Tag zwei des Republikaner-Konvents, Herald Square, 34. Straße, Ecke Broadway: Wo sich unter normalen Umständen am frühen Morgen gestresste Pendler aus New Jersey auf die Füße treten, afroamerikanische Straßenhändler Fünf-Dollar-Billiguhren feilbieten und brüllende Verkehrscops mit den irrsten Körperverrenkungen auf Avenues und Straßen für Ordnung sorgen, ist auf den Bürgersteigen optisch wie akustisch ein merkwürdiger Stillstand eingetreten. Vor allem weißhäutige Menschen schlendern, untypisch für New York, gelassen an den Schaufenstern entlang, in der schattigen Verkehrsoase haben sich NBC-Techniker breitgemacht, auf den Straßen dominieren im Zweiminutentakt vorbeiziehende Reisebusse mit Delegierten, dazwischen immer wieder schwarze Hochgeschwindigkeits-Limousinen mit abgedunkelten Scheiben, flankiert von Cops auf Harley-Davidsons.
An jeder Ecke in dieser Gegend von New York befindet sich mindestens ein Secret-Service-Mann mit ausgebeultem Anzug, Knopf im Ohr und schwarzer Sonnenbrille. Der Lärm, der sich sonst hier zu Hunderten stauenden Autos, Busse und Lastkraftwagen ist verschwunden. Viele New Yorker, die den Platz - einen Häuserblock von der "Convention" entfernt - nicht meiden, halten staunend inne, um sich das ungewöhnliche Stadtbild anzusehen, und gehen kopfschüttelnd, manche schimpfend von dannen.
"In God and President Bush we trust" (Wir vertrauen auf Gott und Präsident Bush), heißt es in blauer Druckschrift auf einem Plakat, das von einem schwitzenden Pärchen mittleren Alters - sie in einem rosa Kleid, er im dunklen Anzug - hochgehalten wird. Es handelt sich dabei nicht um die Performance eines Straßentheaters, wie man sie vielleicht von den "Billionaires for Bush" erwarten könnte, sondern um zwei Republikaner aus Alabama. Auf der anderen Straßenseite winkt ein Mann in Jeans und T-Shirt mit einem anderen Schild - "Bush - Shame for America!" (Bush - Schande für Amerika) steht darauf. Doch zur direkten physischen Konfrontation zwischen Republikanern und Demokraten kommt es beim Wahlkonvent nur am Rande: seit der erfolgreichen Massendemonstration mit ihren 400.000 Teilnehmern am Sonntag ziehen abends die jüngeren Bush-Gegner zu den Broadway-Shows und belagern die Parties, auf denen sich die stadtfremden Republikaner zu entspannen suchen.
Sind die Konservativen in New York kulturell und politisch eine winzige Minderheit, die mit ihrer "Convention" in einer Demokraten-Hochburg ein provozierendes Zeichen setzt, so geben sie sich medial ausgesprochen moderat und mehrheitsfähig. Das Drehbuch für die rundum perfekt orchestrierte Fernsehshow - pro Tag übertragen die großen TV Networks am Abend eine Stunde - sieht weder Debatten vor, noch sind irgendwelche Überraschungen im Stil westeuropäischer Parteitage zu erwarten.
Das Finale heißt Krönung und "acceptance speech" von George W. Bush, und darauf stimmen parteiinterne Tauben zur Hauptredezeit die Parteischäfchen gebührend ein. Der "Reformer" John McCain, New Yorks Heldenbürgermeister vom 11. September 2001, Rudy Giuliani, der überraschend fest im Sattel sitzende kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger und der rechte Demokraten-Senator Zell Miller - sie alle sollen die Herzen unentschlossener und wankelmütiger Wähler erweichen. Waffennarren, Abtreibungsgegnern, UN-Hassern, neokonservativen Vordenkern und christlich-fundamentalistischen "Theocons" steht im "Madison Square Garden" allerdings keine Bühne zur Verfügung. Die Bremse aus Vorsicht vor überzogener Propaganda ziehen die rechten Strategen auch in Sachen "Ground Zero". Hat "Bushs Gehirn", der Weiße-Haus-Stratege Karl Rove, ursprünglich geplant, den Präsidenten hemdsärmlig triumphierend über den Ort des Anschlags flanieren zu lassen, so soll letzten Endes doch der Eindruck vermieden werden, Bush habe daraus Kapital schlagen wollen. Die Demokraten-Führung hatte schließlich mehrfach davor gewarnt. "Ground Zero" - die "Wunde von New York" wird nun im Wahlkampfherbst offenbar in der Schublade abgelegt. Daran will sich niemand die Finger verbrennen. Inhaltliche Richtung der Parteitagsinszenierung ist dagegen: der prinzipientreue Bush bleibt der einzige Garant für den Frieden und die Sicherheit der Amerikaner und die Mission der Vereinigten Staaten in einer vom "terroristischen Mob" heimgesuchten Welt.
New York ist für die Republikaner so oder so verlorenes Terrain. Trotzdem können sie von hier aus im Rest der USA nur gewinnen. Denn die Vermittlung eines moderaten Selbstbildes, gekoppelt mit einem Negativ-Image, das man mit Geschick John Kerry anzuhängen versucht, ist nicht sonderlich schwer. Diese Aufgabe fällt wiederum Bushs Mann fürs Grobe zu. Es war nicht das erste Mal, dass "White House Senior Adviser" Karl Rove hinter den Kulissen die Tritte, mit denen unter die Gürtellinie gezielt wurde, vorbereiten und reichlich auskosten durfte.
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