Glitzer, Glanz und Denitza

Musik Seit einigen Woche geistert das Video "Cash, Diamond Rings, Swimmingpools" der Berliner Künstlerin Dena durchs Netz. Ist das ihr Ernst, oder alles nur Attitüde?
Dena unter Flohmarktbesuchern
Dena unter Flohmarktbesuchern

Screenshot: der Freitag

Was für eine Fresse! Ein Ausdruck zwischen kopfnickender Lässigkeit und enormem Desinteresse, flankiert von einem falsch herum aufgesetzten Cap auf dem Kopf und um den Hals eine dieser massiven Metallketten, die bei manchen Jungs früher als Bindeglied zwischen Schlüssel und Geldbeutel an der Hose baumelten. Die Frau mit dieser grandiosen Mimik heißt Dena, und ihr aktuelles Musikvideo Cash, Diamond Rings, Swimming Pools wurde binnen vier Wochen allein auf Youtube über 150.000 Mal geklickt.

Glitzer und Gold ist nicht unbedingt die große neue Nummer im Hip-Hop, im Gegenteil. Umso spannender ist Denas Inszenierung des Themas. Ein Flohmarkt mitten in Neukölln. Keiner dieser Hipster-Märkte, sondern die solide Nummer, wo die Menschen hingehen, weil sie auf die billigen Preise dort angewiesen sind und wo die Auslagen der Stände die Sehnsucht nach dem besseren Leben spiegeln: gefälschter Schmuck, Markenimitate und viel Glitzer.

Und mitten drin das rosa Knallbonbon Dena in ihrem Trash-Outfit, mit dem sie unter dem eher schwarz gekleideten Publikum heraussticht und sich doch irgendwie gut in die Umgebung einfügt – nicht zuletzt durch die gemeinsamen Tanzeinlagen mit dem Flohmarktpersonal. Ganz im Gegensatz zu Erlend Oye, dem Sänger der Band The Whitest Boy Alive, der im Video einen kleinen Auftritt hat und mit seinem blonden Haarwuschel, der übergroßen Nerdbrille auf der Nase, in adrett geknöpftem Hemd und Anzughose wie von einem anderen Planeten wirkt.

Zum Dreh befragt, erklärt Dena, die mit vollem Namen Denitza Todorova heißt, es sei sehr lustig gewesen, weil fast alle dort bulgarisch sprachen. Sie und Plamen Bontchev, der Regisseur des Videos, stammen aus Bulgarien und leben seit vielen Jahren in Berlin.

Musikalisch ist sie bisher nur im Dunstkreis von The Whitest Boy Alive in Erscheinung getreten. Da drängt sich die Frage nach ihrer Authentizität als Rapperin auf, der Realness, wie es im Hip Hop so schön heißt. Ist sie am Ende nur ein Groupie, ein nettes kleines Hipstermädchen, für die Rap keine musikalische Entscheidung, sondern Attitüde ist?

US-Hip-Hop und Fanta4

Tatsächlich ist sie, wenn man sie trifft, wie sie im Video rüberkommt: eine Berliner Rapperin aus Bulgarien, die englisch singt. Deutschen Hip Hop kennt sie kaum. Doch, von den Fantastischen Vier hatte sie mal Kassetten. Als sie klein war, in Bulgarien. Davon abgesehen fußt ihre musikalische Sozialisation auf den US-amerikanischen Vertretern des Genres wie A Tribe Called Quest und J Dilla.

Cash, Diamond Ring, Swimming Pool greift die alten Hip-Hop-Klischees von Luxus und Reichtum auf, ironisiert sie und zieht sie aber nicht ins Lächerliche, sondern zeigt vielmehr die Bodenständigkeit, die hinter dieser Sehnsucht steckt.

Drei Songs hat Dena bisher veröffentlicht. Um unerfüllte Sehnsüchte dreht sich auch Games, das von der Enttäuschung durch falsche Freunde handelt, „Fake-Leute“, wie Dena sie nennt. Und es trifft auch einen wunden Punkt der sogenannten digitalen Boheme: die permanente Selbstdarstellung im Internet auf der Suche nach Glanz und Gloria. Und Geld.

Das möchte Dena letztlich auch verdienen – es muss ja nicht gleich ein Pool sein – und so arbeitet sie emsig an der Umsetzung von Klickzahlen in Bares. Das bulgarische Nationalfernsehen hat ihr Video immerhin gleich am zweiten Tag nach der Veröffentlichung gespielt.

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Geschrieben von

Max Büch

Onlineredakteur

Max Büch

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