Ein Bett für den Winter

Vertrauen und Chance - Obdachlosen helfen

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Es wird kalt auf Hamburgs Straßen und der Winter steht vor der Tür. Vor einiger Zeit traf ich Horst, ein Wandersmann aus Süddeutschland, seit mehr als einem Jahr ist er nun schon "On Tour" und einige Zeit nun auch schon in Hamburg.

Als junger Kerl die "Walz" verpasst, will er nachholen, was er damals versäumte und so eine Walz dauert "3 Jahre und einen Tag", sagt Horst und Horst ist Zimmermann und schnitzt gerade an einem seiner Stöcke, den er im Wald fand und zum Dank an eine Familie verschenken will. Liebe Leut hatten ihn aufgenommen, "für ein paar Tage geht das immer", sagt Horst.

"Danke für die Gastfreundschaft" schnitzt er mit dem Messer in das Holz und gerade geht die Sonne auf. "Das ist ein herrlicher Ort hier zum Sonne tanken ", sagt der bärtige Mann aus dem Schwabenland, der gerne auch auf den Namen "Waldmensch" hört.

Wie die Hamburger so sind, frage ich ihn und Horst antwortet: "Die sind super nett hier" und ergänzt, dass ihm neulich ein Hausbesitzer aufnahm und ihm sogar die Wohnungsschlüssel überließ. Was für ein Gottvertrauen und Horst ist nun wirklich ein netter Kerl, weshalb wohl auch der persönliche Eindruck vor Ort viel ausmacht und nicht jeder hat so viel Vertrauen.

Manuela D. - zum Beispiel - hatte das auch (das Vertrauen) und wurde enttäuscht. In einem der Kommentare meines Blogs schrieb sie: "Ich wohne in direkter Nachbarschaft zu Wuppertaler Tafel und habe vor vier Jahren dann meinen Keller hergerichtet", um ihn wohnungslosen Menschen zum Übernachten anzubieten und das auch "gegen den ausdrücklichen Wunsch der Nachbarn", berichtet Manuela D. und auch ihre Familie sei davon nur wenig begeistert gewesen. "Trotzdem wollte ich das tun", schreibt sie und es dauerte auch nicht lange, bis sich ein zirka 40-jähriger Mann bei ihr vorstellte und Manuela sprach ein paar Regeln mit ihm ab. Also Müll in die Tonnen, Toilette benutzen und kein Lärm im Treppenhaus. Sogar Besuch hatte sie erlaubt, sofern nach 22.00 Uhr dann auch Ruhe sei "und er hat alles von mir bekommen, sogar ein Radio hatte ich ihm hingestellt", berichtet sie.

Nach zwei Wochen und mehreren Versuchen mit ihm zu reden, "musste ich dann die Schlösser austauschen". Es roch stark nach Urin, jeden Abend brachte er dann Kumpels mit und es wurde laut gegröhlt und gesoffen bis tief in die Nacht "und auch noch in die Ecken gepinkelt". Der Heizlüfter und das Radio und was man sonst noch so gebrauchen konnte waren weg - alles geklaut. "Ich war sehr traurig darüber, das es diesem Menschen nicht gelang meine Hilfe anzuerkennen und eine angemessene Haltung zu bewahren", schreibt Manuela.

Ihr sei klar, dass Alkohol ein großes Problem ist, das habe sie auch "einkalkuliert", "aber dass so grenzüberschreitend gehandelt wird", mache sie "einfach nur traurig" und ihre Familie sollte recht behalten, alles was sie an Vorurteilen hatte, traf auch ein.

Manuela brachte den Keller dann wieder in Ordnung und zwei Wochen später fand sich eine junge Frau ein, die glücklich und dankbar war für das Angebot und Manuela versuchte es noch einmal. Nur nicht aufgeben - dachte sie. Doch auch diese Frau hatte einen Makel, denn sie nutzte den Keller zur Prostitution um ihre Drogen zu finanzieren! Nach einem weiterem Gesprächsversuch - wieder Schloss ausgetauscht.

Im Jahr darauf dann wagte Manuela einen weiteren Versuch. Es war ein junger Mann, der Abends kam und morgens - nach dem waschen und dem Frühstück - wieder ging. Er half sogar den Mülleimer runter zu tragen und Weihnachten hatte er "mit uns gefeiert", so ihr Bericht. "Leider ging er ohne sich zu verabschieden", keiner weiß wo er heute ist, sagt sie. "Polizei und Krankenhäuser habe ich angerufen und zur Tafel kommt er auch nicht mehr". Ob sie es dieses Jahr noch einmal versucht, jemand im Winter von der Straße zu holen, weiß sie noch nicht, auch weil es ihr selbst nicht gut geht. Sie könne also verstehen, dass Menschen sich scheuen, das Risiko auf sich zu nehmen und wünscht mir viel Erfolg mit meinem Blog und ja, auch dieser Erlebnisbericht zeigt, dass es ungemein wichtig ist, nicht aufzugeben.

Was Manuela getan hat, war genau das Richtige, auch wenn sie schon so oft enttäuscht wurde.

Viele der Menschen, die auf der Straße leben, haben irgendein Problem, das sie an die Straße bindet. Sei es der Alkohol, die Drogen - was auch immer - die Macht der Gewohnheit betäubt ihre Sinne, sie sehen die Welt manchmal anders. Gerade deshalb ist es so wichtig den Kurs auch zu halten, nicht aufzugeben und weiterhin Chancen zu vergeben. Irgendwann fällt ein Engel vom Himmel, der allen Helfern dankt und auch ein Lächeln schenkt, mit einer Wiederkehr - in einer dann (vielleicht) besseren Welt.

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Geschrieben von

Max Bryan

Blogger & Bürgerreporter | Gesellschaft & Soziales

Max Bryan

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