„Vous desirez, Mademoiselle?“ So fragt der flirtende Kellner im Café am Canal St. Martin, aber vielleicht schon bald nicht mehr der Mann im grauen Behörden-Pullover.
Denn das Wort soll verschwinden, mais très vite, fordern französische Feministinnen in einer Anti-Fräulein-Kampagne.
"Mademoiselle? Ein Kasten zuviel!" lautet die Petition, mit der sie alle Französinnen auffordern, künftig das Wort Mademoiselle durchzustreichen, wenn es um den Abschluss eines Mietvertrags, einer Steuererklärung oder die Eröffnung eines Bankkontos geht. So soll die Auskunft über den Familienstatus verweigert werden und die Unterscheidung in unverheiratet oder verheiratet. Denn das sei Eingriff in die Privatsphäre.
So ein zauberhaftes, charmantes Wort? Beleidigend, unverschämt, sexistisch, finden die Kombatantinnen von Osez le feminisme (Wagt den Feminismus) oder Chiennes de garde (Wachhündinnen).
Warum erst jetzt?, könnten sich No-Fräulein-Emanzen bei uns nun fragen, in Deutschland gibt es dieses Wort seit Anfang der siebziger Jahre auf Ämtern nicht mehr, so wie in Dänemark, Kanada, Spanien oder Italien – eine Folge des feministischen Protestes. Eine Frau sollte sich jenseits ihrer Beziehung zu einem Mann definieren können.
Signorina, Señorita oder Frøken kamen aus der Mode. Die amerikanischen Feministinnen führten das neutrale Ms (Miss) ein. Sie habe damals allerdings nicht darauf bestanden, Ms genannt zu werden“, erklärt die New York Times – Redakteurin Gail Collins auf der Seite slate.fr. „Die Frauen, die das damals taten, waren sehr mutig“, genauer: militant. Nach und nach wurde das Ms immer populärer in der Alltagssprache, Millionen Frauen fühlten sich in ihren Kämpfen bestätigt.
Quebecoiser Feministinnen suchten nach einem Äquivalent zu Ms: Mad oder Madelle waren im Spiel, wurden aber nie verwendet. Der französische Begriff aber, der auf 'oiselle' (kleines Vögelchen) basiert und übertragen ungefähr 'naives Mädchen' bedeutet, gehört noch immer zum Inventar der Republik. Einer, die sich trotz Simone de Beauvoir nie richtig von ihrer Machokultur verabschiedet hat, wie die Reaktionen und Debatten zum Strauss-Kahn-Fall zeigten. Es ist wohl nicht zufällig, dass der Vorstoß zu einer Zeit kommt, in der die Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Ex-IWF-Chef noch nachwehen.
Ist also frauenfeindlich, wer Mademoiselle sagt? Und Frankreich, das ewige Vorbild in der Frauenfrage, eigentlich ein Spätzünder? Schon in den Achtzigern hat die Frauenministerin Yvette Roudy die Herabwürdigung unverheirateter Frauen angeprangert. Dabei machen sie so schwach, aber auch so unangreifbar, diese verheißungsvollen Silben.
Und französische Frauen sind gespalten, in der M-Frage.
Die Organisationen Paroles de Femmes (Wörter der Frauen) und Future au Féminin (Zukunft dem Weiblichen) wollen nicht lassen von dieser altmodischen chose. Es sei im Grunde eine falsche Debatte, bloggt Mademoizelle Geekette: "Ich bin für die Gleichheit der Geschlechter, für gleichen Lohn und meine Tochter würde nie eine Barbie in ihrem Zimmer haben". Sie sei genervt vom ordinären Sexismus, aber "geschmeichelt, wenn man mich Mademoiselle nennt".
Denen, für die Mademoiselle zum besonders verwirrenden Spiel der Verführung gehört, antwortet die kanadische Journalistin Marie-Claude Lortie: "Das verwenden vielleicht noch irgendwelche Macker, die der Frau das Gefühl geben wollen, jung zu wirken - aber es ist sehr sehr out".
Filmdiven wie Jeanne Moreau (83) oder Catherine Deneuve (67) bestehen darauf, Mademoiselle genannt zu werden, so wie Coco Chanel bis ins hohe Alter für alle nur Mademoiselle Coco war.
Ist die Debatte, wie es solche Frauen empfinden, ein bisschen lächerlich? Kann überhaupt ein aussortiertes Wort das sexistische Verhalten der Monsieurs, die sich so gerne als méditerranées sehen, ändern?
Es produziert zumindest noch mehr Worte: Auf Twitter ist die M-Frage momentan das Thema Nummer 1: "Der erste, der mich Madame nennt, den angel ich mir", schreibt eine junge Frau. Also, eine Mademoiselle.
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