Preußisch

Politikstil Manfred Stolpe übergibt an Matthias Platzeck

Auf dem turnusmäßigen Landesparteitag der SPD in der Prignitz, einem amtlich anerkannten Notstandsgebiet in Brandenburg, hat SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe seine Demission erklärt. Der Mann, von dem es in den vergangenen Jahren schon hieß, er regiere über "Stolpe-Land", räumte blitzartig das Feld. "Das hier ist der Sessel", sagte er und schob ihn Platzeck hin. Seither wurde sein Tross nicht müde, den Stil zu bewundern, die Grazie der Figur, die sich beim Übergang des "Staffettenstabs" an Potsdams Oberbürgermeister Matthias Platzeck offenbart haben soll. SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch lobte die politische Kultur einer "phantastischen Operation", so als würden Politiker dafür bezahlt, dass sie in einem unbewachten Augenblick und in einer wichtigen Frage ein ganzes Land vor vollendete Tatsachen stellen. Der dienstälteste Amtschef ist er schon gewesen, alles in Brandenburg sah nach 100 Jahre Manfred Stolpe aus. Noch bei seinem zehnjährigen "Thronjubiläum" kokettierte er damit, dass sein Vorbild Preußenkönig Friedrich II. "schließlich 40 Jahre regiert" habe. Der Abgang hatte deshalb etwas von einer Kapitulation; denn Schwierigkeiten, Hiobsbotschaften und Fehlentscheidungen bildeten gerade in den vergangene Wochen für die Potsdamer Landesregierung ein unentwirrbares Knäuel. Ungeheure Fördersummen wurden in falsche Richtung ausgeschüttet, (erinnert sei an Cargo-Lifter oder Lausitz-Ring) und verlangen nun alljährlich 800 Millionen Euro Zinsen. Von einem selbsttragenden Aufschwung ist das Land noch immer weit entfernt: Nur die Hälfte eines jeden Euro, den Brandenburg ausgibt, nimmt es auch durch Steuern ein. Bundesprominenz fehlte bei der eilig ausgerichteten Abschiedsfeier, bis auf Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Richard von Weizsäcker. Der Alt-Bundespräsident hielt eine merkwürdige Verteidigungsrede, für eingeweihte Zuhörer ähnelten die Worte jenen, mit der Weizsäcker Anfang der neunziger Jahre für Stolpe vor dem Stasi-Untersuchungsausschuss Partei ergriffen hatte. Manfred Stolpe stand geduldig und stundenlang, um die Reihe der "Gratulanten" abzufertigen. Doch war nicht zu übersehen, dass der unermüdliche Frühaufsteher müde war, fast erstarrt. "Ich hatte ein bisschen zuviel Optimismus", gestand er Journalisten in den letzten Stunden seiner Amtszeit.

Allzu hoch ist der märkische Adler in den elfeinhalb Regierungsjahren nicht gestiegen, auch wenn die vorwiegend aus NRW zugezogene Ministerialbürokratie inzwischen in edlen Gehäusen sitzt. Dass sie in all den Jahren die 100 Prozent Westgehalt zugestanden bekamen, war selbstverständlich, die Verletzung des Grundsatzes: gleicher Lohn für gleiche Arbeit war der Stolpe-Regierung pro Jahr 50 Millionen wert. Vor diesem Hintergrund ist es völlig in Ordnung, dass sich Stolpe in der Tradition eines Königs sieht, der Zeit seiner Herrschaft den Schein der Macht für die Macht selbst nahm.

Der Nachfolger im Amt, Matthias Platzeck, regierte fast vier Jahre lang eine Stadt, die nach der Wende zu der ihr angestammten Rolle als preußisch-patriotische Puppenstube zurückfinden soll. Die Schlösser erstrahlen, die barocke Innenstadt ist restauriert, das neu eröffnete Krongut Bornstedt war vor einigen Wochen glänzende Kulisse des Regierungs-Sommerfestes. Friede Springer, Günter Jauch kamen und zogen weitere Prominenz an. Eine Potsdamer Zeitung titelte euphorisch "Die Villen werden knapp". Aber ein Musketenschuss von der Potsdamer Stadtgrenze entfernt beginnt ein anderes Land. "Potsdam ist nicht Brandenburg", hielten die Cottbusser ihrem Noch-Regierungschef im Februar beim Karneval vor.

"Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott", nannte Platzeck als sein Regierungsmotto. Er hätte diese Hilfe nötig, denn die Potsdamer Probleme sind marginal im Vergleich zu denen des Landes. Einen ausgeglichenen Haushalt gibt es nicht, weder in der Stadt, noch im Land. Und er ist auch nicht in Sicht. Der Glanz ist gepumpt. Platzeck muss, sagt er selbst, Politik mit leeren Kassen machen. Das Pulver ist von seinem Vorgänger verschossen. Die Heimat hat schon schön zu sein. Die Arbeit in ihr wird nämlich immer knapper, die Existenzgrundlagen schmaler, die Pleiten häufen sich. Die Märker konstatieren: Zu DDR-Zeiten war ihre Heimat grau, zum Teil angenagt, aber lebendig. Heute ist sie an vielen Stellen sehr schön aber tot.

Der "Genussmensch" Platzeck löst diese Probleme nicht. Die SPD-Fraktion feiert sich per Blitzumfrage vorsichtshalber schnell noch mal: Fraktionschef Fritsch: "40 Prozent Zustimmung erreicht. Operation Stabwechsel erfolgreich, Motive wurden verstanden."

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