Dear Frau Mittmann

Brief Weil unsere Autorin zur Wende-Zeit lieber in Cafés als in der Klasse saß, wäre sie fast durchs Abitur gefallen. Doch da war diese Lehrerin. Ein spätes Danke
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 40/2020
Dear Frau Mittmann

Illustration: Johanna Goldmann für der Freitag

Liebe Frau Mittmann,

neulich beim Aussortieren, da fiel mir ein Büchlein in die Hand, das Sie mir zum Abitur geschenkt haben. Ich musste daran denken, wie sie war, diese seltsame Zeit, und an Sie, meine Englischlehrerin.

Wie Sie schon dasaßen, AUF dem Tisch, breitbeinig, in Hippiekleid und Bandana, Fuck-the-system-Haltung.

Sie redeten auf Englisch los, nein, Sie schossen wie aus der Pistole, es klang nicht nach Lehrbuch, mehr nach Covent Garden, auch wenn der noch weit weg war, sogar für Sie.

Es war 1990, ich war 15, als ich auf das Heinrich-Schliemann-Gymnasium kam. Der Sommer ging zu Ende, es war der Sommer, in dem Kaufhallenregale rasant leer geräumt und über Nacht mit Westprodukten gefüllt wurden. Mit Schauma-Shampoo.

Ich saß im Speisesaal des Ferienlager