fischer. Künast, die man nicht überschätzen kann, geht mit keiner Silbe über Fischers Testament hinaus und auch nicht nebenab: Auch mit der CDU könne sie regieren, teilt sie mit. Fischer indes "erlebt den Riesenflughafen London-Heathrow mit all seinen Abgründen".


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