Denn sie wissen nicht, was sie tun

Ebola in Madrid Die galicische Krankenpflegerin Teresa liegt seit Tagen auf einer Isolierstation des Madrider Krankenhauses Carlos III. Die Suche nach Verantwortlichkeiten ist absurd

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Wissen genau, was sie tun: Wütende Pflegekräfte protestieren gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy
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Foto: Gonzalo Arroyo Moreno/ Getty Images

Der Zustand von Teresa R. verbessert sich, so die Ärzte des Madrider Krankenhauses Carlos III. Eine gute Nachricht auch für die Verantwortlichen des spanischen und regionalen Gesundheitsministeriums, deren Öffentlichkeitsarbeit in den vergangenen Tagen absurde Züge annahm.

Teresa R. behandelte einen spanischen Missionär, der mit Ebola infiziert war, im Madrider Krankenhaus Carlos III. Als dieser stirbt, nimmt Teresa R. sich Urlaub. Trotz des direkten Kontakts mit dem Patienten wird der Gesundheitszustand der Krankenpflegerin nicht überwacht.

Am 30.9. beginnt Teresa R., sich unwohl zu fühlen. Sie leidet an leichtem Fieber, Durchfall, Erbrechen und Gliederschmerzen. Sie ruft in der Klinik Carlos III. in Madrid an, doch dort sagt man ihr, sie solle sich keine Sorgen machen und sich täglich zweimal die Temperatur messen. Nach über einer Woche wird sie dann mit einem Krankenwagen ins städtische Krankenhaus von Alcorcón, einem Stadtteil Madrids, gebracht. Der Krankenwagen transportiert nach ihr sechs weitere Patienten. Zwei Ebola-Tests fallen positiv aus. Die Medien werden benachrichtigt, ich erhalte drei Meldungen von verschiedenen Tageszeitungen auf meinem Handy. Auch Teresa erfährt von ihrer Ansteckung über ihr Smartphone.

Was in den nächsten Stunden und Tagen passiert, ist seitdem das Hauptgesprächsthema in ganz Spanien.

Kurz nach der Bekanntgabe der Ansteckung der Krankenpflegerin lädt die spanische Gesundheitsministerin Ana Mato zu einer Pressekonferenz. Ihr Ziel ist es augenscheinlich, die Bevölkerung zu beruhigen. Sie beginnt die Pressekonferenz mit einem Statement, spricht von Sicherheitsprotokollen der WHO, beantwortet jedoch keine weiteren Fragen. Sie wirkt verwirrt und delegiert die Fragen an ihre beiden relativ unbekannten Nebensitzer, eine Beamtin im hohen Dienst des Ministeriums und einen Arzt des Krankenhauses Carlos III. Man werde untersuchen, wie es zu der Ansteckung kommen konnte. Ich bin nach der Pressekonferenz beunruhigter als vorher.

Am nächsten Tag schaltet sich der Gesundheitsminister der Region Madrid ein, Javier Rodríguez. Die Patientin habe sich mit einem Latexhandschuh ins Gesicht gefasst, das habe diese bestätigt, ihren Arzt nicht darüber aufgeklärt, dass sie einen Ebola-Patienten pflegte, und überhaupt sei alles ihre Schuld.

Die Spanier sind stolz darauf, kein Regenbogenblatt wie die Bild zu haben, ihre Medien sind jedoch an Sensationalismus nicht zu übertreffen. Erste Bilder von der Patientin werden veröffentlicht, ihr vollständiger Name, ihr Ehemann, mittlerweile zur Beobachtung in der Klinik Carlos III., beginnt eine Kampagne zur Rettung seines Hundes Excálibur, der zur Vorsicht eingeschläfert werden soll. Weinende Nachbarn werden interviewt, die Mutter und die Cousine der Patientin werden in Galicien ausfindig gemacht, eine x-beliebige Krankenschwester tritt vor die Presse und beschuldigt das Ministerium der Lüge und der Fahrlässigkeit: Die Kurse zum richtigen An- und Ausziehen des Schutzanzuges dauerten nur 15-30 Minuten. Javier Rodríguez kontert, es bedürfe doch wohl keines Masters, um sich einen Schutzanzug anziehen zu können. Der behandelnde Arzt schreitet ein, sagt, die Ärmel seines Schutzanzuges seine zu kurz. Rodríguez verteidigt sich. Der Arzt sei fast 2 Meter groß, das müsse man doch wohl verstehen. Unterdessen schweigen Ana Mato und der Regierungspräsident Mariano Rajoy. Man könnte ja etwas Falsches sagen.

Zwei Tage später, am gestrigen Freitag, tritt endlich Rajoy in Erscheinung. Er besucht medienwirksam das Krankenhaus, aus dem mittlerweile alle gemeinen Patienten ausgegliedert werden. Krankenpfleger und Ärzte werfen Latexhandschuhe nach seinem Auto. Javier Rodríguez entschuldigt sich für seine unangebrachten Kommentare, Ana Mato liefert einen weiteren unprofessionellen Auftritt. Als sie auf einer Pressekonferenz nach dem Gesundheitszustand der Patientin befragt wird, antwortet sie, sie kenne nur die Mitteilungen aus den Medien. Eine nationale Gesundheitskommission wird einberufen. Rajoy macht seine Vizepräsidentin, Soraya Sáenz de Santamaría, zur Präsidentin der Kommission. Ana Mato sagt, das sei richtig und normal so.

Excálibur wurde eingeschläfert. Zwölf Bürger befinden sich nun auf einer weiteren Isolierstation des Krankenhauses. Sie hatten direkten Kontakt mit Teresa R., bevor diese eingeliefert wurde. Unter ihnen Krankenpfleger und Ärzte, ein Rettungssanitäter, die beiden Kosmetikerinnen, die Teresa depilierten, als diese bereits Fieber hatte, eine Nachbarin von Teresa und ihr bereits erwähnter Ehemann. Die öffentlich-rechtlichen Sender zeigen Bilder der neuen Schutzanzüge, die erworben wurden. Die Privatsender identifizieren die Bilder sofort als Bilder, die aus einer deutschen Klinik stammen. Weder Ana Mato noch Javier Rodríguez sind zurückgetreten.

Teresa R. wird nun mit drei experimentellen Therapien behandelt. Sie muss überleben. Sie darf nicht zur Märtyrerin der spanischen Gesundheitspolitiker werden. Denn diese wissen nicht, was sie tun.

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