Die Rolle seines Lebens

DSK-Seifenoper Die Affären des Strauss-Kahn sind für die Franzosen das auf Facebook am meisten geteilte Thema 2011: Seine Geschichte wird immer weiter erzählt. Nun auch von Depardieu

Er kennt die Abstürze, den Exzess, liegt dauernd in der Kurve.

Gérard Depardieu. Nun soll er Dominique Strauss-Kahn auf der Leinwand verkörpern. Wer sonst?

Abel Ferrara lasse sich "frei inspirieren" von der DSK-Affäre. In der Rolle seiner Ehefrau Anne Sinclair wünscht sich der US-Regisseur Isabelle Adjani. Ganz großes Kino.

Im wahren Leben geht die Soap weiter. Die neuesten ungeklärten Fragen: Wer war die mysteriöse Blonde, mit der Strauss-Kahn in der Nacht vor dem Vorfall den Lift genommen hat? Die das Sofitel in New York morgens um vier allein wieder verlassen hat? Wie kam sein Handy abhanden? Wieso geriet er 2006 im Bois du Boulogne, dem Wald der Pariser Prostiutierten, in eine Polizeikontrolle?

Vor allem aber: Ist alles ein Komplott? Eine Verschwörung?

Das behauptet der langjährige DSK-Freund und Biograf Michael Taubmann in seinem Buch: Die DSK-Affäre – eine Gegen-Nachforschung. Es ist am vergangenen Donnerstag erschienen - ein Name wie ein Thriller.

Die Illustrierte Paris Match titelte: DSK - seine Wahrheit und zeigte auf dem Cover ihn und seine Frau beim Spaziergang, sie lächelt komplizenhaft, er wirkt nachdenklich. Die Zeitschrift druckte zudem vorab "die besten Seiten" des Buches. Längst beschäftigt der Mann, seine Liaisons, sein Trieb, nicht nur Gerichte, sondern auch Vermischtenseiten. Der Ex-Banker zwischen alternden Chansonsängern und neuer Chanel-Show.

Callgirls und Blackberrygate

Wenn er in seinem Werk nun von Komplott spricht, wird der Publizist Taubmann jedoch nicht konkret, nennt weder Namen noch Beweise. Dass seit der Zimmermädchen-Affären im Mai jetzt Frauen, die DSK früher sexuell belästigt haben soll, dies öffentlich machen, wie die Journalistin Tristane Banon, dass sein Name mit denen von Callgirls, Zuhälter - und Prostituiertenringen assoziiert wird, das könne kein Zufall sein. Der Schmutz des alten, grauhaarigen Mannes: eine Falle.

Schlüsselfigur sei Nafissatou Diallo, das Zimmermädchen des New Yorker Hotels, die Monsieur le socialiste das Handy gestohlen und ihn mit eindeutigen Blicken aufs Geschlecht zum Sex provoziert haben soll. US-Journalist Edward Jay Epstein hatte vor ein paar Tagen eine ähnliche These aufgestellt. Er sprach von "Blackberrygate", weil UMP-Politiker Strauss-Kahns Handy gehackt haben könnten.

Strauss-Kahn distanziert sich jedoch von der Komplott-Theorie: Viele Interpretationen oder Zeugenaussagen seien "ungenau", heißt es in einer Erklärung, die er über seinen Anwalt verbreiten ließ. Er selbst werde sich nur gegenüber der Justiz äußern, in Frankreich oder in den USA.

Er bekennt in dem Buch aber auch, ein freizügiges Sex-Leben geführt zu haben. Daran sei jedoch nichts illegal. Nie habe er "einen Centimes" für Prostitution ausgegeben. Sein Sex im Hotelzimmer sei "einvernehmlich, aber dumm" gewesen, aber nun sei fini mit maßloser Libertinage. Er wolle ein neues Leben führen. Die öffentliche Läuterung?

Man kann sie auch in Deutschland beobachten, ist nur alles eine Nummer kleiner.

Guttenberg war nicht der Herr der Weltwährung, ein künftiger Präsident, er war nur ein Verteidigungsminister mit Gel in den Haaren, immerhin eine Lichtgestalt für die Konservativen, so wie es DSK für die französische Linke war.

Der Baron sprach von Krieg, konnte aber nichtmal sich selbst schützen. Er stürzte nicht über große Brüste, sondern übers Plagiat.

Tänzelnder Schritt

Er hat nun mithilfe eines renommierten deutschen Journalisten den Versuch unternommen, sich zu rehabilitieren. Vorerst gescheitert heißt das Buch, mit dem er sich als Fehlbarer, als Mensch und Politiker, neu erfindet. Er sucht das Comeback.

Und weil dieses up and down the staircase - auch in der B-Liga- für gehobene Unterhaltung herhält, wird Jan Josef Liefers hierzulande vor die Kamera treten, er soll den in die USA geflücheteten Darling spielen, „weil der auch diesen tänzelnden Guttenberg-Schritt beherrscht“. Tänzelnder Schritt? Oder nur ein weiterer Schritt nachhause?

Für Strauss-Kahn wird es kein Zurück mehr geben. Er war in der Hölle. Er ist unten durch. Eine französische Porno-Produktionsfirma hatte angekündigt, die Sexaffären in einem Porno zu parodieren. Die Hauptfigur soll die Initialen DSK tragen: "David Sex King".

Das größte Rätsel aber ist Anne Sinclair. Seine Ehefrau. Warum ist sie noch an seiner Seite? Ist das nur gute französische Sitte? Das Cecilia- Sarkozy- Prinzip? Oder vrai amour? Wie lange noch? Fortsetzung folgt.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

Maxi Leinkauf

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden