Französische Attacke

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Mittagsdiskussion in der Gorkikantine:

"Meine Freundin legte mir neulich einfach ein Blatt mit den 7 Strophen des Liedes, das ich unserer Tochter abends vorsingen sollte, auf' s Bett", erzählt ein Kollege. Die Franzosen nennen das eine "Attaque balsamique": Eine sanfte Attacke.

Wir kamen dann auf die Franzosen im allgemeinen, und französische Frauen im besonderen. Julie Delpy soll wohl in Wahrheit ziemlich arrogant sein, und die Wahlfranzösin und Première Dame, Carla Bruni, die nannte der Kollege "verrucht".

Pardon? Dieses Puppengesicht? Verrucht?

Meine Eltern verwendeten dieses Wort früher eher für (aus ihrer Sicht) rassige Diven wie Fanny Ardant oder Hannelore Elsner.

"Ich meine die Songtexte, in denen sie sich immer als Männerfresserin inszeniert", erklärte der Kollege.

Nun zeige sich aber, dass sie ja eigentlich ganz spießig sei. Warum sonst hätte sie Nicolas Sarkozy geheiratet?

"Aus Liebe?", erwiderte ich.

"Sie war vorher links - und ist nun mit einem Rechten zusammen: Wie soll das gehen?"

"Weil sie womöglich in den Typen verliebt ist - und nicht in seine Ansichten?", sagte ich.

"Aber man kann doch niemanden lieben, dessen politische Meinung man nicht teilt", meint der Kollege.

"Chemie!", insistierte ich.

"Aber die Chemie kommt doch erst, wenn bestimmte Faktoren stimmen, wenn man es toll findet, was jemand erzählt, was er denkt, wie er die Welt sieht", mischte sich eine Kollegin ein.

"Und vielleicht hat Sarkozy beim Diner ja irgendetwas Grandioses erzählt", warf ich in den Ring.

"Wie, stehst Du jetzt etwa auf kleine Männer?", fragte ein weiterer Kollege, ziemlich irritiert.

Liebe Community, was glaubt ihr: Kann man sich in jemanden verlieben, auch wenn man seinen weltanschaulichen Horizont nicht teilt? Gibt es da einen Unterschied, zwischen privat und öffentlich - oder dominiert am Ende doch die Chemie und die für Außenstehende unerklärlichen Schwingungen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

Maxi Leinkauf

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