Umverteilen - FAIR teilen - ERNTEDANK

UmFAIRteilen 29.9.12 Wie ehrlich ist das "fair" bei UM-FAIR-TEILEN wirklich? Der Text erschien zunächst bei www.oberhof.blog.de

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It's complicated.
Am Samstag haben Aktionen in 40 Städten der Bundesrepublik stattgefunden zum Thema:
"Reichtum besteuern - Um FAIRteilen". Insgesamt 40.000 Menschen waren daran beteiligt. (u.a. Berlin 5.000, Köln und Bochum 7.000, Hamburg 4.000, Frankfurt 5.000)Bundesweit über 300 Initiativen und Verbände haben den Aktionstag unterstützt. Darunter - wie die Presse formulierte- "alle Oppositionsparteien".
Zweifelsohne sind bei diesen Sozialprotesten neue Bündnispartner auf die politische Bühne getreten, allen voran der Paritätischer Wohlfahrtsverband mit seinem rührigen Chef Ulrich Schneider, der keine Talkshow auslässt um auf die Dramatik der immer weiter auseinander klaffenden Schere von arm und reich hinzuweisen.
Die Bündnisse in den Orten waren sehr unterschiedlich breit.
Und wie immer muss mensch den Protestierenden Mut machen: es war gut, was ihr gemacht, es war Mut, dass Ihr auf die Strasse gegangen seid.
Häme und Besserwisserei sind Gift beim langen Marsch zu mehr Solidarität, Gerechtigkeit, Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Dennoch bleiben Zweifel bei mir.
Vor allem, ob das Motto der Veranstaltung nicht FAHRLÄSSIG ein großes Missverständnis hervor rief.
Es wurde das VER-TEILEN als FAIR-teilen geschrieben. Aber hat - so meine Vermutung - bei den Teilnehmern nicht dasselbe mobilisiert.
Es ging um Verteilung von oben nach unten.
Die Oben sollen uns unten was abgeben.
Da ist ja kaum umstritten,
  • auch wenn bei auf dem Nachrichtendienst TWITTER nicht wenige den Sprachwitz re-tweeteten: UmFAIRteilen= unfairteilen. Es waren sicher nicht die Vorstandschefs der Dax-Konzerne, die das in ihre Tastatur hackten. Eher liegt die Vermutung nahe, dass Freelancer und Start-up-Unternehmer, Entrepreniuers sich getroffen fühlten und glaubten, es geht um ihre teure Uhr, um das bißchen Reichtum, von dem sie träumen, den Porsche oder die Hütte in Österreich. Dennoch machte mich schon dies nachdenklich.
Dabei hat die Forderung nach Reichensteuer eine erstaunlich hohe gesellschaftliche Akzeptanz: 54%aller Führungskräfte deutscher Dax-Unternehmen befürworten die Reichensteuer, und so war es auch nicht überraschend, dass auf der Berliner Kundgebung eine Vertreter der "Vermögenden für Vermögensabgabe" spricht.
Auffällig in den Zeitungsartikeln wie den twitter- und Facebook-Kommentaren die Enttäuschung. Über die Anzahl und die Atmosphäre: bei den Occupy-Protestanten vor einem Jahr, hinter denen nicht finanzstarke Gewerkschaften und Parteien standen, waren es deutlich mehr, war es kreativer, war es zukunftszugewandter.
Diesmal gab es "Blöcke", Lautsprecherwagen von denen die Parteienvertreter, die es nicht auf die offizielle Rednertribüne geschafft hatten, verkündeten, "warum allein ihre Partei...", es gab einen Wettstreit zwischen den roten und grünen Luftballons der LINKEN und der GRÜNEN, es gab sehr viel parteiegoistischen Hickhack.
Während sich IN Hamburg SPD und Grüne provoziert fühlten durch den von den Linken nominierten Promi der griechischen Linkspartei Alexis Tsipras, beschwerte sich in Hannover der Sozialverband Deutschlands (SoVD) über wohl primitive Slapsticks der LINKSPARTEI-Kreisvorsitzenden und anderer gegen die mitveranstaltende SPD und die Grünen.
Von FAIR TEILEN also kaum eine Spur.
Überhaupt fiel ins Auge, dass sowohl im Vorfeld, als auch auf den Kundgebungen nicht wenige der teilnehmenden Organisationen das Motto als falsch bzw. zu kurzfristig kritisierten.
Nicht umfaier-teilen, sondern Kapitalismus FAIR-senken, oder
"Kein Ende der Krise ohne Revolution".
Diese Kritik beschränkte sich aber nicht auf einschlägig bekannte ultralinke Gruppen. Laut Frankfurter Rundschau kritisierten die Linksjugend Offenbach:
Ohne Abschaffung des Kapitalismus, keine Beseitigung der Armut.
Auch die Zeitschrift ANALYSE UND KRITIK kritisiert das Bündnis als zu wenig weitgehend, "weil es die Forderung nach Abschaffung der Schuldenbremse" nicht beinhalte.
Der Chef der niedersächsischen Rosa-Luxemburg-Stiftung vermerkt auf facebook, dass eine offizielle Teilnahme der Grünen unerwünscht sei, da sie ja erst die ganze Entwicklung mit eingerührt habe. Auch auf der langen Reihe der Infostände am Berliner Neptunbrunnen höre ich, wie die Aktivisten von SPD und Grünen beschimpft werden, sie hätten hier nix zu suchen.
Also nicht teilen, sondern ausgrenzen, nicht fair sondern aggressiv, das ist die Stimmung an diesem Tag- sofern sie nicht von Teilnehmern als lahmarschig" (so der Ex-Linke und heutige Polit-Satiriker der PARTEI und Fotokünstler Frank Kopperschläger es ausdrückt.
Deshalb ist es auch folgerichtig, dass keinerlei Bezug zu schon jahrelang existierenden Gruppen mit dem Wort FAIR im Namen hergestellt wurden: Keine fairer Kaffeverkauf, keine fairen Kleidungsstücke ohne Kinderarbeit und Giftbelastung der Hersteller_Innen.
Das Teilen zwischen Nord und Süd, das steht nirgends zur Debatte.
Das FAIR-TEILEN, so stellte es sich mir dar, ist ein Plagiat einer anderen Bewegung, einer die von jeder und jedem erwartet, auch etwas abzugeben.
Heute soll vor allem VON ANDEREN abgegeben werden. Man will selbst erhalten.
Dabei sind die Teilnehmer erkennbar eben nicht nur verarmte, deklassierte aus dem Lumpenproletariats, das heute ein wenig vornehmer Prekariat genannt wird. Es haben sich durchaus versprengte Mittelschichtler eingefunden, nicht nur die hoch bezahlten Gewerkschafts- und Verbands-Funktionäre oder Bundestagsabgeordneten, die teilen können und viele ja auch wollen, auch andere. Wollen und können.
Aber davon ist heute nicht die Rede. Nicht von Teilen im Sinne von Fahrgemeinschaften, nicht von Teilen im Sinne von Tauschringen und Werkzeug-Sharing. Ärgerlich auch, dass ich auf der Seite der Berliner Piraten lese, der Antrag an den Landesvorstand diese Demo zu unterstützen sei abgelehnt worden, weil zu wenig über ihre Ziele bekannt sei. Die Piraten glänzten tatsächlich durch Abwesenheit, dabei hätten sie dem Thema TEILEN durchaus eigene Gedanken zum file-sharing und anderen Formen alternativen Wirtschaftens beitragen können.
Auf dem Nachhauseweg lese ich die Einladung der örtlichen Gemeinde zum Erntedankfest am Sonntag: Früchte des Feldes und des Gartens zur Kirche zu bringen und fahre gleicvh noch vorbei: ein Salat, zwei Rote Beete und zwei wuchtige Kohlköpfe teilen wir aus unserem üppigen Hochbeeten, stellen sie dem reich verzierten Altar zur Verfügung und freuen uns, dass das Ganze dann am Montag in die Armen-Speisung der Tafel der Pankower Franziskaner verarbeitet wird.
Am Sonntag feiern wir in der überraschend gefüllten Kirche das Ernte-Dank-Fest. Wir zelebrieren das DANKE sagen. Singen und hören von all den vielen Gelegenheiten dafür: Das Essen, das so üppig vor uns liegt. Die herrliche Natur, an der es hier rund um die Wandlitzer Seen wahrlich nicht mangelt, der Gesundheit, auch der Freundlichkeit, wo wir ihr begegnen. Wir besinnen uns der Armut und Ungerechtigkeit, wir hören die Geschichte vom reichen Kornbauern(Heute würden wir sagen:Investmentbanker), der Jesus fragt, was er machen soll, um seine immer mehr anwachsenden Schätze zu sammeln. und hören den Satz, der auch die Losung des letzten Kirchentages in Dresden war: Denn wo Euer Schatz ist, da wird Euer Herz sein.
Und da denke ich, wer fair teilen will, der muss sich dem wahren Reichtum stellen. Dem Farben- Arten und Klang-Reichtum der Natur, dem Reichtum an Begabungen an Empathie und an Kreativität, der in uns allen steckt, wenn auch oft verschüttet.
Nein, es geht nicht darum : ENTWEDER-ODER; es geht darum sowohl als auch.
Wir alle müssen und können teilen: Unsere Kinder auf dem Pausenhof, dass Pausenbrot, wir unser Auto beim Weg ins Büro, unserer Kompetenzen bei Nachbarschafts- oder Familienhilfe.
Wir müssen mit der Natur teilen, uns bei fossilen Rohstoffen bescheiden und bewusster das heisst sparsamer mit den nichterneuerbaren Energien umgehen. Jeder auch der Hartz IV-Empfänger. Die Lehrerin alle Mal, der Parlamentsangestellte, die Journalistin, auch der Student, egal, ob Bafög oder Papa-sponsered.
Gegenüber dem Süden allemal.
Kann sein, dass eine Veranstaltung zur Reichensteuer damit überfordert wäre. Aber dann soll nicht von FAIR TEILEN geredet werden.
Und vor allem: Ein Bündnis, dass vor allem sich abgrenzt vom anderen, ist nicht besonders motivierend.
Auf den Kundgebungen und der anschliessenden Debatte in den social media wurde viel ab- und ausgrenzt. Der Vorrat an subjektiven Gemeinsamkeiten, lässt ein faires Teilen wohl noch nicht zu.
Wie anders soll mensch verstehen, wenn auf die Kritik von Sozialdemokraten an dem sektenhaften SPD-Bashing von LINKEN in Hannover, die stellvertretende LINKEN-Vorsitzende Caren Lay auf facebook antwortet: "Wie gut dass die SPD im Wahlkampf gerade alles richtig macht..."
Um so mehr freute ich mich heute, als die Pfarrerin zu Beginn des Abendmahls,eine grosse türkisch Pitta in die Hand nahm und TEILTE: Für jeden war etwas dabei.
Und: Die ganze Stunden dieses Sonntagmorgens war die Rede vom Senfkorn: Das wohl kleinste Samenkorn, das unbekannte Größen erreichen kann. In Palästinas wird der Senfbusch bin zu 6 m hoch. Würde die Eichel im selben Verhältnis wachsen, käme eine 160 m hohe Eiche heraus.
Die Hoffnung ins Senfkorn. Aus kleinsten Anfängen ganz großes werden zu lassen.
Das, ja auch das denke ich am heutigen Erntedank-Sonntag, wünsche ich mir von der kleinen, verzettelten und in Blöcke, Parteien und Fraktionen vereinzelten Bewegung für mehr Gerechtigkeit und Solidarität.
Was untrennbare Vorraussetzung dafür ist für mich:
Dass wir es beginnen zu lernen: FAIR ZU TEILEN.
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

MathisOberhof

Autor des Buches : REFUGEES WELCOME - Geschichte einer gelungenen Integration - So können Sie Flüchtlingen helfen - Ein Mutmachbuch", verh., 3 Söhne,

MathisOberhof

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