Experten für Flutwellen sind seit einigen Monaten Untermieter der brandenburgischen CDU. Finanziell abgebrannt hat die Partei einen Teil ihrer Landesgeschäftsstelle für jene Wissenschaftler geräumt, die das Tsunami-Frühwarnsystem für den Indischen Ozean entwickeln sollen. Die pompöse Residenz gegenüber der Staatskanzlei, langfristig angemietet, ist zu teuer geworden, weil die Partei nur noch rund 20 Prozent der Wählerstimmen für sich mobilisiert und entsprechend geringere Kostenerstattungen erhält. Vor sieben Jahren sah das noch anders aus. Parteichef Jörg Schönbohm wollte mit der prachtvollen Herberge demonstrieren: Seht, nur noch einen letzten Sprung, dann verdränge ich Manfred Stolpe.
Dass nun jenes Geld, das für den Schutz vor Naturkatastrophen in Asien reserviert war, teilweise zur Sanierung der CDU-Parteifinanzen eingesetzt wird, soll uns allen recht sein. So wird das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Ob das zu beanstanden ist, müsste der Rechnungshof entscheiden. Denn, wie Brecht schon wusste, ein Haifisch ist kein Haifisch, wenn man´s nicht beweisen kann.
Die märkischen Konservativen haben allerdings noch ganz andere Sorgen mit dem Geld, bei dem bekanntlich die Freundschaft aufhört. Es sollen nur ein paar Tausend Euro gewesen sein, die Landes-Generalsekretär Sven Petke seinem Ex-Freund David Schoenland schuldete. Als dann das gute Verhältnis sich verdüsterte, verlor der Software-Spezialist die Geduld und schaltete, weil das Geld nicht kam, kurzerhand den von ihm betreuten CDU-Internet-Auftritt ab. Was dann folgte, war für die Christdemokraten Tsunami und Katrina in einem: die "Spionageaffäre".
Schoenland ging an die Öffentlichkeit und übergab der Staatsanwaltschaft Datenträger. Sein Vorwurf: Petke habe via Landesgeschäftsführer Rico Nelte Einblicke in jene E-Mail-Briefe genommen oder mindestens nehmen können, die an andere Vorstandsmitglieder gegangen sind. Erbost reagierten einige der Betroffenen, darunter Minister der Landesregierung. Sie hätten von dieser Möglichkeit und Praxis nichts gewusst.
Obwohl Petke, der passend zu seinem Verhalten auch noch Vorsitzender des Rechtsausschusses im Potsdamer Landtag ist, nach und nach Fehler einräumen musste und die Mehrheit der CDU-Landtagsfraktion ihm das Vertrauen entzog, ist Rückzug seine Sache nicht. Schon deshalb nicht, weil die Ausspionierten seine Gegner im innerparteilichen Machtkampf sind und er sich auf manche Früchte seiner Personalpolitik verlassen kann. Etwa auf Ex-Justizministerin Barbara Richstein, die vehement für den dubiosen Generalsekretär streitet und gegen ihre Amtsnachfolgerin Beate Blechinger Position bezieht. Sie fühle sich nicht ausspioniert, bekundet die Juristin Richstein. Andere dagegen glauben Petkes lange Hand zu spüren, wie sein Gläubiger Schoenlein, der von massiven Drohungen spricht und sich in Potsdam nach einem Kreislaufzusammenbruch nur noch mit Personenschützern auf die Straße wagt.
So kämpft ein parteipolitisches Netzwerk um seinen 38-jährigen Stifter, um seinen alleinigen Dreh- und Angelpunkt. Im geschäftsführenden Landesvorstand hat das "System Petke" bereits die Mehrheit und verhindert Konsequenzen. Nun wäre Petke nicht der erste Generalsekretär der Weltgeschichte, der Fäden gezogen und in den Gliederungen unbemerkt Schritt für Schritt "seine" Leute in Stellung gebracht hätte. Mit ihm vollzieht sich der Ansturm der "Pampers" auf die politische Landesbühne. Hinter Petke steht ein Klub, der Genusssucht, Herzenskälte und - was die eigene Person betrifft - Wehleidigkeit auf das trefflichste vereint. Der ehemalige Verfassungsschützer Petke war zeit seines Berufslebens Beamter, vom Studium an räkelte er sich in den Kissen der zugesagten Rundumabsicherung auf Lebenszeit. Nie hat der Ehemann der CDU-Bundestagsabgeordneten Katherina Reiche die Probleme des normalen Brandenburgers geteilt. Das garantierte Rückkehrrecht auf hohem Beamtenniveau ließ ihn das politische Geschäft risikoreich betreiben. Das Schlimmste, was ihm bevorstehen könnte, ist die Rückkehr auf einen gut bezahlten Posten in der Verfassungsschutzbehörde.
Als er vor einigen Monaten nach der ersten Zeile der deutschen Nationalhymne gefragt wurde, antwortete Petke ohne zu zögern: "Deutschland, Deutschland über alles". Aber ein Deutschnationaler will er nicht sein. Sein fesch-radikales Bürstenhaar hat er länger wachsen lassen. Petke will neuerdings etwas "weicher" wirken, weil sein bisher gepflegter, beinharter Law-And-Order-Stil auf die Mehrheit jener nicht gerade anziehend wirkt, die in Brandenburg noch zur Wahl gehen. Zufällig an jenem Tag, als die Spionage-Vorwürfe zum ersten Mal ausgesprochen wurden, sagte es der CDU-Politiker Rainer Eppelmann in einer Zeitung: "Er will Karriere machen. Etwas anderes will er nicht".
Karriere allerdings setzt ein bisschen Konzilianz voraus. Petke dagegen hat früh, wahrscheinlich zu früh, polarisiert. Er war mehrfach in Beleidigungs- und Verleumdungsaffären verwickelt, er spaltet, er hasst und wird wieder gehasst. Nach seinem im Wahlkreis erzielten Ergebnis wird er "Mister elf Prozent" genannt. Eindeutiger kann der Wähler kaum noch sagen, dass er dieser Person zutiefst misstraut, doch reziprok dazu verlief Petkes Aufstieg in der Partei.
Dass mit dem Führungsaggregat Schönbohm/Petke die Brandenburger CDU in Wahlen kaum noch 20 Prozent erreicht, dürfte allerdings auf Dauer seine Wirkung nicht verfehlen. Schönbohm selbst hat mit seinen Proletarisierungs-Vorwürfen die Ossis gegen sich aufgebracht und der Bundes-CDU 2005 um ein Haar den Sieg gekostet. Drei Minister, die er den Brandenburgern servierte, sind unter befremdlichen Umständen gegangen. Sein Streit mit Nazi-Opfern in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen zementierte seinen schlechten Ruf.
Was sich gegenwärtig in Potsdam abspielt, ist auch die verspätete Abrechnung mit einer zutiefst erfolglosen Politik. Seit die CDU in Brandenburg mitregiert, seit 1999 also, sinkt das Bruttosozialprodukt, sinken die Wirtschaftskraft und die Zahl der Menschen, sinken die sozialen Leistungen des Staates, verringern sich die Steuereinnahmen auf den Stand von 1997. Nur Petkes "Netzwerker" kümmert das alles nicht. Sie wissen, dass sie daran nichts ändern können und konzentrieren sich auf das Wesentliche, und das sind sie selbst. Mag sein, dass man Petke jetzt zurückstößt, mag sein, dass er auch Schönbohm mit sich reißt, aber eine Art Petke wird wiederkommen. In allen Parteien hebeln heute Netzwerker mit guten Beziehungen zu Medien die innerparteiliche Demokratie aus. Bei ihnen sind keine Grundsätze gefragt, sondern Elastizität, Anpassungsbereitschaft und Schlagkraft im rechten Augenblick. Sie haben den gehemmten Alten etwas voraus, sie sind "cool". Sie duzen sich rasch und rammen sich gegenseitig Messer in den Rücken.
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