Hass statt Versöhnung

Brandenburg Weder die einstige rot-rote Regierung in Schwerin, noch die in Berlin sahen sich solchen Angriffen ausgesetzt wie jetzt Platzecks neues Kabinett in Potsdam

Während der Vereidigung des neuen brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck lief der CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski durch den Plenarsaal. Höflich war er nicht und sein Verhalten ein Affront, den es in Brandenburg bislang noch nicht gegeben hat. Dombrowski trug eine schwarze Häftlingsjacke mit gelben Streifen darauf und wollte so an seine Zeit im Untersuchungsgefängnis der DDR-Staatssicherheit aufmerksam machen. Das wurde vom Regionalsender RBB direkt, live und in Farbe übertragen. Derweil sprach der vereidigte neue Ministerpräsident mit fester Stimme: „So wahr mir Gott helfe“.

Getroffene Hunde

So wahr ihm Gott helfe. Die Szene war symptomatisch für den gesamten Vorgang der Regierungsbildung. Der Gedanke, dass die Linken in Brandenburg mitregieren, fällt vielen extrem schwer. Weder die rot-rote Regierung in Mecklenburg-Vorpommern, noch die in Berlin sahen sich solchen Angriffen ausgesetzt. Im Vorfeld dieser Regierungsbildung war vor allem Matthias Platzeck Ziel heftigster Vorwürfe. Von „Schande“ sprachen einstige „Mitstreiter“. Als habe Platzeck ein Sakrileg begangen, als er sich entschieden hat, die Regierung mit der CDU nicht fortzusetzen und mit den Linken zu verhandeln.
Und ihren Höhepunkt erreichte diese Welle ausgerechnet in dem Moment, als Platzeck zur Versöhnung aufrief. Das ist im christlichen Deutschland offenbar das Unverzeihlichste, was sich denken lässt. Platzeck hatte in einer ausgewogenen Weise öffentlich darüber nachgedacht, ob man nach 20 Jahren nicht vielleicht doch einen vernünftigeren Umgang mit den einstigen DDR-Anhängern vor die Abrechnung mit ihnen stellen sollte. Er hatte darauf hingewiesen, dass Hitlers "willige Vollstrecker" nicht im Entferntesten das zu büßen hatten, was auf DDR-Täter nach der Wende gewartet hat. Platzeck entfachte mit seinem Aufruf zum Frieden einen Sturm der Entrüstung. Getroffene Hunde bellen. Der Umgang mit den Nazi-Tätern ist nach wie vor die empfindlichste Stelle der bundesdeutschen Elite. Den will sie lieber nicht beleuchtet haben. Und schon gar nicht von einem Ostdeutschen. Auch wenn gleichzeitig angemerkt werden muss, dass sich Platzeck mit seinem Hinweis auf die Bereitschaft der Nachkriegs-SPD, auch einstige SS-Angehörige aufzunehmen, wegen das indirekten und wohl beabsichtigten Vergleichs mit der Linkspartei klar vertan hat.

Endloses Krisenmanagement

Zwar haben die Parteitage sowohl der SPD als auch der Linken jeweils mit großer Mehrheit dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Bei Platzecks Wahl fehlten der Regierungsmehrheit zwei Stimmen, was angesichts der heftigen Vorfeld-Debatte als bemerkenswert geschlossen gelten muss. Doch gibt es in beiden Parteien entschiedene Gegner des Kompromisses. Während den Gegner in Platzecks Landes-SPD einfach „die ganze Richtung nicht passt“, wird der Verhandlungsgruppe der Linken in den eigenen Reihen zur Last gelegt, vor allem bei der Europa-Politik und in der Energiepolitik eingeknickt zu sein. Allerdings hat die Landesregierung auf den Europa-Kurs eher wenig Einfluss. Und der Aufschluss neuer Tagebaue wurde in den vergangenen Monaten schon von der rot-schwarzen Vorgänger-Regierung genehmigt, daran könnten die Linken ohnehin allenfalls putschartig etwas ändern.
So gesehen haben alle Angriffe auf die neue Regierung wenig oder nichts mit ihren tatsächlichen Zielen und Möglichkeiten zu tun. Mit einem dermaßen schlechten Leumund ist noch nie ein Kabinett in Potsdamm gestartet. Einen Effekt hat das in jedem Fall: Alles kann nur besser werden. Und wenn Rot-Rot auch weiter vorzugsweise mit virtuellen weltanschaulichen und historischen Fragen konfrontiert wird, lässt sich gut verbergen, eine ganz gewöhnliche Landesregierung zu sein, der die Mittel zu allem fehlen – deren Politik nichts anderes sein kann als ein endloses Krisenmanagement mit ungewissem Ausgang.

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