Ihdl (j4f): lol, f2f! Zu kryptisch? Das ist ein Beziehungstext, ein Dialog aus Akronymen. Ökonomisch und präzise. Die erste SMS wurde im Jahr 1992 verschickt, heute mailen, simsen, twittern wir ständig in Kurzform. Begleitet von der permanenten Klage, wie der Cyberslang unsere Sprachkultur verderbe. Nur „Recycling-Sprache“ sei das, denn das Verkürzen und die Anglizismen würden den Wortschatz verkleinern, jede Nuance verdrängen. Aber verlieren wir wirklich die Fähigkeit zu denken, einen abstrakten Text zu begreifen, überhaupt die Geduld aufzubringen, ihn bis zu Ende zu lesen, wie der Schriftsteller Jonathan Franzen ausgerechnet mit dem Rückgriff auf Karl Kraus prophezeit? Überall Verfall?
Nicht so schnell: Neue Studien zeigen, dass die Sprachkompetenz durch den Umgang mit neuen Medien nicht sinken muss, sondern sogar steigen kann. Ja, unsere Sprache verändert sich mit den Medien, in denen wir sie benutzen. Lehrer fürchten oft, ihre Schüler könnten kaum noch komplexe Argumente nachvollziehen, wenn sie ihre Privatnachrichten nur in 140 Zeichen abhandeln. Aber Beweise dafür fehlen bisher.
Mal "u", mal ein formales "you"
Die Rhetorikprofessorin Andrea Lunsford, die an der Stanford Universität forscht, hat nun Erstsemestertexte ihrer Uni von 1917 mit denen von heute verglichen. Das Ergebnis: Die heutigen Texte sind größer und komplexer, sechs Mal länger als früher und argumentativ stärker. Und das, so Lunsfords These, sei auch dem Umgang mit sozialen Netzwerken und der Blogosphäre geschuldet, denn da werde von Studenten verlangt, Informationen zu bündeln, verschiedene Standpunkte rasch zusammenzufassen und flüssiger zu schreiben. Auch kurze Nachrichten würden das Sprachvermögen eher vergrößern. Schließlich ist es keine ganz leichte Übung, sich mit wenigen Zeichen unmissverständlich auszudrücken.
Auch die Befürchtung, dass Jugendliche für grammatische Regeln und stilistische Feinheiten jedes Verständnis verlieren, wenn sie sich stundenlang auf Facebook und Twitter mit Slang austauschen, scheint sich nicht zu bewahrheiten. Die britische Linguistin Naomi Baron hat über einen längeren Zeitraum Chat-Nachrichten untersucht und fand heraus: Je älter die Nutzer werden, desto mehr achten sie auf Grammatik und Stil ihrer Sätze. Sie wollten mit zunehmendem Alter seriös erscheinen, „denn sie wissen, wie man als erwachsener Mensch schreiben sollte“. Mal wird für gute Freunde ein „u“ verwendet, mal für Bekannte ein formales „you“ – je nach Situation. Die Nutzer können das durchaus trennen. U will C.
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