Es war einmal eine kleine Partei, die hat alles richtig gemacht. Obwohl eine sehr alte und einstmals sogar mächtige Partei ("Wir sind die stärkste der Partei´n", sang es aus ihr), hat sie plötzlich wieder jung und blitzblank ausgesehen: Sie nahm sich - und das war das Schlaueste, was ihr eingefallen ist - den frechsten Namen der Welt. Oder anders: Sie nahm sich die Frechheit, sich diesen Namen zu nehmen. Sie nannte sich "Die Linke".
Der Name ist schon deshalb toll, weil er nicht kleinzukriegen ist. Er ist der einzige Parteienname in der deutschen Geschichte, der so kurz wie lang ist. Wenn ab jetzt jemand die Worte "Die Linke" in den Mund nahm, weiß man nie genau: Ist jetzt diese kleine blitzblanke Partei gemeint oder quasi die Hälfte (mindestens) der Gesellschaft? Raffiniert!
Mit ihrem Namen hat die kleine Partei, die alles richtig gemacht hat, der Gesellschaft plötzlich wieder zwei Pole gegeben, einen Plus- und einen Minuspol. Wir oder die. Alle, die auf dem Minuspol sitzen, sind das Gegenteil von links, nämlich rechts, da können sie heißen, wie sie wollen. Wer "irgendwie" links ist, musste plötzlich überlegen, ob er damit nicht automatisch zu "Die Linke" gehört und bequemerweise gleich da bleiben sollte.
So erging es auch einer anderen ebenfalls sehr alten, einstmals mächtigen und einstmals linken Partei ("Wann wir schreiten Seit´ an Seit´", sang es dereinst aus ihr). Der blitzblanke neue Name der kleinen Partei, die alles richtig gemacht hat, hat sie in die Bredouille gebracht: Sollte sie sich nicht gleich mit auf den Pluspol setzen oder weiter furchtbar zwischen plus und minus vegetieren? Wäre die SPD vor einem Jahr der "Linken" beigetreten, sie hätte sich viel Leid erspart. Und es gäbe sie heute noch.
Die Funktionäre der kleinen blitzblanken Partei, die alles richtig gemacht hat, (und sie hat verdammt viele Funktionäre!) werden sagen: Na so was! Wir haben uns doch nicht nur einen neuen Namen gegeben, sondern noch viele andere Sachen richtig gemacht. Das stimmt vielleicht. Aber wichtig war das nicht. Der neue Name war die Einladung, die Umarmung, die Nötigung an alle: In "Die Linke" oder für "Die Linke" kann sein, wer in netter Seniorenrunde Kuchen essen und Weichnachtsgestecke basteln will oder Molotowcoctails, wer für Ordnung sorgen oder wer Chaos säen will, wer den Staat stützen oder wer ihn stürzen will, wer rasch reich werden oder wer die Reichen erschießen oder wenigstens bluten lassen will, wer die Armen speisen und im "Ehrenamt" idyllisch beschäftigen will oder wer sie aufhetzen will, wer Kinder in die Krippe geben will oder wer sie auf jeden Fall zu Hause lassen will, wer Steuern bezahlen will oder wer dem Schweinesystem gar nichts bezahlen will, wer die Eigentumsfrage nicht stellt und wer die Eigentumsfrage scharf stellt, wer sich prinzipiell eine Fahrkarte kauft oder wer prinzipiell schwarz fährt, wer deutsch fühlt oder wer bei "deutsch" kotzen muss, wer Frau Merkel wegen ihrer klugen Menschenrechtspolitik schätzt oder wem sie nur ein Unfall der Geschichte bzw. der Biologie ist, für wen die Mauer die Mauer war und für wen die Mauer der Antifaschistische Schutzwall war, wer aus dem Prager Frühling kommt oder wer aus den Kampfgruppen der Arbeiterklasse kommt, wer Ossi ist oder wer Wessi ist. Usw. usf. Nur für Krieg sein, das kann man in "Die Linke" nicht.
Mit diesem "Programm" wurde die kleine, blitzblanke Partei, die alles richtig gemacht hat, die mächtigste Partei der Republik. Sie zwingt die Kanzlerin, ihre Tage zu verdämmern. Sie könnte Beck jederzeit fallen lassen. Über kurz oder lang führt sie den Mindestlohn ein und legt das Renteneintrittsalter neu fest. Sie stellt die richtigen Fragen und freut sich über hilflose Antworten. Sie zwingt viele Leute auf den Pluspol, die sich dort sehenden Auges den Arsch verbrennen, zum Beispiel Westerwelle. Sie könnte Bisky zum Bundespräsidenten machen. Will der aber nicht.
So könnte es weitergehen. Wird es aber nicht. Die sehr alte, blitzblanke Partei mit dem frechen Namen wird wohl einen frühen Kindstod sterben. Warum strömen ihr die Massen nicht zu? Warum tragen sie nicht jubelnd ihre Funktionäre durch die Straßen? Warum feiert diese Partei nicht? Warum ist es nicht chic, warum ist man nicht stolz, in "Der Linken" zu sein? Warum verschlingen nicht Millionen morgens das ND? Warum verliert man in "Der Linken" seine Jugend? Warum ist man in "Der Linken" verloren? Die Antwort lautet: Eine Linke, die keine Vision hat, hat auch keine Hoffnung. Schon gar keinen Glauben. Vielleicht ist sie nicht einmal links. Diese Linke kann sich nicht einmal selber sagen, wie die Gesellschaft aussieht, die sie will und für die zu streiten es sich lohnt. Vielleicht will sie gar keine andere.
"Die Linke" mag sich selbst nicht leiden. Eines Morgens kommt man in den Keller, um zu gucken, ob noch Bier da ist - und da hängt sie, denn sie hat sich aufgehängt. Wie konnte sie nur, wird man dann sagen. Sie hat doch alles richtig gemacht. Tja, wäre sie vor einem Jahr der SPD beigetreten, wäre ihr dieser Tod erspart geblieben. Und es gäbe sie heute noch.
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