Würde man heute jemanden einen Dieb nennen, weil er vor 40 Jahren nachweislich gestohlen hat? Wohl kaum. Der Linken-Landtagsabgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann hat so viel Glück nicht. Zwischen 1970 und 1974 war er als IM „Schwalbe“ der Staatssicherheit tätig. Deshalb liest er nun in allen Zeitungen, er sei ein „Stasi-Spitzel“.
Verlassen von allen, hingerichtet von der Presse, fallengelassen von der eigenen Partei. Das TV zeigt Bilder, auf denen Hoffmann in der heimischen Lausitz sitzt, mit Freunden irgendein Jubiläum feiert und beinahe irre lächelt. Ja – der jüngst erst wieder in den Landtag Gewählte hat 1970 als 17-Jähriger eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. „Kontakte“ hat er vor der Wahleingeräumt, die Verpflichtung nicht. Genau genommen hat er gesagt, er könne sich daran nicht erinnern. Gerd-Rüdiger Hofmann ist ein Stiller. Also das Gegenteil von angriffslustig. So ein richtiger DDR-Typ. Geduldig, philosophisch, nervend mitunter. Beinahe unerträglich ist, wie viel Verständnis er immer für die gegnerische Seite aufbringt.
Von „schwerem Schaden“ spricht Landeschef Thomas Nord. Und von „großer Enttäuschung“. Er wie auch Fraktionschefin Kerstin Kaiser habeb es „richtig“ gemacht – Nord hat schon vor anderthalb Jahrzehnten all seine Kontakte zum MfS offen gelegt, und wie drei weitere einstige IMs ein Direktmandat erobert. Das schließt sich also schon längst nicht mehr aus. Hoffmann hat das nicht getan und laut Nord nicht nur seine eigene Glaubwürdigkeit, sondern auch die der Partei beschädigt. Und er hat die gerade unter härtesten Widerständen geschmiedete Regierungskoalition mit der SPD extrem belastet. Das ist zweifellos wahr. Aber ist das allein Hoffmanns Schuld?
Ist sein Verhalten Ausfluss verdrängter Scham? Für Hoffmann muss im Vordergrund gestanden haben, dass er in den 15 Jahren vor DDR-Ende nicht mehr für das MfS tätig war. Kurz nach der Wende kam das einem Freispruch gleich. Und in der Tat konnte der damalige Wissenschaftler vor der Ehrenkommission der Leipziger Universität bestehen. Heute gilt das aber nicht mehr, das hätte Hoffmann wissen müssen. Er hätte wissen müssen, wie risikoreich auch nur Unklarheiten auf diesem Feld für ihn sind. Denn nicht er ist es, der bestimmt, wann was veröffentlich wird.Das Unbehagen, die Scham aber waren stärker – er wollte es nicht wissen, wollte all dies abgestreift haben. Ein beinahe kindliches Verhalten.
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