Das Handy oder ich?

Alltagskommentar Phubbing - schon mal gehört? Das Wort für den Drang, ständig auf sein Smartphone schauen zu müssen, auch wenn der Liebste neben einem liegt. Was für eine Schande!
Ausgabe 35/2013
Das Handy oder ich?

Foto: Don Emmert/AFP/Getty Images

Die Zigarette danach? Wer raucht denn noch. Dafür gibt es jetzt Handys. Der Blick aufs Display, gleich nach dem Aufwachen, er ist für manche so befriedigend wie Nikotin. Zerstörerisch könnte solch eine Geste werden, wenn da noch jemand neben einem im Bett liegt. Wenn die vergangene Nacht zauberhaft war, aber der, mit dem man sie verbracht hat, morgens nicht mehr interessant genug ist.

Zumindest nicht so spannend wie der Bildschirm des Smartphones.

Phubbing heißt das neue Kunstwort, das aus phone und snubbing besteht – vor den Kopf stoßen. Es beschreibt den hysterischen Umgang mit dem Telefon, dieses ständige Draufstarren. Der junge Australier Alex Haigh hat genug davon und eine Gegenkampagne gestartet. Auf seiner Webseite stopphubbing.com kann man lesen, dass es das Ende der Zivilisation bedeute, Twitternachrichten zu checken statt seinem Gegenüber in der Bar in die Augen zu schauen. Dass 87 Prozent der Teenager lieber texten, als miteinander sprechen. Und man findet halbseriöse Statistiken über weltweites Phubbingverhalten. Wer auf Rache sinnt, kann Fotos von Phubbern in seinem Umfeld hochladen. Der digitale Pranger. Haigh empfiehlt: „Lass das Handy in der Hosentasche und führe ein reales Gespräch!“ Aber nicht nur das Sozialverhalten, auch das Ökosystem leidet unter dem Drang, permanent das Handy zu bewegen.

Sehnsucht nach realer Begegnung

Phubber verbrauchen zehn Mal mehr Energie als Menschen, die mit dem Handy ständig ins Netz gehen, fand Mark Mills heraus, Chef der Digital Power Group. Wer dauernd online ist, zapft damit Server weltweit an und bekommt Zugang zu den Cloud-Computing-Diensten. Der digitale Datenverkehr ist in den vergangenen Jahren um das Zehnfache gestiegen.

Haighs Kampagne trifft offenbar den Nerv der Zeit, sie verbreitet sich rasant in den sozialen Netzwerken. Viele Menschen sind des Handys überdrüssig, sehnen sich nach der realen Begegnung. Phubber, seien es nun Angestellte oder Chefs in einer Konferenz, im Restaurant oder bei Rockkonzerten, sind laut modernem Knigge Flegel.

Phubbing kann sogar strafbar sein: In Oregon wurde ein 26-Jähriger zu zwei Tagen Gefängnis verurteilt, weil er während seines Prozesses SMS schrieb. Ein Richter musste 19 Euro zahlen, weil sein Handy während einer Verhandlung klingelte. Noch schlimmer wird es, wenn man während des Liebesakts einen Anruf entgegennimmt. Wer derart unzivilisiert und abgebrüht eine Beziehung killt, müsste zehn Jahre kriegen. Reden kann man mit so einer Person ja nicht mehr.

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Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

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