Ein Bundestagsuntersuchungsausschuss ist nicht nur ein langes Wort, sondern auch eine ernste Sache. Wenn der Bürger Helmut Kohl, aller Staats- und Parteiämter beraubt, vor dieser ernsten Sache ab Donnerstag zu erscheinen hat, kann er viel falsch machen. Gibt er sich zu bärbeißig oder arrogant, wird alle Welt ihm ein schlechtes Gewissen unterstellen. Ist er zu aufgeräumt und leutselig, auch. Dabei dürfte das Gewissen seiner Probleme kleinstes sein. Er hat ja alles wieder heile gemacht, als er mit einem Affenzahn sechs Millionen Mark für seine Partei zusammenschnurrte (nur kein Ossi hat ihm was gegeben, nicht mal Gunter Emmerlich, für den er doch die Einheit gemacht hat).
Andererseits kann Helmut Kohl nicht einfach die Masche durchziehen, die seine Vorgänger im Zeugenstand aufgelegt haben: Weyrauch hat so gut wie nichts gewusst bzw. nur Gutes getan oder wenigstens gewollt. Agnes Hürland-Büning, im Volksmund "Raffzahn" gerufen, hat Altersdemenz vorgetäuscht und wirres Zeug geredet ("Ich habe sechs Enkel, da können Sie sich denken, wo mein Geld bleibt, Herr Vorsitzender"). Außerdem hat sie so dick gelogen, dass sie sich jetzt brieflich weiterer Schmiergelder erinnern musste, die gar nicht bis in ihren Sparstrumpf vorgedrungen waren, sondern gewohnheitsmäßig von den Enkeln beim Geldboten an der Haustür abgefasst wurden. Juliane Weber, der eiserne Engel des Vorzimmers, hat stets nur Kaffee gekocht. Ob Krönung oder Auslese, das hat sie schon vergessen. Nur dass ein hochgewachsener Herr namens Brokkoli oder Kohl ihr Chef war, das weiß sie gerade noch. Der "Generalbevollmächtigte" Uwe Lüthje schließlich hat vorsorglich seine Weigerung angekündigt, den Mund - außer zum Atmen oder Kotzen - überhaupt aufzumachen. Aber er hat sich immerhin vorigen Montag öffentlich einen Idioten gescholten, weil er die Soll-und-Haben-Kladde für den Schweizer Tresor "auf Druck Kohls" in den Kamin geworfen hat. Nun kann er nicht einmal beweisen, dass er seine Partei nicht generalvollmächtig beklaut hat.
Auf das Niveau dieser Subalternen wird der bedeutendste Staatenlenker der deutschen Nachkriegsgeschichte sich wohl nicht fallen lassen. Das muss er auch gar nicht. Die Frage, die den Ausschuss interessiert - wer sind die Spender, deren Namen der Patriarch im Busen trägt? - kann er getrost beantworten. Und zwar mit dem, ruhig etwas patzig klingenden Ausruf: "Das wissen Sie doch längst, meine Herren!"
Natürlich wissen die längst, was sogar wir längst wissen: Es gibt keine Spender. Jedenfalls keine lebenden oder, genauer gesagt, keine die zu Lebzeiten gespendet haben. Vielleicht sind es tote Juden, deren Namen Lüthje irgendwo gekauft hat, wie es die Hessische CDU gemacht hat. Vielleicht sind Kohls Spender sogar die selben, und sie haben mit ihrem Ableben zweimal Gutes für die freiheitlich demokratische Grundordnung in Deutschland getan?
Das wär's dann schon: Ein Ausschuss, der sich dümmer stellt, als er ist, wird Helmut Kohl und uns alle nur zum herzlichen Lachen bringen. Aber Helmut Kohl hat weitere Asse im Ärmel. Er kann seinen schönen, gut abgehangenen Satz sagen: "Wir standen 1990 im Osten mit dem Rücken zur Wand." Und "die SED-Nachfolger" kann er sagen. Da wird ein betretenes Schweigen sein im Saale: Helmut Kohl von den Kommunisten an die Wand gestellt? Das können auch Sozialdemokraten nicht gewollt haben. Freispruch aus Notwehr.
Oder er weint. Geweint hat er bisher nur aus Rührung über die Liebe der Menschen, bei großen Zapfenstreichen und Helmut-Kohl-Gedächtnisabenden. Er kann es auf "inneres Kommando". Sollte er diesmal nicht ein bisschen aus Kummer weinen dürfen? In seinem Alter und bei so viel Missgünstlingen ringsum? Nur eine, eine einzige Träne, die sich dem grundgütigen Antlitz des Architekten des freien und geeinten Europa entbindet - und von Moskau bis New York würde man die Schröder/Fischer-Regierung in der Luft zerreißen. Neuwahlen stünden an.
Oder er öffnet langsam, unmerklich lächelnd seinen Aktenkoffer. Schmeißt er dem Ausschuss jetzt den Bimbes vor die Säue? Oder holt er eine Maschinenpistole raus und schießt wenigstens die versammelten Journaille nieder?
Was er auch tut, es wird ihm wohl gelingen - er wird uns gefallen.
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