Asia Argento muss ein bisschen atmen. Sie ist nach Berlin gegangen. Oder genauer: geflüchtet. Die italienische Schauspielerin wurde von dort am späten gestrigen Abend zugeschaltet, sie gab das erste exklusive Fernsehinterview seit sie im New Yorker öffentlich gemacht hatte, vom Produzenten Harvey Weinstein sexuell missbraucht worden zu sein. In der populären Talkshow Carta Bianca auf Rai 3 hat sie mit Moderatorin Bianca Berlinguer, der Tochter des großen italienischen Kommunisten Enrico Berlinguer) von den Begegnungen mit Weinstein berichtet. Dem großen, schweren, bedrohlichen Mann.
Sie plustert sich auf, macht dicke Backen, breitet die Arme aus, um ihn zu beschreiben.
Warum hat sie Italien verlassen? "Ich bin in Berlin, weil dieses angespannte Klima auf mir und meiner Familie lastet", erklärt sie, schwarz gekleidet, ernst und schön.
Denn seit ihrem Bekenntnis wird die Schauspielerin und Regisseurin, Tochter des berühmten Horror-Regisseurs Dario Argento, attackiert – im Internet und von Teilen der Presse. Man wirft ihr vor, nicht schon vor 20 Jahren an die Öffentlichkeit gegangen zu sein, warum erst jetzt? Eine Frau wie sie werde "entweder als Schlampe oder als Verrückte" betrachtet, erklärt sie. Vor allem die Anschuldigungen von Frauen, die sie wie eine Kriminelle behandeln würden, würden sie hart treffen.
Sie sei in keinem anderen Land so beleidigt worden wie in ihrem eigenen, schreibt sie auf Twitter. Sie habe seit der Enthüllung von überall her Solidarität erfahren. Nur in Italien werde solches "Victim Blaming" betrieben, würden die Opfer beschuldigt.
Warum ging sie nach dem Vorfall weiter mit Weinstein ins Bett?
Sie habe, antwortet Argento in der Zeitung La Stampa, zu sehr an ihrer Karriere gehangen. Sie habe Angst gehabt. Weinstein sei damals der drittmächtigste Mann in Hollywood gewesen.
Welche Erfahrungen sie denn in der italienischen Filmbranche gemacht habe, fragt die Moderatorin.
Es gab einen Vorfall als sie 16 war, hatte Argento bereits zuvor öffentlich erklärt, ein bekannter Regisseur "mit Napoleonkomplex" habe ihr seinen Penis gezeigt. "Warum nennen sie den Namen nicht?", fragt die Moderatorin. Weil es verjährt sei und nichts ändern würde. Aber eines könne sie glauben: "Es sind die gleichen Mechanismen, ob Hollywood oder Italien, es ist gleich." Sie klingt jetzt kämpferisch. "Italien liegt, was das Frauenbild angeht, 30 Jahre zurück. Wir sind ein Latino-, ein Macholand." 20 Jahre Berlusconi an der Spitze hätten das Frauenbild geprägt, entweder Hure oder Nonne. "Ich bin nichts von beidem, ich bin eine Frau die arbeitet, eine Mutter, ich bezahle meine Steuern."
Unter dem Hashtag #quellavoltache – der italienischen Version des weltweit benutzten #metoo – mehren sich hingegen die Bekenntnisse von Frauen, die ebenfalls belästigt oder sexuell missbraucht wurden. Einige wurden in der nächtlichen Sendung vorgelesen.
Argento sagt, sie hoffe, dass alle misshandelten Frauen in Italien erwachen, Basta! sagen. "Diese Männer, diese Monster, sollten Angst bekommen, so wie wir jedes Mal, wenn wir sie getroffen haben."
Dann ballt sie die Faust.
Auf der Facebook-Seite der Talkshow wurde das Interview heute kommentiert: "Dass ein Mann im Bademantel, mit einer Créme in der Hand Dich fragt, ob Du ihn massieren würdest – das soll etwa Gewalt sein?", heißt es in einem Beitrag. Gepostet wurde er von einer Frau.
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