Es ist der älteste Albtraum in der Geschichte des Tourismus: dass man den Eigenen nicht entkommen kann. Nichts ruiniert eine Fernreise so sehr, wie als Deutscher auf andere Deutsche zu treffen. Man müsste meinen, dass Matthias Polityckis Protagonist Hans dem weit genug entflohen ist. Zwar hat er sich mit dem Kilimandscharo einen touristisch doch ziemlich gut erschlossenen Ort ausgesucht, um allein zu sein, aber er weicht bewusst von den überlaufenen Trekkingrouten ab. Die Gipfelstürmer, die sich ein quadratisches Stück Schaumstoff um den Hintern schnallen, um im Zweifel nicht zu hart zu fallen, werden so gut es geht (und natürlich geht es nicht immer) gemieden.
Hans sucht mit seinem Bergführer Hamza und den Trägern einen Krater auf, um dort zu übernachten. Der Krater ist an sich schon aufregend: mystisch, gefährlich und von einer gewaltsamen Urschönheit. Aber dann schiebt sich ein allzu weltliches Warnsignal ins Bild. Durchs Fernglas sehen sie einen roten Punkt im Krater. Der Punkt entpuppt sich als bayrischer Bergsteiger in alarmroter Jacke: Tscharli, um die sechzig, Zauselbart, derber Humor, noch derbere Ansichten. Hans könnte in jedem anderen Setting ganz normal, vielleicht sogar ein bisschen mutig, verwegen und weltbewandert wirken. Neben Tscharli kommt er so verklemmt daher, dass er nicht einmal einsteigen kann, wenn jener mit den lokalen Bergführern in einem Pidgin aus Suaheli und Bairisch redet, lacht, „Sekundenfreundschaften“ schließt.
Man kann eine Menge über Polityckis feinen, versponnenen, schneidend scharfen Humor sagen. Oder über die Weise, wie er seine Figuren beschreibt: Die biedern sich nie an bei den Lesenden, dürfen unsympathisch sein und nerven. Trotzdem, kein Zweifel, wenn man schon völlig unfreiwillig – und mit einer Sehnsucht nach Einsamkeit gesegnet – Zeit mit jemand Fremdem verbringen muss, den man obendrein nicht mag, dann bitte so. Denn natürlich erwächst aus der Zwangsbegegnung eine Schicksalsgemeinschaft (nur, dass Politycki mit solch pathetischen Wörtern dankbar vorsichtig ist).
Eigentlich sind wir Friseure
Bei allem, was Polityckis Roman auszeichnet, darf man auch die gute alte Landschaftsbeschreibung nicht vergessen: „Unter uns, umbrabraun schweigend und ernst, absolut ernst, lag eine Hügellandschaft aus Asche, feierlich von einem Felsenkranz umzackt, dessen Innenseite mit Schnee geschmückt war.“ Dabei ist Politycki alles andere als ein Nature Writer. Der Krater bekommt seine „schaurig-ernste Schönheit“ erst durch die Menschen, die ihn besuchen – durch die Mythen und Legenden, die man sich darüber erzählt, plötzlich auftretende Krankheiten und Wetterumschwünge, und überall lauern Tod und Verderben. Es ist konsequenterweise auch nicht die Sehnsucht nach dem Berg selbst, die Hans nach Tansania führt, sondern die nach einer verflossenen Liebe. Die wollte schon als Kind auf den Kilimandscharo, nun fährt Hans eben alleine. Manche Liebesgeschichten muss man eigentlich gar nicht erzählen. Aber natürlich kommt der Punkt, an dem sich Tscharli und Hans über die Frauen in ihrem Leben unterhalten. Matthias Politycki hat den Dreh mit der Erzählökonomie vollkommen raus, er sagt nie zu viel und versteht sich auf – na ja, Cliffhanger.
Vom Berg kommen sie alle wieder herunter, aber Hans und Tscharli werden einander nicht mehr los. Irgendwann lässt Hans ganz beiläufig fallen, dass er Schriftsteller ist. Dass die Behauptung, sein neuer Roman sei schon so gut wie gedruckt, nicht stimmt: geschenkt. Er beginnt aufzuschreiben, was Tscharli sagt. „Einmal noch leben vor dem Tod. / Eigentlich sind wir doch alle Friseure. / Die Sehnsucht ist eine Hure.“ Viel besser kann man es nicht zusammenfassen.
Auch die Sache mit der „Sekundenfreundschaft“ lernt Hans von Tscharli – nicht bloß das Wort, auch das Konzept. Im Grunde ist Das kann uns keiner nehmen ein Loblied auf den Zufall. Und darauf, wie tief einen unvorhersehbare Begegnungen verändern können. Egal, wie lang sie halten. Dass niemand, ob er will oder nicht, jemanden wie Tscharli wieder vergisst, versteht sich ganz von allein. Wenn man ein Ende kommen sieht – das eigene oder das von Menschen, die einem nahestehen –, verändert sich die Wahrnehmung von Zeit. Kein Augenblick ist mehr bedeutungslos. Von der Gegenwart aus rekonfiguriert sich das Vergangene. Oder, wie es im Roman so schön heißt, es liegt „leicht verschwommen dahinter die Ewigkeit“. Jana Volkmann
Info
Das kann uns keiner nehmen Matthias Politycki Hoffmann und Campe 2020, 304 S., 22 €
Leseprobe: Der Kibo schläft nur
Gipfel Wir sind an einem Ort, wo böse Geister wohnen. Noch schlimmer ist aber der Fremde, der sich zu uns gesellt
Wir sahen ihn schon vom Kraterrand aus, ein leuchtend roter Punkt zwischen den Zelten, genau dort, wo unser Pfad am Kraterboden enden würde.
Sieben Tage lang hatte ich den Moment ersehnt, da ich endlich allein sein würde mit diesem Berg. Sieben Tage, während es auf den Wanderwegen immer voller geworden war, je höher wir kamen. Im Barafu Camp, 1200 Meter unterm Gipfel, wo die meisten Aufstiegsrouten vor der letzten Etappe zusammenfinden, hatte größerer Trubel geherrscht als auf dem Markt in Arusha, und dann wurde auch noch eine Frau abtransportiert, die nicht einsehen wollte, daß sie die Höhenkrankheit hatte, und lieber hier oben sterben wollte als tausend Meter weiter unten überleben. Schließlich schnallte man sie auf eine Trage, noch lange hörten wir sie schimpfen und schreien.
„Der da unten ärgert sich gerade noch mehr als wir“, versuchte Hamza, den roten Punkt am Kraterboden herunterzuspielen, während er ihn durch sein Fernglas betrachtete. Drei der Zelte seien übrigens die unsern, setzte er das Glas wieder ab. Dann wies er auf zwei weitere Punkte, das seien Mudi und Dede, sie stellten gerade das Toilettenzelt auf. Beim gestrigen Abendessen hatte er ein letztes Mal versucht, auch Paolo und Ezekiel zu überreden, vergeblich, auf die paar zusätzlichen Dollars würden sie gern verzichten, in den Krater müßten wir ohne sie. Dort wohnten böse Geister, die verwandelten sich nachts in schlimme Schwefeldämpfe oder kämen im Eishagel und holten sich, wen immer sie wollten. Selbst die, die sie verschonten, schlügen sie mit Übelkeit und Wahn, einfach so, weil sie die Macht dazu hätten. Auf diesem Berg sei man nur Gast; wer mehr von ihm wolle als den Gipfel, der müsse auch mehr geben, nicht wenige das Leben.
Zur Person
Matthias Politycki schreibt seit seinem 16. Lebensjahr. Für sein opulentes Debüt Aus Fälle / Zerlegung des Regenbogens wurde er als „Formfex im Sprachfels“ (Welt) gefeiert. Sein Weiberroman, eine Hommage an die 70er und 80er, ist eines der zentralen Werke der literarischen Postmoderne; als „einer der schönsten Schelmenromane unserer Zeit“ (Radio Bremen) wurde seine Kreuzfahrtsatire In 180 Tagen um die Welt zum Bestseller. Sieben Jahre nach seinem als „wahrer Monolith“ (Stern) gerühmten Roman Samarkand Samarkand erscheint 2020 ein neuer großer Roman, für den er um ein Haar in Afrika gestorben wäre. Gerettet hat ihn die Liebe einer Frau
Nur der Einbruch der Kälte hatte kurz für Ruhe gesorgt. Von einer Sekunde zur andern war’s so still im ganzen Camp, daß ich meinen Puls pochen hörte und den Schmerz im Kopf wieder wahrnahm, ein leichtes Ziehen unter der Schädeldecke. In Gedanken ging ich noch einmal die 25 Jahre ab, die ich gebraucht hatte, um hierherzukommen, und nahm mir fest vor, nicht noch auf den letzten Metern einzuknicken. Schließlich hatte ich noch eine Rechnung mit diesem Berg offen und war entschlossen, sie morgen zu begleichen. Ab Mitternacht brachen die ersten auf, um den Gipfel vor Sonnenaufgang zu erreichen, und von da an hörte man immer wieder Getrappel, wenn die nächste Gruppe an unseren Zelten vorbeimarschierte, ein aufgeregtes Flüstern und Kichern. Wir ließen sie ziehen, heute hatten wir ja nur den Aufstieg zu bewältigen und nicht wie alle anderen – hoffentlich ausnahmslos alle anderen – auch die Hälfte des Abstiegs. Um halb drei fing Hamza im Zelt neben mir zu rascheln an, um vier liefen wir los. Unsre Träger schliefen noch, sie würden sich den Gipfel sparen und direkt zum Crater Camp gehen. Schon nach wenigen Minuten schalteten wir die Stirnlampen aus, der Mond leuchtete uns den Weg.
Als wir um kurz nach acht den Kraterrand bei Stella Point erreicht hatten, war mein Kopfweh verflogen. Unter uns, umbrabraun schweigend und ernst, absolut ernst, lag eine Hügellandschaft aus Asche, feierlich von einem Felsenkranz umzackt, dessen Innenseite mit Schnee geschmückt war. Weiß und strahlend auch die Gletscher am Kraterboden, mit ihren geriffelten Kanten hart von der Aschewüste abgegrenzt. Ja! dachte ich nur immer wieder, ja! Deshalb war ich gekommen.
Der restliche Weg auf dem Kraterrand bis dorthin, wo er sich, beständig sanft ansteigend, zum Gipfel wölbte, von braunroter Asche bedeckt, linker Hand von einem gewaltigen Gletscherfeld markiert, leicht verschwommen dahinter die Ewigkeit. Rechter Hand die schneebedeckten Kraterwände, am Fuß derselben verstreut ein paar Felsen oder Lavabrocken, weiter innen nurmehr Asche und Eis. Kein Vogel im Firmament, keine Fährte am Grund, kein Grashalm im Wind. Um zehn erreichten wir den Gipfel, und als die letzte Gruppe ihre Siegerfotos geschossen und den Rückweg angetreten hatte, waren wir endlich allein. Hamza riß sich die Kleider vom Oberkörper, kletterte auf das Gerüst, das den Gipfel anstelle eines Kreuzes markiert, und streckte die Arme in die Luft – so sollte ich ihn mit seinem Handy fotografieren. Nach zwanzig Minuten gingen wir auf dem Kraterrand weiter, und als wir die Stelle erreicht hatten, wo der Pfad abzweigt, hinab zum Crater Camp, sahen wir ihn.
„Weißt du, was der Unterschied ist zwischen dem und uns?“ wollte Hamza die Sache mit Humor nehmen.
„Will’s nicht wissen“, ließ ich mir sein Fernglas reichen, um den roten Punkt meinerseits in Augenschein zu nehmen, „und werde auch morgen nicht drüber lachen.“
Nun war da also ein Kerl im Krater, wo ich mir seit Jahren nichts anderes als leere Landschaft vorgestellt hatte, in der ich meine Vergangenheit begraben wollte. Daß der Berg auf seinen Trekkingrouten von Touristen überlaufen war, hatte ich immer gewußt – doch auch, daß so gut wie niemand davon im Krater übernachtet. So gut wie niemand! Nämlich heute offensichtlich ein Kerl in roter Jacke, der gekommen war, mir durch seine Gegenwart die Würde des Ortes zu zerstören, wo ich mir seit sieben Tagen, die ganze lange Lemosho-Route über, nichts anderes vorgestellt hatte als: wie ich dort unten Maras Namen ein letztes Mal flüstere oder schreie oder meinetwegen gegen die Kraterwände schleudre und dann ganz tief in der Asche beerdige. Je länger ich auf dem Berg unterwegs gewesen war, desto näher waren mir meine Erinnerungen gerückt und mit ihnen die Gefühle, die ich längst im Griff zu haben glaubte. Als ob der Berg all das freisetzte, was ich mit einiger Mühe beiseitegeschoben und irgendwann nicht mehr angerührt hatte, je höher wir kamen, desto heftiger – und in schier überwältigender Wucht während der letzten Minuten, nachdem auch das Gejohle am Gipfel überstanden und die ganz große Stille angebrochen war.
„Der Unterschied ist: Der da unten ist schon da. Wir könnten immer noch umkehren und absteigen.“
Das kam natürlich nicht in Frage. Im Fernglas beobachtete ich Mudi und Dede, wie sie die Heringe unsrer Zelte mit Felsbrocken sicherten. Dann traten zwei Männer aus einem der fremden Zelte, auf der Plane stand „Safari Porini“, wenig später noch einer aus einem anderen Zelt. Sie gingen zum Gletscher, der in der Mitte des Kraters lag, Hamza behauptete, sie würden ein Stück davon abschlagen, um es zu Teewasser zu schmelzen. Hinter dem Gletscher stieg die Aschelandschaft sanft zu einer Hügelkette an, dahinter verbarg sich der innere Krater. Gewiß war dort alles von derselben feinen Asche überzogen, die auch unseren Weg bedeckte.
„Wei’s wuascht is!“
„Vielleicht kriegt er ja noch die Höhenkrankheit“, meinte Hamza. Im Krater schlage das Klima ständig um, es herrsche kein guter Geist, Paolo und Ezekiel hätten recht. Er selbst sei zwar an die sechzig Mal auf dem Gipfel gewesen, aber erst ein einziges Mal im Krater und nur für eine knappe Stunde, weil sein Kunde schlagartig ganz schlechte Blutwerte hatte, sie hätten die Zelte sofort wieder abbauen müssen und absteigen.
„Der Kibo schläft nur“, sagte Hamza, „er entscheidet, wen er übernacht bei sich duldet, wen nicht, du kannst es nicht erzwingen.“
„Und er kann jeden Moment erwachen“, fügte er nach einer Weile an, da waren wir schon ein paar Serpentinenwindungen tiefer und mitten im Schnee.
„Lecko mio“, begrüßte mich der Kerl in der roten Jacke, der die ganze Zeit über am Ende des Pfades mit demonstrativ vor der Brust verschränkten Armen auf uns gewartet und also auch meinen Sturz mitbekommen hatte. In einer der Kehren war ein Schneebrett unter meinem Tritt abgerauscht und ich rücklings ein paar Meter mit ihm, zum Glück erst im unteren Drittel. Danach hatte ich eine Weile gebraucht, um mir den Schnee aus der Kleidung zu schlagen, zum Schluß wischte ich die Brillengläser trocken und wickelte mir das Tuch um den Kopf, das sich bei meiner Talfahrt gelöst hatte.
„Wie kommt ’n a so a Hornbrillenwürschtl wie du ausgerechnet hierher?“
Er schnaubte verächtlich aus, auch ihm hatte ein bißchen Gesellschaft gerade noch gefehlt. Daß ich einer der Deutschen war, die auf diesem Berg scharenweise unterwegs waren, hatte er offensichtlich erkannt oder unterstellte es ganz selbstverständlich, es machte die Sache nicht besser. Mein rechtes Auge war müde von der Anstrengung, ich schob mir die Brille in die Stirn und massierte die Augenhöhlen.
„Jetz hat’s eahm d’ Sprach verschlang.“
Er hatte halblange zerzauste Haare, einen buschigen Schnauzbart, der sich beidseits des Mundes bis zum Kieferknochen hinabzog, buschige Koteletten, die genauso tief reichten, alles in Silbergrau. Hals, Kinn, Wangen von Bartstoppeln übersät und jeder Menge Falten – ein Zausel, wettergegerbt, vielleicht Ende sechzig, der immer noch den Rocker geben wollte. Dafür war er allerdings entschieden zu dünn, geradezu spiddelig, und auch zu blaß, noch nie hatte ich einen solch bleichen Menschen gesehen. Eine weiße Sportbrille mit orangerot verspiegelten Gläsern hatte er sich hoch in die Stirn geschoben, die Hände mittlerweile in die Hüften gestemmt, kein Zweifel, er empfand mich ebensosehr als Störenfried wie ich ihn. Als ich mich nach Hamza umsah, begrüßte der gerade die fremden Träger, der Reihe nach schlugen sie die Fäuste aneinander.
„Was hast ’n da für a Windel um dein’ Kopf gwickelt, ha?
Oder sprichst du ned mit jedm?“
„Hans!“ streckte ich ihm meine Hand entgegen.
„I bin da Tscharli“, ergriff er die Hand und drückte kräftig zu, ließ nicht locker, im Gegenteil, erhöhte den Druck und rückte näher: „Da Windelhans bist’.“
Er lachte kurz auf, es klang hart und bitter, erst danach ließ er meine Hand los. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich die Träger noch immer mit Hamza verbrüderten. Nun kam ein weiterer Mann aus dem Zelt, gähnte, streckte sich, rieb sich die Augen, rief Hamza auf Suaheli einen Gruß zu, anscheinend ein Witz auf dessen Kosten, reihum Gelächter. Nachdem er Hamza nach allen Regeln der Kunst Faust auf Faust abgeschlagen, Handfläche auf Handfläche abgeklatscht, auf Brust und Schultern geboxt und die entsprechenden Schläge von Hamza empfangen hatte, kam er auf mich zu, gab mir ganz artig die Hand und stellte sich als John vor.
„Mountain doctor“, ergänzte der Kerl.
John grinste, blinzelte in die Sonne und zog sich seine Jacke aus. Auf dem T-Shirt, das er über einem Icebreaker-Unterhemd trug, stand „It’s now! Dr Never“.
„Bist du der Führer von Tscharli?“ fragte ich ihn auf Deutsch, John guckte freundlich durch mich hindurch. Bevor ich die Frage auf Englisch hinterherschieben konnte, blaffte mich der Kerl an: Er sei der Tscharli! Und John also der Führer vom Tscharli! Auch für einen Preußen wie mich, „host mi?“.
„Yes, Mister Tscharli“, pflichtete John bei, „big boss.“ Ich sei kein Preuße, versetzte ich, sondern aus Hamburg.
Und er aus Miesbach, erwiderte der Kerl, da hätten wir ja was gemeinsam. Erneut lachte er auf, klopfte mir die Schulter, offensichtlich hatte er seine eigene Form von Humor.
Wieso er ausgerechnet heute hierhergekommen sei? konnte ich mir nicht verkneifen.
„Wei’s wuascht is!“ Der Kerl lachte nicht mehr. Er stierte mich drohend an, als erwarte er eine Replik, die er mit einem Faustschlag beantworten konnte. Als sie ausblieb, ließ er locker, grinste in die Runde. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er eine kleine Flasche Jägermeister aus der Jackentasche gezogen, einen Schluck genommen und ganz selbstverständlich an den Mountain doctor weitergereicht hätte. Aber er legte den Kopf nur leicht schief, kniff die Augen zusammen und musterte mich von oben bis unten. Schließlich gab er sich einen Ruck:
„Komm, Windelhans, samma wieda guat. Mir kenna ja beide nix dafür.“
Zwölf Uhr mittags, Crater Camp, 5600 m, null Grad, der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Ich wollte nur noch eines, in mein Zelt verschwinden und verschwunden bleiben.
Internet Cave finished
Kaum war ich drin, wurde’s draußen windstill und heiß. Ich hatte mich auf meinen Schlafsack gelegt; doch die Sonne brannte mit solcher Macht aufs Zelt, daß mir der Schweiß unterm Hemd zusammenlief und ein feiner Schmerz im Kopf zusetzte, direkt an der Schädeldecke. Durch die Zeltplane hörte ich locker mit, wie sich der Tscharli auf geräuschvolle Weise in seinem Toilettenzelt zu schaffen machte, von kommentierenden Zurufen befeuert. Noch aus dem Zelt heraus ließ er wissen, „Problem finished“, und nachdem er den Reißverschluß des Eingangs hoch- und hinter sich wieder heruntergerissen hatte, „Internet Cave finished“.
Internet Cave nannten sie in seiner Mannschaft das Toilettenzelt, Dede und Mudi meckerten begeistert auf. „Did you catch a monkey?“ rief John. Anstelle einer Antwort stieß der Tscharli einen Schrei aus und trommelte sich auf die Brust.
Dann redete er in einem fort, ein derb reduziertes Pidgin, vermischt mit bairischen Brocken und Suaheli. Was immer er sagte, wurde gut gelaunt zur Kenntnis genommen und nicht selten mit schallendem Gelächter quittiert, offensichtlich auch verstanden und akzeptiert. Stets pflichtete ihm irgendwer mit „Yes, sir“ bei, selbst Hamza, der mich nur beim Vornamen ansprach.
Viel später erst erkannte ich, daß es mit des Tscharlis Suaheli nicht weit her war, er freilich den Tonfall der Sprache sehr gut aufgeschnappt hatte und – zusätzlich zu der Handvoll Wendungen, die er beherrschte – nach Belieben Wörter erfand, was überall für Begeisterung sorgte und Bereitschaft, ihm zu Diensten zu sein. Und noch viel später erkannte ich, daß ich ihn von Anfang an um diese Fähigkeit beneidet und mir eingeredet hatte, er würde die Einheimischen mit seinen Späßen verspotten. Statt mir einzugestehen, daß er damit ihre Herzen gewann und Türen öffnete, die mir verschlossen blieben – schon ein Leben lang verschlossen geblieben waren. Seine Träger begriffen auch jetzt ohne weitere Nachfragen, daß er am Nachmittag zum inneren Krater gehen, zuvor aber erst mal eine tüchtige Brotzeit einnehmen wollte. Und daß sich der, den sie Helicopter nannten, gefälligst an die Arbeit machen sollte, offensichtlich war er der Koch.
„High noon, Helicopter, Big Simba hungry!“
„Big Simba hungry“, wiederholte Helicopter.
„Mambu didi!“ machte ihm der Tscharli Beine, und die beiden anderen Träger seiner Truppe, Samson und Rieadi, wiederholten den Zuruf unter fröhlichem Gekecker.
Es war nicht auszuhalten. Doch drinnen im Zelt erst recht nicht. Nach einer halben Stunde gab ich auf, zog den Reißverschluß hoch und schloß geblendet die Augen. So viel Sonne an diesem Tag. Ich schob mir die Brille in die Stirn und massierte die Augenhöhlen.
Ein tiefdunkelblauer Himmel und vollkommen leer. Der gefalle ihm nicht, begrüßte mich Hamza. Erst jetzt sah ich, wie sich zwischen den Zacken des Kraterrands die Wolken stauten.
Natürlich hatten Hamza und John beschlossen, ihre Gruppen zusammenzulegen und das Mittagessen gemeinsam in einem der beiden Eßzelte einzunehmen. Samson servierte, und als er alles herbeigeschafft hatte, deutete er einen Diener an, man wußte nicht, ob es ernst gemeint war oder witzig: „Enjoy your meal, sir.“ Welchen sir er damit meinte, ließ er offen.
Es gab Kekse, Honig, Nutella, Bananen, Beuteltee. John aß fast nichts, Hamza umso mehr und der Tscharli wie ein Schwein. Jetzt, da er seine rote Jacke über die Klappstuhllehne gehängt hatte, verströmte er den Geruch von altem Schweiß. Nach dem Essen kramte Hamza sein Meßgerät hervor, das normalerweise morgens und abends zum Einsatz kam, um Puls und Sauerstoffgehalt im Blut zu überprüfen. John tat’s ihm gleich, der Tscharli und ich reichten brav unsre Zeigefinger, die Geräte wurden aufgesetzt, es kam ein ganz klein bißchen Spannung auf.
Nach einer Weile las John die Werte ab: „Pulse 93, oxygen
78. Good.“
Der Tscharli grinste zufrieden, John stellte ihm seine Fragen nur pro forma: Wie’s mit dem Luftholen hier oben sei? Ois easy. Und die Lunge? Dito. Kopfweh? Woher denn. Übelkeit? Schwindel? Geh weida.
„Strong man“, attestierte John.
„Wer ko, der ko“, strahlte der Tscharli.
Er sei bereits als Kind viel in den Bergen gewesen, ließ er mich mit plötzlicher Jovialität wissen, quasi jeden Sonntag mit seinen Eltern, damals hatte er das Wandern gehaßt. Schon allein das dauernde Grüßgott, wenn wer entgegenkam oder überholt wurde.
Zum Glück waren meine Werte kaum weniger gut, der Tscharli pfiff anerkennend durch die Zähne, klopfte mir auf die Schulter, „Werd scho, Hansi“.
Ich sei im Süden aufgewachsen, ließ ich ihn wissen, auch ich hätte am Wochenende mit meinen Eltern in die Berge gemußt.
Darauf schob sich der Tscharli den kleinen Finger ins Ohr und kratzte sich so intensiv, daß ihm der Mund offenstand. Nachdem er den Finger herausgezogen und daran gerochen hatte, wollte er wissen, ob auch meine Mutter an keiner einzigen Kapelle vorbeigegangen sei. Die seine sei dann auch aus keiner einzigen herausgekommen, ehe sie eine Kerze für die Verstorbenen gespendet hatte. Sein Vater habe immer gespottet, in ihrer Familie sei jede Woche Totensonntag, aber davon habe sie sich nicht abbringen lassen.
Kapellen hätten bei unseren Wanderungen keine Rolle gespielt, versetzte ich, meine Eltern seien nicht katholisch gewesen.
„Zuagroaste“, schloß der Tscharli messerscharf, „mei“. Dann schob er denselben kleinen Finger ins andre Ohr, kratzte sich, bis ihm erneut der Mund offenstand. Hamza sah ihm interessiert zu. John arbeitete die neuen Nachrichten auf seinen drei Handys ab. Der Tscharli kratzte und sah durch mich hindurch, vermutlich in irgendeine dieser Kapellen, auf seine Mutter, die im Dämmer vor dem Altar abkniete, tonlos ein Gebet flüsterte, sich aufrappelte, eine Münze in den Opferstock warf, eine Kerze entzündete, sich bekreuzigte …
„Denn da gäb’s ja auch überhaupts koan Grund, sich drüber lustig z’ macha!“ fand der Tscharli wieder in unser Zelt zurück und zum Faden seiner Darlegungen, zog den Finger aus dem Ohr, roch daran und blickte mir fest in die Augen: Die Kerzen für all jene, die uns vorausgegangen, die würden uns, wenn’s soweit sei, den Weg leuchten.Woraufhin wir eine Weile schwiegen. Offensichtlich war er ein noch seltsamerer Vogel, als ich zunächst vermutet, hatte auch seine eigene Form von Tiefsinn. Wenn er nur nicht immer so schnell zu seiner schrecklichen Form des Frohsinns zurückgefunden hätte! Jedesmal wenn ich die Augen schloß und mir vorstellen wollte, wo ich gerade war, endlich war, und was das für mich bedeutete, scheuchte er mich mit einer neuen Bemerkung auf. Wie gern hätte ich mir zumindest ausgemalt, wie es ohne ihn hier oben gewesen wäre und ob ich vielleicht verrückt geworden wäre vor lauter Stille. Aber nein, immer wieder zwang er mich, die Augen zu öffnen und ihn, nichts als ausgerechnet ihn wahrzunehmen.
„Was tuast ’n da so bedeutungsvoll seufzen, Hansi?“
Pack ma’s, Burschn, auf geht’s
Ich nippte an meinem Tee und lauschte auf die Zeltplanen, an denen ein kleiner Wind zu zerren begonnen hatte. Notgedrungen tat der Tscharli dasselbe. Erst Samson scheuchte uns auf, der zum Abräumen gekommen und dabei so ungemütlich war, als wolle er uns zum Aufbruch drängen.
Wie wir vor dem Zelt standen, hatte, bei vollem Sonnenschein, ein leichter Schneefall eingesetzt. Der Tscharli rülpste, zog sich die Kapuze in die Stirn und klatschte in die Hände:
„Wakala!“
Was soviel wie „Pack ma’s, Burschn, auf geht’s“ bedeuten sollte, ich verstand ihn schon ganz gut.
Der Krater war von wirbelndem Leben erfüllt und verzaubert. Weil der Wind innerhalb der letzten Minuten kräftig aufgefrischt hatte, fielen die Flocken wie in einer Schneekugel, die man gerade geschüttelt hatte: in leicht kreiselnden Bewegungen, ein Teil der Flocken wurde wieder emporgetragen, schwebte über uns hin, ehe er einige Meter entfernt in verspielten Spiralen zu Boden trudelte. John hielt geradewegs auf den Gletscher zu, dessen Kante als türkisblaue Wand schemenhaft im Schneetreiben schimmerte. Innerhalb weniger Minuten verwandelte sich die Ödnis in eine märchenhafte Kulisse, der weiche Ascheboden ins schwarzweiß gefleckte Fell eines schlafenden Schneeleoparden. Ein, zwei Minuten später war das Fell durchgängig weiß; wenn man sich umdrehte, sah man unsre Fußspuren darin. Nur Hamza trübte das Vergnügen, indem er uns immer wieder wissen ließ, das gefalle ihm nicht.
Nachdem wir ein paar Fotos am Gletscher gemacht hatten, schien uns die Sonne nicht mehr; anstelle eines heiteren Schneetreibens vor blauem Himmel sahen wir nurmehr Nebel. Trotz der Eile, die nun geboten war, machte John dieselben kurzen Schritte wie Hamza, polepole, selbst hier oben ging es auf diesem Berg nur ganz langsam voran. Gleichwohl war der Saum des inneren Kraters bald erreicht, schweigend standen wir nebeneinander und blickten in den Trichter. Am Rand war er schon von Schnee bedeckt, aber dort, wo er in die Tiefe führte, war er nackt und schwarz, es hätte mich nicht gewundert, wenn Dampf daraus aufgestiegen wäre. Fast alles, was als gegenüberliegender Kraterrand ragte, war bereits durch den Nebel verschluckt.
Weil der Schnee nun nicht mehr fröhlich wirbelte, sondern, vom Wind getrieben, in dichten Fäden schräg zu Boden klatschte, mußten wir erst noch ein Stück auf dem Kraterrand gehen, ehe wir das Kreuz sahen. Ein schlichtes Holzkreuz direkt am Rand des Kraters. Von der ursprünglichen Beschriftung konnte man nur noch ein paar Buchstaben lesen, die keinen Namen ergeben wollten. Es galt einem amerikanischen Touristen, der hier gestorben war; ob man ihn auch hier beerdigt oder im Kraterschlund als verschollen aufgegeben hatte, wußte keiner. So viele Gräber, die es auf diesem Berg gebe – wie sollte man von jedem die Geschichte kennen! Wir standen vor dem Kreuz und wußten nicht weiter. Auf einmal brummelte der Tscharli, er habe dringende Geschäfte zu erledigen, „Big business“, deutete einen Kniefall an, bekreuzigte sich und verschwand mit einem halblaut geknurrten „Habe die Ehre“. Er ging so schnell bergab, daß ihm John kaum folgen konnte.
Hamza und ich sahen ihm nach, bis er vom Nebel verschluckt war. Er wirkte sehr dünn und zerbrechlich, geradezu hinfällig, manchmal sah es so aus, als ob er im nächsten Moment stürzen würde.
Kurz bevor wir zurück im Lager waren, setzte der Sturm ein, er schlug uns den Schnee fast waagrecht ins Gesicht. Irgendwann tauchten die rotweißen Planen unsrer Zelte auf, zur Hälfte eingeschneit, ohne Hamza hätte ich nicht mehr zurückgefunden. Im Mannschaftszelt herrschte angespannte Stimmung. Samson ließ jeden wissen, daß dies nichts als der Anfang sei; erst wenn es wieder still geworden, ganz still, werde’s richtig ernst. Wir könnten froh sein, wenn wir uns morgen früh hier zum Dankgebet versammeln dürften. Der Herr sei mächtig, doch die Götter, die den Kibo beherrschten, seien es nicht minder.
Welche Götter er denn meine? fragte Dede. Schließlich wohne hier oben der Gott der Massai, jedenfalls wenn er nicht gerade auf seinem Hausberg sei, aber auch der Gott der Chagga – und wer weiß, wer noch, das Haus Gottes sei groß.
Das sei es, bestätigte Samson, und wer sich gerade darin aufhalte, wisse kein Mensch je zu sagen. Er war überzeugt, wir hätten beim Aufstieg irgendein Vergehen begangen, das den Gott erzürnt hatte – diesen oder jenen oder wahrscheinlich jedweden Gott, der es zufällig mitbekommen hatte. Obwohl er ein bißchen in die andre Welt hinüberblicken konnte, war Samson kein witch doctor, er wußte kein Mittel, die Götter zu besänftigen. John war Christ, Hamza Moslem, sie hatten hier sowieso nichts zu bieten. Alle anderen waren Chagga, vom Gott der Massai wußten sie nur, daß er noch schrecklicher und grausamer sein konnte als der eigene. Der Berg war heilig, keine Frage, niemandem wollte jedoch etwas einfallen, was er im Gegensatz zu früheren Besteigungen anders gemacht und damit den Zorn der Götter erregt haben könnte.
Jedenfalls werde es ein Heidenspaß werden heut nacht, faßte der Tscharli auf seine Weise zusammen. Und das bei minus zwanzig Grad, „mir gangst“.
Minus zwanzig? Woher er das denn wisse? Das habe er im Orinoco.
Es wurde Zeit, daß diesem Großmaul mal einer das Großmaul stopfte. Aber nein, John und Hamza nickten, minus zwanzig, damit sei zu rechnen.
Schon um vier servierte uns Samson das Abendessen. Zunächst einen Topf mit heißer Knoblauchsuppe. Als er dann Rührei mit einem Stapel verbrannter Toastbrote brachte und den Reißverschluß nicht richtig hinter sich zuzog, bellte ihn der Tscharli an:
„Tür zu, Chef! Oder hast du dahoam an Vorhang?“
Samson verstand kein Wort, begriff indes sofort. Der Tscharli lobte: „Geht doch.“
Mit Negern müsse man immer mal wieder Klartext reden, ließ er mich wissen, kaum daß sich Samson mit seinem „Enjoy your meal, sir“ zurückgezogen hatte: Die bräuchten eine starke Hand. Andernfalls würden sie einem bald auf der Nase herumtanzen.
Hornbrillenwürschtl
Die bräuchten sie ganz gewiß nicht! platzte mir endlich der Kragen: Und Neger seien es bekanntlich auch keine!
„Oha, jetz wird’s sogar hier … Ja leck mich fett!“ wurde der Tscharli prompt lauter: Was die … Neger denn bräuchten?
„Respekt!“ ließ ich ihn wissen: Was er sich eigentlich einbilde? Die hätten ihn hier hochgebracht, ohne sie würde er nicht mal mehr runterkommen!
Die bekämen mehr Respekt von ihm, stemmte sich der Tscharli ein wenig von seinem Klappstuhl empor und schnappte nach Luft: mehr … mehr Respekt … als von einem dahergelaufnen Klugscheißer wie mir! Offenbar wollte er mir an die Gurgel: Die … die … Neger, jawollja. Oder was ein Samson meiner Meinung nach bittschön sei?
„Ein Afrikaner!“ versetzte ich und drückte mich ebenfalls vom Stuhl hoch, klein beigeben würde ich nicht. John hob den Blick kurz von einem seiner Displays und sah mich fragend an. Hamza pulte sich umständlich einen Essensrest aus den Zähnen und schaute weg. Ein, zwei Sekunden schwiegen wir uns alle mit großer Inbrunst an.
„Ja freilich!“ ließ sich der Tscharli zurück auf seinen Stuhl fallen und sackte mit einem Pfeifton in sich zusammen, als hätte man ihm den Stecker gezogen: „Was’n sonst?“ Aber ein … Afrikaner sei doch wohl erst recht ein Neger?
„Mit mir sprichst du nicht über Neger!“ ließ ich ihn von oben herab wissen, und weil ich wußte, daß es ihm weh tat, betonte ich jede Silbe schön scharf und spitz und stichelnd. Erst dann ließ ich mich ebenfalls wieder auf den Stuhl ab. Um ihn weiterhin von oben herab zu fixieren, saß ich ganz aufrecht und mit durchgedrücktem Rücken, schön korrekt und kompromißlos und bewußt blasiert: „Selbst wenn sich das noch nicht bis Miesbach rumgesprochen haben sollte: Es heißt Afrikaner.“
„Afri-ka-ner …“ Der Tscharli gab den abgebrühten Afrikakenner, bekam allerdings vor Empörung kaum Luft: Wie ich denn bittschön die Weißen bezeichnen wolle, die hier geboren seien? Etwa auch Afrikaner? Und die Schwarzen dann vielleicht ganz oberschlaumeiermäßig Afroafrikaner?
„Verdammte –“
Und ob ich selber nichts als ein Europäer sei? Oder doch ein Weißer? Und ganz eigentlich ein Deutscher, nein, ein feiner Han-se-at, was Besseres?
„– Scheiße!“ schlug ich mit der Faust auf den Tisch, daß die Aluteller schepperten: Jetzt reiche es mir, er solle seinen Mund wenigstens beim Essen halten! Und darüber nachdenken, welch reaktionären Stuß er gerade verzapft habe.
Genau so. Es war längst überfällig gewesen. Der Tscharli war so verblüfft, daß er tatsächlich nichts mehr sagte. Er schüttelte nur ab und zu den Kopf, seine Haarsträhnen glänzten im Licht der Funzel wie eine Silbermähne, und dabei ließ er die Luft zwischen den Zähnen herauszischen, was jedesmal einen ziemlich scharfen Ton erzeugte. Der Sturm riß an den Zeltplanen und klapperte mit allem, was er draußen zu fassen bekam. Als sich der Tscharli erhob, wischte er sich mit der Hand übern Mund, dann übern Hosenboden, und bevor er im Dunkel draußen verschwand, steckte er noch mal den Kopf herein:
„Hornbrillenwürschtl, preußisches!“
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