Große Koalition in Potsdam

Brandenburg Im Geiste Regine Hildebrandts wagen SPD und Linkspartei den Schritt hin zu einem rot-roten Bündnis. Der Koalitionsvertrag ist ausgehandelt, das Regieren kann beginnen

Brandenburgs Landeshauptstadt Potsdam gab sich nach der Wende gern als preußisch-deutsche Puppenstube. Seit einigen Tagen ist sie nun Schauplatz eines Aufsehen erregenden rot-roten Politikversuchs. Für Ministerpräsident Matthias Platzeck steht ein bemerkenswerter Politikwechsel bevor – für seinen Partner, die brandenburgische Linke, lassen sich die Früchte einer 20jährigen beharrlichen politischen Arbeit – auch an sich selbst – ernten.

Die Koalitionäre haben ihre Koalitionsverhandlungen schneller als gedacht abgeschlossen. Weil schon am 6. November der Ministerpräsident gewählt werden soll, gab es ein atemberaubendes Tempo. Das hatte fast etwas Überrumpelndes, gleichsam Putschartiges für alle. Viel Besinnung kam nicht auf. Doch von ungefähr kam das nicht, denn Matthias Platzeck beschreitet Neuland auf einem Weg, den ihm nicht allzu viele zugetraut hatten und der auch mit Blick auf die vergangenen acht Jahre keineswegs absehbar war. Zu diesem Geschwindmarsch durch Sitzungen, Beratungen und Verhandlungen ist mit Platzeck immerhin ein SPD-Politiker angetreten, der vor zehn Jahren Regine Hildebrandt ausbremste, als die damals schon den Bund mit der PDS wollte. Noch unter Manfred Stolpe wurde dann die CDU ins Regierungsboot geholt. „Unsere Regine“ zog sich verbittert aus der Politik zurück. Nun ist Platzeck der Mann, der diesen Weg selbst beschreitet.

Die Geschwindigkeit, mit der SPD und Linkspartei sich verständigten, ist beiden durchaus dienlich, denn Gegner dieses Projektes gibt es nicht nur in den Medien und in der CDU. Die aber besaßen nicht genügend Zeit, sich zu sammeln und zu formieren. Noch am leichtesten zu verschmerzen ist das billige Nachkarten der verschmähten CDU, wenn etwa Fraktionschefin Saskia Funck davon spricht, dass nun „mehr Willkür“ in der Landespolitik ausbrechen werde und sie von einem „Angriff auf die kleinen und mittleren Unternehmen“ orakelt. Die CDU hat zweimal in Folge die 20 Prozent-Marke bei einer Brandenburg-Wahl nicht erreicht. Innerparteiliche Konflikte sind mehr unter den Teppich gekehrt als gelöst. Befürchtungen, die rot-rote Regierung käme unter eine Art Jamaika-Beschuss – denn CDU, FDP und Grüne bilden die Opposition – sind übertrieben. Was CDU und FDP auf Landesebene vorbringen können, wird eine Linksregierung in Potsdam mit dem Verweis auf die schwarz-gelbe Bundesregierung nebenan locker kontern.


Die rot-rote Mehrheit verzeichnet zwölf Mandate mehr als die gebündelte Opposition – mit anderen Worten, Brandenburg bekommt eine Regierung der „großen Koalition“. 60 Prozent der Wähler stehen hinter ihr. Darauf verweist Platzeck auch in einem Brief an die SPD-Mitgliedschaft, mit dem er um Zustimmung für seinen Kurs wirbt. Dass ihm auch Ablehnung entgegen schlägt, war zu erwarten. Es auf seine Entscheidung für die Linke zurückzuführen, eine optische Täuschung. Hätte sich Platzeck erneut für die CDU ausgesprochen, wäre es kaum anders gewesen. Im überschaubaren sozialdemokratischen Landesverband sind – geschätzt - ein Drittel für Rot-Rot, ein Drittel indifferent und das verbleibende Dritte dagegen. Es liefe so oder so auf eine Zerreißprobe hinaus. Platzeck gesteht dem Partner in besagtem Brief zu: „Vom undemokratischen und diktatorischen Erbe der SED haben sich fast alle wesentlichen Vertreter der Brandenburger Linkspartei seither distanziert. Etliche von ihnen haben wirkliche Lernprozesse durchlaufen." Tatsächlich ist seit 1990 sehr viel Wasser die Havel heruntergeflossen, auch die Linken haben sich passfähig gemacht. In ihrem Wahlprogramm findet sich praktisch kein Punkt mehr, der nicht – zumindest prinzipiell – auch von der SPD vertreten werden könnte.

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