Acht Jahre Haft hat die Mailänder Staatsanwältin Ilda Boccassini im Korruptionsprozess gegen Silvio Berlusconi gefordert - und ein Chor der Entrüstung fegt durch Italien. Nicht wegen der drückenden Beweislast gegen den selbstgefälligen Regierungschef, von dessen Konten in den achtziger Jahren offenbar beachtliche Summen an einen Richter geflossen sind, der - nach Erhalt der Gelder - rein zufällig äußerst günstige Urteile für den seinerzeit aufstrebenden Unternehmer fällte.
Nein, als Skandal wird es vom italienischen Fernsehen empfunden, dass die Staatsanwaltschaft nicht davon lassen will, den Premier - laut Forbes der viertreichste Erdenbürger - juristisch zu behelligen. Die Hintergründe der schwerwiegenden Anklage sind den Sendern indes kaum eine Nachricht wert. Statt dessen dürfen Berlusconis Höflinge in Fernsehinterviews zur besten Sendezeit die "politische Verfolgung" ihres Gönners anprangern und oberste Justizbeamte vor laufenden Kameras als "Nestbeschmutzer", "Umstürzler", "Kommunisten und Freimaurer" titulieren.
Und hinter dem eingeübten Dauerlächeln schäumt freilich auch der Premier innerlich vor Wut. Da hat er sich in drei langen Amtsjahren so ins Zeug gelegt, um den lästigen Justizärger aus der Welt zu schaffen: Er hat seine treuesten und teuersten Anwälte, die teils selbst der Bestechung angeklagt sind, als Spitzenkandidaten der Hauspartei Forza Italia ins Parlament wählen lassen, wo sie seither im Schutz der Immunität an einer opportunen Gesetzgebung in eigener Sache tüfteln. Er hat die Abgeordneten seiner neokonservativen Wahlallianz Haus der Freiheiten viele unbequeme Paragraphen ändern und neue Gesetze absegnen lassen. Als Ministerpräsident leitete er eine autoritäre "Justizreform" in die Wege, um die renitente Magistratur ein für allemal an die Kandarre zu nehmen. Und er setzte seine begabtesten Hausjournalisten auf die Robenträger an, um die Justiz mit groß angelegten Schmutzkampagnen zu delegitimieren. Ganz widerborstigen Beamten wie eben jener Boccassini, "der roten Ilda", die sich in spektakulären Mafia-Prozessen den Hass des organisierten Verbrechens zugezogen hat, ließ er "aus Kostengründen" den Polizeischutz streichen - und nun diese Blamage!
Wozu hat man denn das viele schöne Geld - wird sich Berlusconi abends im Spiegelsaal seines Schlosses in Arcore enttäuscht fragen - wenn man sich als dynamischer Erfolgsunternehmer keine Gerichtsurteile kaufen darf? Ja, leben wir denn in einem Kolchos? Kleinlich ist das, anti-liberal und der reinste rote Terror! Mit der Justiz ist eben kein Staat zu machen, das weiß Silvio Berlusconi schon lange: "Wer Justizbeamter werden will, muss geistesgestört sein", erklärte er vor ein paar Monaten ungerührt. Aber bis zu den nächsten Wahlen bleiben ihm ja noch anderthalb Jahre, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Armes Italien!
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