Platzeck und die Waldarbeiter

Zukunftsfähiges Brandenburg Wer jetzt verbeamtet, macht späteren Generationen damit ein unliebsames Geschenk

Was im Lande Brandenburg zuletzt erregte, kam der Stimmung ziemlich nahe, die der Regisseur Fritz Lang mit seinem Film Eine Stadt jagt einen Mörder von 1931 beschrieben hat. Festnahme oder keine Festnahme eines Sexualstraftäters, der seine Strafe abgesessen hat, war die Frage, der sich die Regionalpresse hingab. Auch der nicht enden wollende Radau in der Spitze der Landes-CDU tröstete die Medien über die Ödnis des provinziellen Alltagsgeschäfts hinweg.

Für Zukunftsfragen zwischen Uckermark und Lausitz war beides kaum von Interesse. Es ist bezeichnend, dass die wirklich wichtigen Ereignisse im Windschatten dieses Spektakels stattfanden. Und das, obwohl sie auf Jahrzehnte hin Auswirkungen haben und alles andere als schmeichelhaft für die Platzeck-Regierung sind.

Die Astrologen schweigen

Der eine oder andere wird sich erinnern: Brandenburg wollte das erste Bundesland sein, das ohne Neuverschuldung auskommt. Dies gedachte die Landesregierung erstmals 2002 zu vollbringen - und scheiterte grandios. Als die Selbstüberschätzung nicht mehr zu bemänteln war, verließ die damalige Finanzministerin Wilma Simon (SPD) das Potsdamer Kabinett. Die Schlagzeile: "Wilma Simon auf der ganzen Linie gescheitert" wollte sich die Hamburgerin dann doch nicht antun.

Dieser Tage nun wurde bekannt, es gibt tatsächlich zwei Länder im Osten, die es geschafft haben und 2006 ohne Neuverschuldung ausgekommen sind: Das in Potsdamer Regierungskreisen gern gescholtene, acht Jahre rot-rot regierte Mecklenburg-Vorpommern und das glorreiche Sachsen. Ministerpräsident Platzeck sollte das zu denken geben, verkündet er doch bei jeder Gelegenheit, nur in einer Koalition mit den Christdemokraten werde das Land zukunftsfähig. Da im Norden das Gegenteil bewiesen ist, hüllen sich seine Astrologen vorerst in Schweigen. Ab sofort will nun Brandenburg seine Neuverschuldung ab 2010 gestoppt haben, doch Papier ist geduldig. Wie das Land damit umgeht, dass die Bundeszuweisungen dann radikal abgeschmolzen werden, während zeitgleich die Pensionslasten immer drückender auf dem Haushalt ruhen, weiß bisher niemand.

Damit sind wir beim zweiten aktuellen Vorgang, der seine Auswirkungen auf Kinder, Enkel und Urenkel im Märkischen nicht verfehlen wird: Gerade hat Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) angekündigt, weitere knapp 8.000 Lehrer verbeamten zu wollen. Was das für die Landesfinanzen bedeutet, hat Finanzminister Rainer Speer (SPD) schon vorgerechnet. Die Pensionslasten steigen von heute 150 Millionen auf 450 Millionen Euro im Jahr 2020 und auf 850 Millionen 2030. Dies gilt laut Ministerprognose aber nur, wenn die Bezüge jährlich höchstens 1,5 Prozent steigen. Dass sich die Beamten damit zufrieden geben, kann Speer nicht im Ernst glauben.

Laut Regierungsangaben beträgt die Durchschnittsrente in Brandenburg derzeit 800 Euro - die gezahlte Durchschnittspension hingegen 2.600 (und das 13 Mal im Jahr). Die Lehrer wissen also, wofür sie ihre Lobbyisten in den Kampf schicken, es steht außer Zweifel, dass sie an den Speck wollen. Die Frage ist nur, ob sich eine Regierung dem Druck beugt oder ihm standhält und verantwortlich handelt. Und wieder fällt der Blick auf Sachsen. Auch dort waren die Begehrlichkeiten der Lehrer gewaltig, den Beamtenstatus zu erlangen. Die Staatsregierung in Dresden hielt dagegen und wollte nicht zulassen, dass sich Tausende von Gutverdienern aus der Solidargemeinschaft stehlen. Die Konsequenz: Künftig muss Sachsen nur fünf Prozent seines Haushaltes für Pensionen aufwenden - in Brandenburg werden es mehr als zehn sein.

Dann stimmt die Kasse wieder

Man könnte sagen, fünf oder zehn Prozent, was bedeutet das schon? Sehr viel, wenn man bedenkt, dass von den etwa zehn Milliarden Euro, mit denen Brandenburg seinen Jahresetat bestreitet, genau 96 Prozent ohnehin durch Gesetze, Verordnungen oder Tarife gebunden sind. Ganze vier Prozent gehören noch zu den so genannten freiwilligen Leistungen - angesichts dieser finanziellen Strangulierung sind fünf oder zehn Prozent Pensionskosten schlicht ein alles entscheidender Unterschied.

15 Jahre lang hatte sich Brandenburg anhören müssen, die exzessive Verbeamtung sei nötig, weil dadurch die Sozialausgaben für den Staat gespart würden. Vom dicken Ende der Aktion, das unweigerlich folgt, war nie die Rede. Dass dieses "Gesparte" von späteren Generationen doppelt und dreifach bezahlt werden muss, erwähnte in der Platzeck-Regierung kein Mensch. Sicher, wenn diese Finanzminen hochgehen, wird keiner der heute Verantwortlichen mehr in der Regierung sein. Das Geschenk gilt der nächsten Politikergeneration. Und natürlich den Landeskindern, die das alles bezahlen müssen.

Für die Regierung Platzeck scheint das kein Problem. Sie trennt sich demnächst von 1.600 Waldarbeitern, dann stimmt die Kasse wieder. Oder auch nicht. Konsequenzen für den künftigen Landeshaushalt bedrücken die Regierungsmitglieder wenig, auch wenn auf der Hand liegt, dass die Verbeamtungen wenig Spielraum lassen, junge Lehrer einzustellen. Vor den Kindern stehen immer ältere Pädagogen. Aber - und das ist die Hauptsache - sie sind verbeamtet, genießen Rechte, Einkommen und Sicherheiten, von denen ihre zur Kasse gebetenen Mitbürger nicht einmal zu träumen wagen.

Die Pointe: Obwohl Sachsen sich seit 1990 mit den Sozialausgaben für seine Lehrer belastet hat, steht es wirtschaftlich und finanziell viel besser da als Brandenburg. Mit vier Prozent Wirtschaftswachstum 2006 ist der Freistaat Spitzenreiter in Deutschland. Brandenburg hinkt mit 1,9 Prozent auf dem 12. Platz abgeschlagen hinterher. Sein Finanzminister musste jetzt zugeben, dass der Steuer-Zugewinn des Vorjahres in den Kommunen nahezu vollständig von den ebenfalls gewachsenen Hartz-IV-Ausgaben aufgezehrt wurde. Ohnehin hat dieser Zuwachs lediglich die Einbußen von 2005 kompensiert, als der Rückgang des Bruttosozialprodukts bei 1,5 Prozent lag.

Was den märkischen Politikern jetzt noch bleibt, ist die nette Figur, der flotte Spruch, das Mätzchen eben. Dies scheint ein Gesetz zu sein: Da politisch immer weniger zu gestalten ist, wird Politik vorzugsweise durch Klamauk ersetzt.


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