Mach´s noch einmal, Marianne!

Oh Freude Bei der Birthler-Behöde ist endlich die Holzlieferung aus Übersee eingetroffen - Rosenholz

Kürzlich schien es, als müsste man sich sorgen um Marianne Birthler. Die Stasiaktenbehörde wurde ihr zu eng und zu still. Leute, die in ihrer Nähe arbeiten, berichteten von schweren Verstimmungen, Essattacken und derangierter Dienstbekleidung der Chefin. Sie nahm jeden Festvortrag à la "Die Freiheit ist der Güter höchstes" an, der ihr angetragen wurde. Aber es wurden immer weniger. Die Talkshow-Redakteure flohen die eifernde Quotenbremse. Und ihr Apparat arbeitete hochtourig auf der Suche nach einer saftigen Entlarvung. Man war schon so weit, sich irgendeinen DDR-Schlagersänger vorzuknöpfen, wenn´s sein musste einen verstorbenen. Aber nichts!

Je weniger die Behörde zu tun bekam, desto heftiger drehte Birthler am Rad. Ihre Presseunterrichtungen waren gefürchtet ob ihres Demokratie-Errettungs-Pathos´ und der schlagenden Zahlen. Folgte man denen, mussten unter ostdeutschen Dächern noch immer lustige nachrevolutionäre Verfolgungsjagden nach IM im Gange sein. Das "Aufklärungsinteresse" war und ist angeblich so drängend, dass man den Opfern des Stasiterrors und denen, die sich dafür hielten, bis zum ersehnten Bescheid mit Wartefristen drohen musste, die denen für den Trabant irgendwann ähneln würden. Qualitative Aussagen waren spärlich. Wie viele Antragsteller sich lediglich einen Jux mit der Marianne - zweifellos ein ostdeutsches Original - machen wollten, wird man nie erfahren. Immerhin gab es komische Umschreibungen, die ahnen ließen, dass die Aktenverweser langsam selber rochen, wie die Akten zu riechen begannen: abgestanden. Zunehmend, hieß es sinngemäß, stellten Menschen Anträge, die glückhaft erfahren wollten, dass ihnen in ihrer näheren Umgebung niemand geschadet hatte! Marianne als Überbringerin der Botschaft: "Es war doch nicht alles schlecht"?

Damit niemand auf den Gedanken käme, die Subventionen für die Steinkohle und die Millionen für die weitere behördliche Einteilung der Ossis in Gute und Böse in einem Atemzug zu nennen, musste immer wieder Politprominenz der ersten Garnitur bei Birthler antanzen und das Werk preisen, das sie vollbrachte. Trotzdem - irgendwann überlegte man bei der Unterlagenbehörde bereits laut, Regionaldienststellen aufzugeben oder zusammenzulegen. Und das bei diesem großen und solventesten Arbeitgeber in den östlichen Provinzen!

Diese Phase war gekennzeichnet von drei Verzweiflungstaten der einstigen Hausfrau und Mutter. Erstens versuchte sie Gregor Gysi als Ko-Moderator von Lothar Späth im MDR zu stürzen. Gysi sei als freier Mitarbeiter des Senders nicht abermals überprüft worden, wie es im MDR Praxis ist, rüffelte Birthler den Intendanten. Gysi aber hatte bis ans Jahr 2002 heranreichende Überprüfungsergebnisse vorgelegt und der MDR ging - wahrscheinlich zu recht - davon aus, dass er nach diesem Datum nicht für die Stasi tätig gewesen ist. Zweitens bot Frau Birthler den befreiten Irakern an, deren Stasischweine für sie zu finden, zu archivieren und zu zeigen, wie man solche Leute öffentlich zur Minna macht - eine grandiose ABM für Mitglieder der Opferverbände. Womöglich ist die Stasibehörde die einzige Behörde in Deutschland, die ihr Know-How für exportwürdig hält. Und letztens spielte sie sich selbst in einem "Tatort". Das hätte das Ende sein können, denn in der "Lindenstraße" gibt es keine Vakanz.

Aber, oh Freude! Die Holzlieferung aus Übersee ist endlich eingetroffen - Rosenholz! - und in Marianne Birthler schießt das Leben wieder ein! Wie ein selbstverliebter Star der volkstümlichen Musik sein erstes Album, hielt sie neulich eine Rosenholz-CD in die Kameras. Jetzt will sie damit auf Deutschland-Tournee gehen, es wird ein echtes Mariannen-Comeback werden. Wenn es nach ihr ginge, käme eine zweite große Säuberungswelle übers Land. Diesmal aber im Namen der Ost-West-Gerechtigkeit, denn auch im Westen werden noch einstige Spione vermutet. Da ist noch viel Rosenholz vor der Hütte. Sollte Rosenholz allerdings nur spärliches Interesse finden, will Frau Birthler gern auch "in bestimmten Fällen" selbst denunzieren. Gratulation, Marianne - auf dem Rosenholzweg bis zur Rente!

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