René Descartes und die Methode des Denkens

Methodisch denken und zweifeln Ein kurzer Einblick in die Debatte zur Moral und die Selbstverwirklichung der wissenschaftlich-philosophischen Avantgarde im 17. Jahrhundert.

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Ich finde ein neues Wort auf Französisch: „vraisemblable", das bedeutet „glaublich“ auf deutsch, so übersetzt es das Onlinewörterbuch. Ich kenne die Wörter ‚vrai’ und ‚semble‘ als ‚wahr‘ und ‚anscheinend‘.René Descartes findet die Dinge am liebsten „glaublich“. Andere findet er nicht so wahrhaftig, die mag er nicht und hält sich davon fern. Die gibt es dann auch einfach nicht. Wahre Dinge kann man anfassen und ergründen. Unwahres eben nicht. Das ist nicht glaublich und damit auch nicht wahr. Wenn man seiner Schrift ein Stück folgt, dann versteht man das.

„Ich denke, also bin ich“, das stammt aus dem gleichen Werk, in dem ich mein neues Lieblingswort, „vraisemble“ finde: „Methodik des Denkens“, von René Descartes. Ich will den originalen Titel, der etwas länger ist und zwar: „Le Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences parut, mal etwas näher am Wort übersetzen und zwar mit: „Abhandlung über die Methode, seine Vernunft gut zu gebrauchen und die Wahrheit überall in den Wissenschaften zu suchen.

So versteht man eigentlich schon recht gut, was Descartes eigentlich beabsichtigt. Nämlich, dass wir uns durch Methodik und strukturiertes Denken die Welt auf eine erfüllende Weise erschließen können. Er kündigt diese Absicht nicht nur in seiner Schrift an, sondern gibt eben auch Tipps und Hinweise dazu, wie man sich so etwas wie Wahrheit am besten erschließt. Das 1637 erschienene Werk beschreibt, dass ein Mathematiker und Philosoph, sucht und findet, wie man im Leben richtig fährt. Mit Verstand nämlich. Und warum es überhaupt zur Erkenntnis kommt und dass zu Erkenntnis gelangen Wahrheit finden bedeutet. Hochphilosophisch.

René Descartes gilt als Hürde für Jedermann, in die Wissenschaften einzutauchen. Er gilt als Urvater für den Rationalismus und Mitbegründer der Aufklärung. Ein Übergang vom Mittelalter in die Moderne. Den fährt er uns heute, könnte man sagen. Seine philosophischen Schriften beziehen sich auf Mathematik, Physik, Medizin und Recht. René Descartes stammt aus adeligem Hause und erzählt gar, dass er schon seit dem Kindesalter wissenschaftliches Arbeiten lernt. Er verschreibt sich, stets noch tiefer und gründlicher in die Wissenschaft vorzudringen, um die Wahrheit eben am akkuratesten zu kennen, sieht das als Lebensinhalt und will seine Errungenschaften auf diesem Gebiet natürlich veröffentlichen.

Methode nach Lehren

Für das Eintauchen in die Wissenschaft und das Finden der Wahrheit will uns René Descartes in seinem bekanntesten Werk, das ich also auch einmal gelesen habe, eine Anleitung präsentieren. Damit wir dort, auf dem Weg der Suche nach Erkenntnis, nicht verloren gehen. Wie aufmerksam von ihm. Zweifelsfrei.

Er benennt vier Lehren, die man als eine erste Beschreibung dieser heißen Methode lesen kann, auf die man einfach schwören könne, mit der er und wir noch jede Wahrheit zweifelsfrei entdecken können:

Erstens: Nichts soll man annehmen, woran man Zweifel hegen könnte. Denn gibt es Zweifel, ist es nicht die Wahrheit.

Die zweite Lehre: Jede Schwierigkeit, so schreibt er, müsse man in Teilstrecken bewältigen, die man auch gemütlich schaffen kann. Das gibt dann auch unterschiedliche Schwierigkeitsgrade, er weist darauf hin, dass jedes Problem eben gut gelöst werden muss. Und jeder Wahrheit gehen außerdem Probleme voraus. Man kann sich dann als Wissenschaftler an den Problemlösungsetappen entlanghangeln. Sagt man das nicht? Auf jede Antwort folgt eine Frage. Ich finde irgendwie passt das zu Descartes.

Dann gibt es eine dritte Lehre, nach der die Gedanken stets geordnet sein sollten. Hier finden wir auch wieder ein Wort aus dem Titel: „conduire“, das heißt ja übersetzt „fahren“. Ein guter Weg sei es stets, sich von leicht nach schwer durchzuarbeiten. So zu Fahren jedenfalls fände er logisch.

Zum Schluss soll ich doch immer, okay, hin und wieder, aber dafür überall, aufzählen dürfen, was ich habe, damit ich mir auch selbst bestätigen kann, dass ich nichts vergessen habe. Denn Vergesslichkeit schmähe die Wahrheit zutiefst. Das kann ich ja auch wieder nur bestätigen.

Moral nach Methode

Neben solchen Grundlegend logischen Gedankenstrukturhilfen gibt es dann bei Descartes auch abgefahrene Leitlinien, die sich aus Medizin, Physik und Theologie zusammensetzen. Zum Beispiel wäre da die „chaotische Seele“, die an den Körpern und Dingen dieser Welt angebracht ist und sich auf eine gewisse Weise verhält. Und dass ein denkendes Wesen diese Seele erkennt, das kann übrigens nach metaphysischen Gesetzen - die erläutert Descartes dann auch ausführlich - als Erkenntnis verstanden werden. Da passiert dann sozusagen diese Wahrheit für die sich so ein Descartes interessiert. Die Seele, „elle doit expressément être créée, sie muss expressiv kreiert sein, ansprechend könnte man meinen, denn sonst interessierten sich Gedanken auch nicht dafür.

Diese Erkenntnis oder auch Erfahrung des Verstehens, das nennt Descartes übrigens auch „Gott“. Er meint die metaphysische Erfahrung von Wahrheit. Eine erklärbare Erkenntnis also, nichts übernatürliches, wie wir es in der Bibel finden, mit Auferstehung und so weiter. Und doch spielt „Gott“ bei ihm eine wichtige Rolle. Immerhin ist das, Gott also, diese Erkenntnis, die eine Sache für ihn zur Wahrheit werden lässt. Moral gibt es bei Ihm auch. Die kennt er allerdings eben nicht als christliche Moral, sondern als von „der Methode Abgeleitete“. Er ersucht also eine Moral aufzustellen, die logisch, rechtlich und metaphysisch ist. Seine Moral leitet sich vom Menschen ab. Das versucht er eindringlich darzustellen, indem er auch über das menschliche Herz, die Lunge und die Blutlaufbahnen schreibt und philosophische Erkenntnis damit in Verbindung setzt.

Damit können wir den Herrn Descartes übrigens fast schon als lutherischen Reformisten bezeichnen. Ein französischer Reformer in puncto Schrift und Kultur, der die Kirche in Frage stellt und seine ganz eigenen Erklärungen für die Zusammenhänge der Dinge findet. Göttlich soll es aber dann doch bleiben. Immerhin suchen wir danach, nach göttlichen Dingen, auch wenn Descartes das natürlich zu verschleiern weiß hinter Logik und Rationalität nämlich.

Wir hangeln uns also an Schwierigkeitsgeraden entlang, erobern Probleme und Aufgaben in Teiletappen, nehmen auch nur die Wahrheit an und zählen überall auf, was wir schon erreicht haben auf unserer Reise auf der Suche nach der Wahrheit oder auch ganz allgemein, wie es uns gefällt. So hegen wir dann keine Zweifel, bitte. Und nicht vergessen: Wer nicht fragt, bleibt dumm. Gewiss, Dankeschön für Ihren Anstoß, René Descartes.

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